Steuerreform: Wenig-Verdiener "bekommen von Entlastung nichts"
Die am Sonntag vorgestellte ökosoziale Steuerreform entlastet bei der zweiten Etappe vor allem Personen mit höherem Einkommen. "Alle unter einem gewissen Einkommen bekommen von dieser Entlastung nichts", so Picek. Die volle Entlastung würden nur die genießen, die über 3.000 Euro Brutto verdienen. Den Geringverdienern helfen die Änderungen auch, allerdings nur bei den Krankenversicherungsbeiträgen.
"In Wirklichkeit passiert nicht viel"
"Wir haben ein Steuersystem, wo jedes Jahr die Arbeitnehmer und die Selbstständigen etwas mehr zahlen." Was jetzt passiere sei, dass diese zurückbekämen, was sie in den vergangenen vier bis fünf Jahren mehr bezahlt hätten. Würde man ab dem jetzigen Zeitpunkt rechnen, wäre diese Entlastung im Jahr 2026 "schon wieder weg", rechnet der Ökonom vor.Es sei keine Überraschung, dass alle vier bis fünf Jahre die größte Steuerreform aller Zeiten komme. Vorher werde das Geld genommen, dann werde es mit viel polit-medialem Theater wieder zurückgegeben, in Wirklichkeit passiere aber nicht viel.
Auto-Pendler und Öl-/Gasheizungs-Besitzer als Verlierer
Der durchschnittliche Haushalt werde durch die Steuerreform die Mehrbelastungen wieder zurückbekommen. Das werde sich aber nicht bei allen ausgehen. Einige, Picek spricht hier Auto-Pendler oder Besitzer einer Öl- oder Gasheizung an, werden mehr zahlen müssen als sie zurückbekommen. Als Mieter sei das ein Problem. Man könne nicht auf eine andere Heizung umstellen, wenn sich der Hausverwalter querlege.
Hälfte der Wiener heizt mit Gas
Fest steht aber jetzt schon, dass es in Wien zigtausende Menschen gibt, die mit Erdgas heizen und keinen Einfluss darauf haben, weil sie unter Miete wohnen. Für sie soll es eine eigene Lösung geben, kündigte das Ministerium auf APA-Anfrage am Montag an.
In Wien heizt die Hälfte der Haushalte mit Gas, österreichweit ist es ein Viertel, wie aus Daten der Statistik Austria hervorgeht.
Insgesamt gibt es in Österreich rund vier Millionen Haushalte als Hauptwohnsitze. 1,2 Mio. davon heizen mit Fernwärme, 910.000 mit Erdgas, 509.000 mit Heizöl. Die Zahlen zeigen, dass es zwischen Land und Stadt auch beim Heizen große Unterschiede gibt. In Wien werden 442.000 der insgesamt 911.000 Haushalte mit Gas beheizt, 390.000 beziehen Fernwärme
Reform "reicht nicht"
Picek unterstützt die Kritik der Klimawissenschafter. Die Steuerreform sei nicht der Preispfad, der klimawirksam sei und starke Lenkungseffekte auslösen würde.
Die ökosoziale Steuerreform sei ein guter Einstieg, der den Grünen zu verdanken sei, reiche aber nicht. Man müsse die öffentlichen Verkehrsmittel ausbauen. Stillgelegte Bahnlinien müssten wieder aufgenommen werden, um den Menschen die Möglichkeit zum Umstieg zu geben. Eine generelle Teuerungswelle befürchtet der Experte nicht.
Effekte erst in fünf Jahren
Bis die Steuerreform spürbare Wirkung zeigt, wird es wohl noch fünf Jahre dauern, erwartet Klaus Gugler, Volkswirtschaftsprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien. Entscheidend werde sein, dass sich Verhaltensweisen der Menschen ändern und vor allem die Investitionstätigkeit angepasst wird. Die ab 2022 geltende Belastung von 30 Euro je Tonne CO2 sei "natürlich zu wenig" für eine wirksame Lenkung, aber immerhin ein Einstieg in die Bepreisung.
In Summe "würde ich schon sagen, dass endlich, nach 30 Jahren Diskussion, die Bepreisung gekommen ist. Dass man klein anfängt, ist halt ein Politikum", sagt Gugler, Vorstand des Instituts für Quantitative Volkswirtschaftslehre und Leiter des Forschungsinstituts für Regulierungsökonomie. Er verweist darauf, dass Preise von 100 bis 150 Euro je Tonne in der Wissenschaft bevorzugt würden, um einen deutliche Strukturveränderung zu erzielen. Aber auch so werde es einen Lenkungseffekt geben, weil die Ausschüttung an die Menschen, der Klimabonus, unabhängig vom Verbrauch fließt. Vielleicht wäre es noch effizienter gewesen, das Geld aus der CO2-Abgabe in die Klimaforschung zu investieren, aber das sei politisch nicht die erste Wahl gewesen.
Derzeit werde viel diskutiert, ob die Österreicherinnen und Österreicher nach Einführung des CO2-Preises weniger Auto fahren werden. Aber aus Guglers Sicht ist viel wichtiger, welche Investitionen sie tätigen - also was für ein neues Auto, welche Heizung im neuen Haus sie kaufen.
Vorhaben aus Regierungsprogramm noch offen
Vieles aus der Steuerreform findet sich bereits im Regierungsprogramm wie die Senkung der Tarifstufen oder die CO2-Bepreisung. Einiges, das man dort entdeckt, blieb vorerst jedoch unangetastet wie die Ökologisierung des Pendlerpauschales, der Lkw-Maut oder des Dienstwagenprivilegs. Auch Anpassungen bei der "Kalten Progression" wurden verschoben.
Zusammenfassung
- Nur wer sowieso schon ein höheres Einkommen beziehe, werde von der ökosozialen Steuerreform in vollem Umfang profitieren, rechnet Oliver Picek, der Chefökonom des Momentum Instituts, vor.
- Die am Sonntag vorgestellte ökosoziale Steuerreform entlastet bei der zweiten Etappe vor allem Personen mit höherem Einkommen. "Alle unter einem gewissen Einkommen bekommen von dieser Entlastung nichts", so Picek.
- Die volle Entlastung würden nur die genießen, die über 3.000 Euro Brutto verdienen. Den Geringverdienern helfen die Änderungen auch, allerdings nur bei den Krankenversicherungsbeiträgen.
- "Wir haben ein Steuersystem, wo jedes Jahr die Arbeitnehmer und die Selbstständigen etwas mehr zahlen." Was jetzt passiere sei, dass diese zurückbekämen, was sie in den vergangenen vier bis fünf Jahren mehr bezahlt hätten.
- Würde man ab dem jetzigen Zeitpunkt rechnen, wäre diese Entlastung im Jahr 2026 "schon wieder weg", rechnet der Ökonom vor.
- Picek unterstützt die Kritik der Klimawissenschafter. Die Steuerreform sei nicht der Preispfad, der klimawirksam sei und starke Lenkungseffekte auslösen würde.