René Benko: Das erste Jahr nach der Signa-Pleite
Über Monate hinweg braute sich ein Sturm zusammen. Zunächst gab es im Sommer 2023 Berichte darüber, dass die Europäische Zentralbank Sonderprüfungen bei Banken mit Signa-Krediten durchführen lässt. Schon zuvor gab es erste Berichte über Milliarden-Schulden. Noch im Oktober sprach ein hochrangiger Bank-Manager von einer "modernen Hexenjagd".
Im Herbst flog dann die Sporthändler-Tochter Signa Sports United (SSU) auseinander, die Baustelle des Hamburger Elbtowers stand plötzlich still. Es waren nur die Vorboten. Anfang November 2023 musste Benko seinen Vorsitz im Signa-Beirat räumen. Auf Druck der Investoren hin gab er seinen Sessel an den Sanierer Arndt Geiwitz ab. Dieses informelle Gremium gibt es inzwischen nicht mehr, auch Geiwitz dürfte nach nicht einmal vier Wochen wieder von Bord gegangen sein.
Am 29. November, vor genau einem Jahr, ging dann die richtige Pleitewelle los. Die Signa Holding meldete Insolvenz an. In dem Firmenkonstrukt, das "deutlich über 1.000 Steuernummern" umfasst, wie es ein Finanzbeamter Monate später in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss sagen sollte, war die Holding zentrale Schaltstelle.
Per September 2024 liegen die Forderungen gegenüber der Signa Holding bei über 7,7 Milliarden Euro – allein damit reichte es schon für die mit Abstand größte Pleite der österreichischen Geschichte. Vom Insolvenzverwalter anerkannt sind bislang aber nur gut 1,2 Milliarden.
Es sollten noch viele weitere folgen. Zwei weitere Leuchttürme meldeten noch vor Ende des Jahres Insolvenz an: Die Signa Prime und die Signa Development. Sie bündelten die besten Immobilien aus dem Portfolio.
Die Forderungen gegenüber der Signa Prime liegen momentan bei über 12 Milliarden Euro, davon wurde bislang aber nur etwa die Hälfte anerkannt. Bei der Development ist es etwas weniger - von den 2,2 Milliarden an angemeldeten Forderungen werden rund 1,5 Milliarden anerkannt.
Rund um die beiden Töchter folgten monatelange Rechtsstreitigkeiten. Zunächst übernahmen Treuhänder die Kontrolle, um die Sanierung über die Bühne zu bringen. Sanierungspläne wurden in der Folge jedoch gekippt. Bei der Signa Prime stand dann im Oktober 2024 fest: Aus der Sanierung wird ein Konkurs. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) nach Einspruch der Republik Österreich setzte schließlich den letzten Todesstoß.
Pleiten im dreistelligen Bereich
In der Zwischenzeit gingen noch viele weitere Firmen pleite. In dem völlig undurchsichtigen Konstrukt ist es von außen kaum möglich, einen Überblick zu behalten. Die Pleiten-Zahl ist jedoch schon deutlich im dreistelligen Bereich.
Die Gesellschaften hatten teils klangvolle Namen wie SDS M2 2026 GmbH (200-Millionen-Pleite) oder wurden mit dem NATO-Alphabet durchnummeriert. Aus der Signa Lima wurde dann später die Signa SFS Austria GmbH. Der verrechnete Ex-Kanzler Sebastian Kurz ein Millionenhonorar, aufgrund der Pleite dieser Gesellschaft verzichtete Kurz schließlich darauf.
Weitere Milliardenpleiten kamen beispielsweise durch die Signa Retail GmbH (rund 1 Milliarde) oder die Signa Prime Holding GmbH (knapp 1,3 Milliarden) zustande.
Insolvenz von Benko selbst
Im März rutschte auch Benko persönlich als Unternehmer in die Pleite. Im Zuge des Verfahrens gab er an, auf die finanzielle Hilfe seiner Mutter angewiesen zu sein und rund 3.700 Euro im Monat zu verdienen. Die finanzielle Hilfe geht so weit, dass die Mutter auch die Miete für Benkos Prunk-Villa in Innsbruck-Igls zahlt. Laut "Standard" immerhin stattliche 238.500 Euro - pro Monat.
In diesem Verfahren wurden ebenfalls zwei Milliarden Euro gefordert, aber nur ein Bruchteil anerkannt. Im Zuge dieses Gerichtstermins zeigte er sich auch erstmals wieder in der Öffentlichkeit.
Video: Benkos erster Auftritt seit der Pleite
Sträfliches Schweigen im U-Ausschuss
Dabei hätte er gar nicht anwesend sein müssen. Er wäre allerdings zeitgleich im Wiener Parlament im U-Ausschuss geladen gewesen, sagte dafür jedoch ab, weil er ja einen Gerichtstermin habe.
