Adam JohnsonAPA/AFP/Jonathan Daniel

Eishockey: Sind tödliche Unfälle unvermeidbar?

Im September ein Schlagschuss in den Nackenbereich von Linz-Stürmer Stefan Gaffal, nun der tödliche Unfall eines US-Profis in England. Gehört Lebensgefahr zum Eishockey einfach dazu? "Ein ganz schwieriges Thema", sagt Ex-Profi Patrick Harand.

Die weltweite Eishockey-Familie trauert um Adam Johnson. Der 29-jährige US-Amerikaner, im Einsatz der Nottingham Panthers, verstarb am Sonntag an den Folgen einer schweren Halsverletzung durch die Kufe eines Schlittschuhs. Ein wahrer Horror-Unfall, gleichzeitig aber nicht der erste Vorfall mit tragischen Folgen in diesem Hochgeschwindigkeitssport.

"Brutal. Da treten die verschiedenen Vorfälle vor die Augen, was einem selbst hätte passieren können", sagt Ex-Profi Patrick Harand im PULS 24 Interview. Der Wiener spielte knapp zwei Jahrzehnte in der höchsten österreichischen Spielklasse, feierte mit dem EC-KAC und EC Red Bull Salzburg insgesamt vier Meistertitel. Im Sommer 2020 leitete Harand dann die Gründung der ersten heimischen Gewerkschaft für professionelle Eishockey-Profis (UNION) ein.

"Gefahr nicht so bewusst"

Harand überstand seine Eishockey-Laufbahn ohne schlimmere Verletzungen. Dabei war sicher auch etwas Glück im Spiel, wie der Ex-Profi offenbart: "Während des Spiels ist einem diese Gefahr gar nicht so bewusst. Du machst das seit deiner Kindheit und bist es gewohnt, gecheckt zu werden, in die Bande zu fallen, einen Schläger oder Puck ins Gesicht zu bekommen."

Der tragische Tod von Johnson hat eine neue Sicherheitsdebatte im Eishockey ausgelöst. Im Vordergrund: der Hals- und Nackenbereich. Dabei muss man aber gar nicht nach Nottingham blicken. Stefan Gaffal wurde vor wenigen Wochen in der win2day ICE Hockey League von einem Puck im ungeschützten Nackenbereich getroffen und lag minutenlang regungslos am Boden. "Ich hatte Todesangst", gestand der Stürmer der Steinbach Black Wings Linz.

Stefan Gaffal zu Horror-Verletzung: "Habe meinen eigenen Körper nicht mehr gespürt"

Mehrheit der Spieler für mehr Schutz

Was im ersten Moment wie ein schnöseliger Rollkragenpullover aussieht, kann Leben retten. Die Rede ist vom Hals- und Nackenschutz im Eishockey. Bereits im Vorjahr führte die UNION eine dementsprechende Umfrage durch. 56 Prozent der befragten Eishockey-Profis würden eine derartige Regeländerung, die auch den Unterarmbereich betreffen würde, befürworten. 44 Prozent bezeichneten den Vorschlag damals als "nicht notwendig". 

"Es würde nur über eine Regelung der Liga gehen, wie es in Schweden und Finnland bereits üblich ist. Wenn man den Sport noch sicherer machen möchte, ist das die einzige Lösung", sagt Harand zu der Hals- und Nackenschutz-Debatte. Das Ausbildungsteam der Pittsburgh Penguins aus der National Hockey League (NHL), für die der verstorbene Johnson insgesamt 13 Spiele absolvierte, führte daraufhin die Schutzausrüstung verpflichtend ein.

Patrick HarandAPA/Gert Eggenberger

Patrick Harand hatte während seiner Karriere nicht nur sportliches, sondern auch gesundheitliches Glück.

VSV reagiert auf Todesfall von Adam Johnson

Erste Reaktionen gibt es auch aus Österreich. Den Anfang machte aber nicht die ICE-Liga selbst, sondern der EC iDM Wärmepumpen VSV. Am Mittwoch gab der Kärntner Traditionsverein bekannt, alle seine Spieler mit einem schnittsicheren Hals- und Nackenschutz auszustatten. In der Realität sah das am Mittwoch in Asiago etwas anders aus. Nur etwa die Hälfte der Villacher Feldspieler trug den zur Verfügung gestellten Schutz. Die letztendliche Entscheidung obliegt immer noch den Spielern.

Am Donnerstag folgte das erste Statement der Liga: Das Thema sei von "höchster Priorität". Bereits im August habe sich die Ärztekommission der Liga mit dem Thema "schnittfeste Bekleidung" auseinandergesetzt und eine Kooperation mit dem Ausrüstungspartner für den Schiedsrichterkader vereinbart. Nach dem Tod von Johnson wurde die Kommission von der Liga beauftragt, sich mit dem Thema "Schutz des Hals- und Nackenbereichs" erneut detailliert zu befassen.

"Es wird wieder etwas passieren"

Die Ereignisse der letzten Tage zeigen: Es ist und wird weiterhin ein schmaler Grat zwischen sportlicher Spitzenleistungen und Sicherheit bleiben. Man denke nur an das hautdünne Profigewand im Radsport, wenn die Crème de la Crème mit knapp 100 km/h den Berg runter fährt. Ähnlich ist es im Eishockey, erklärt Harand die "schwierige und heikle" Thematik: "Im Sinne des Sports müssen sich die Spieler:innen auch wohlfühlen."

Der beste Weg dazu sei, direkt bei der Jugend anzufangen. Der Hals- und Nackenschutz ist für Eishockey-Youngsters bis zur U17 bereits verpflichtend. "Wenn sie jetzt handeln wollen, wäre die einzige Möglichkeit zu sagen: Ab dem Jahrgang 2006 sei der Schutz für alle Profis verpflichtend", sagt Harand zu einer möglichen Regeländerung.

Alle Beteiligten seien laut Harand gewillt, den Sport so sicher wie möglich zu machen. Doch in einer Sache ist sich der UNION-Mitgründer sicher: "Es wird wieder etwas passieren und wahrscheinlich wird sich auf die Schnelle nicht viel tun. Wichtig wäre aber, dass man das Thema nicht aus den Augen verliert und immer wieder darüber redet und Vorschläge einbringt, was besser gemacht werden könnte."

ribbon Zusammenfassung
  • Zuerst ein Schlagschuss in den Nackenbereich von Linz-Stürmer Stefan Gaffal, nun der tödliche Unfall eines US-Profis in England.
  • Gehört Lebensgefahr zum Eishockey einfach dazu?
  • "Ein ganz schwieriges Thema", sagt Ex-Profi Patrick Harand im PULS 24 Interview.