Diesem COFAG-U-Ausschuss, der eher zu einem Benko-U-Ausschuss mutierte, konnte er dann allerdings doch nicht ganz fernbleiben. Er kam zum letztmöglichen Zeitpunkt, sah und sagte in den entscheidenden Punkten wenig.
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So wenig, dass das Bundesverwaltungsgericht wegen Aussageverweigerung eine Beugestrafe von 700 Euro verhängte.
Video: René Benko im U-Ausschuss
Das Rätsel um die Privatstiftungen
An den Stiftungen in Benkos Umfeld beißen sich Gläubiger, Ermittler und Insolvenzverwalter gleichermaßen die Zähne aus. Dort vermuten sie beträchtliches Vermögen. Da sie aber auf Benkos Mutter laufen, gab es bislang keine Möglichkeit, darauf Zugriff zu bekommen.
Benko-Masseverwalter Andreas Grabenweger erwirkte zwischenzeitlich eine einstweilige Verfügung, mit der die Vermögen der Laura- und der Ingbe-Privatstiftung (benannt nach Benkos Mutter und Tochter) "praktisch eingefroren" wurden - das Oberlandesgericht Innsbruck hob diese jedoch im Juli auf.
Die Familie Benko Privatstiftung ging im März ebenfalls pleite. Auch hier fordern Gläubiger rund zwei Milliarden Euro. Interessanter Nebensaspekt: René Benko schuldet seiner eigenen Stiftung rund 22 Millionen Euro.
Ermittlungen, Hausdurchsuchungen und SOKO Signa
Die diversen Pleiten riefen auch etliche Ermittler und Staatsanwaltschaften auf den Plan. Nicht nur in Österreich, auch in Deutschland und Liechtenstein wird ermittelt – teils auch gegen René Benko persönlich. Im Bundeskriminalamt wurde dafür sogar eine eigene Sonderkommission ins Leben gerufen: die SOKO Signa. Im Frühling war die Rede von bis zu 40 Ermittler:innen.
Ende Juni stand dann auch die Cobra vor der Tür von Benkos Villa in Igls. Durchgeführt wurde die Hausdurchsuchung von der SOKO Signa, bestätigte die WKStA später. Ermittelt werde wegen des Verdachts auf Untreue, Betrug und betrügerische Krida.
Video: Hausdurchsuchungen bei Benko
In Luxemburg soll es rund um ein mutmaßliches Tauschgeschäft von Luxus-Villen am Gardasee zu Durchsuchungen gekommen sein, im September gab es im "Upper West" in Berlin eine Razzia wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung.
Signa-Ramsch wurde versteigert
Das Drama rund um Benko sorgte aber auch für so manche Absurditäten. Um Geld zu beschaffen, wurde allerlei Inventar aus Signa-Büros versteigert. Vom üppigen Konferenztisch bis hin zum Kleiderbügel. Am heißesten wurden jedoch die Signa-Türmatten oder eine Signa-Schneekugel gehandelt. Ein Signa-Monopoly ging um hunderte Euro weg.
Bilder von der Signa-Versteigerung:
1.600 Euro waren dem Höchstbietenden der Fußabstreifer wert. Der entpuppte sich dann noch als Promi. "Pizzera & Jaus"-Sänger Paul Pizzera schnappte sich das gute Stück, weil er es für das Musikvideo des "Aut of Orda"-Songs "Life's a party" brauchte.
Auch aus Benkos privatem Fundus konnte man sich bedienen. So wurde eine Weinsammlung versteigert, man konnte im Herbst aber auch noch für seine Manschettenknöpfe, sein Mountainbike oder seinen Jetski mitbieten.
Video: Ein Stück Signa ergattern
Und wie geht es weiter?
Bis die Ausmaße und Hintergründe des Milliarden-Desasters rund um die Signa aufgeklärt sind, werden jedenfalls noch Jahre vergehen. Was davon unternehmerischer (Über)mut war und was strafrechtlich relevant, werden Ermittler, Insolvenzverwalter, Anwälte und Gerichte in langwierigen Prozessen klären.
Bis dahin wird das Kapitel Benko und Signa noch so die ein oder andere spannende Geschichte liefern.
Zusammenfassung
- Am 29. November 2023 fiel das Kartenhaus, das René Benko über Jahre hinweg aufgebaut hat, zusammen.
- Mit der Signa Holding schlitterte die erste zentrale Gesellschaft in dem Firmen-Dickicht in die Pleite.
- Es sollten unzählige weitere Folgen.
- Auch ein Jahr später ist man noch weit von einer Aufklärung entfernt.
- Ein Auszug aus dem, "was bisher geschah".