Wiener Terror-Anschlag jährt sich zum dritten Mal
Beim Gedenkstein am Desider-Friedmann-Platz in der Wiener Innenstadt legten am Donnerstag Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sowie Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zwei Kränze nieder. Anwesend waren auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP).
Rund um jenen Platz hatte der 20-jährige Islamist vor drei Jahren das Feuer eröffnet. Wie er dorthin gelangt war, ob er allein gehandelt hatte und wie er seine Pläne vor dem Verfassungsschutz geheim halten konnte, war in den letzten Jahren Inhalt politischer und justizieller Aufarbeitung.
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Teile des Prozesses könnten wiederholt werden
Anfang Februar 2023 standen sechs Männer nach mehrwöchiger Verhandlung das letzte Mal wegen Beihilfe zum Mord als terroristischer Straftat und weiterer Delikte vor Gericht. Vier von ihnen wurden vom Geschworenengericht schuldig gesprochen und zu 19 und 20 Jahren beziehungsweise zweimal lebenslang verurteilt. Sie sollen den Attentäter in seinem Vorhaben bestärkt haben. Zwei von ihnen sollen den Waffendeal vermittelt haben.
Fünf der sechs Angeklagten könnten sich aber erneut vor Gericht verantworten müssen: Aufgrund von möglichen Fehlern im schriftlichen Urteil und einer möglicherweise irreführenden Rechtsbelehrung muss der Prozess womöglich in Teilen wiederholt werden. Der Kern der Anklage - die Begehung terroristischer Straftaten in Verbindung mit Beteiligung am Mord - sei davon nicht betroffen, betonte Generalanwalt Martin Ulrich Ende September gegenüber PULS 24 und der APA.
Verfahrenseinstellung wegen Irrtums
Fehler passierten aber auch im Vorfeld eines Prozesses, der wenige Monate später stattfand. Jener 32-jährige Slowene, der dem Attentäter eine Pistole sowie ein Sturmgewehr der Marke Zastava verkauft haben soll, fasste im Mai wegen Vergehen nach dem Waffengesetz eine neunmonatige bedingte Haftstrafe für den Verkauf der Pistole aus.
Für die Zustellung der Zastava konnte er aufgrund eines Irrtums der Staatsanwaltschaft hingegen nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Die Anklagebehörde hatte 2021 irrtümlich vorzeitig ein Verfahren eingestellt, in das der Slowene einbezogen worden war.
Strukturelle Änderungen bei Staatsanwaltschaft Wien
Zadić kündigte daraufhin eine dienstrechtliche Prüfung sowie eine Stärkung der internen Fachaufsicht und strukturelle Änderungen in der Staatsanwaltschaft Wien an. Am Dienstag hieß es aus dem Justizministerium gegenüber der APA, dass seitens der Staatsanwaltschaft Wien "umfangreiche, präventive Maßnahmen gesetzt wurden, um derartige Fälle in Zukunft zu verhindern und das Qualitätsmanagement weiter zu verbessern."
Dazu gehöre die "umfassende Sensibilisierung der GruppenleiterInnen zu Fach- und Dienstaufsicht", die Sensibilisierung der Staatsanwälte und Staatsanwältinnen, der Start einer Projektgruppe, die bestehende Arbeitsvorgänge evaluiert und gegebenenfalls weitere Verbesserungsvorschläge erarbeitet sowie der "weitere Ausbau von Vernetzungstreffen mit sicherheitsrelevanten Stakeholdern, wie etwa der Kriminalpolizei."
Kontaktmann vor Abschiebung
Vor der Abschiebung steht hingegen ein zentraler Kontaktmann des Attentäters. Der radikal-islamistische Prediger Argjend G. wurde im Herbst 2022 vom Wiener Landesgericht wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisationen rechtskräftig verurteilt, da er dem Attentäter die IS-Ideologie und das geistige Rüstzeug für sein terroristisches Handeln nahebrachte.
Wie gemeinsame Recherchen der APA, des "Standard" und von "Puls 24" im August ergaben, leitete das BFA aufenthaltsbeendende Maßnahmen in die Wege, zumal der Nordmazedonier weiter radikales Gedankengut propagieren soll und von den Behörden nach wie vor als "Gefährder" eingestuft wird.
Strafrechtliche Ermittlungen abgeschlossen
Dass es neben den bereits zur Anklage gebrachten und erstinstanzlich abgeurteilten Männern weitere mögliche Beitragstäter des Attentäters gegeben haben könnte, schließt die Staatsanwaltschaft Wien aus heutiger Sicht aus.
In strafrechtlicher Hinsicht sind die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zum Terror-Anschlag abgeschlossen. Es gebe derzeit kein offenes Ermittlungsverfahren gegen etwaige Mittäter oder Mitwisser, teilte Behördensprecherin Nina Bussek am Dienstag auf APA-Anfrage mit.
Zu wenig Unterstützung für Opfer
Kritik erntete die Bundesregierung im Nachhall des Anschlages für fehlende Unterstützung der Opfer. So seien einigen Personen die Kosten für psychotherapeutische Unterstützung nicht vom Staat gedeckt worden und Schmerzensgeldzahlungen für die Betroffenen zu gering ausgefallen. Zahlen dazu gab das Sozialministerium am Dienstag bekannt. 2021 wurde - ergänzend zu den Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) - ein Terroropferfonds mit rund 3,5 Millionen Euro eingerichtet.
Aus diesen finanziellen Mitteln erhalten Betroffene, die gleichartige Zahlungen nach dem VOG erhalten haben, ein zusätzliches Schmerzensgeld nach zivilrechtlichen Grundsätzen ausbezahlt. Die Auszahlung erfolgt über die Opferhilfsorganisation "Weißer Ring". Bisher erhielten 138 Betroffene 374.000 Euro nach dem VOG. 104 Personen bekamen zusätzlich finanzielle Hilfeleistungen aus dem Terroropferfonds.
Insgesamt wurden bislang 3,4 Millionen Euro aus dem Fonds ausbezahlt, dieser steht somit unmittelbar vor dem Abschluss. "Auch wenn sich das Leid, das durch den Terroranschlag verursacht wurde, nicht wieder gut machen lässt, sind wir den Opfern und ihren Hinterbliebenen mit zusätzlichen Hilfeleistungen aus dem Terroropferfonds zur Seite gestanden", sagte Minister Johannes Rauch dazu in einer Aussendung.
Zusammenfassung
- Am Donnerstag jährte sich der Anschlag in Wien vom 2. November 2020 zum dritten Mal, bei dem vier Menschen getötet und über 20 teils schwer verletzt wurden.
- Wie in den vergangenen Jahren wurde den Opfern bei einer Kranzniederlegung gedacht.
- Anfang Februar 2023 standen sechs Männer nach mehrwöchiger Verhandlung das letzte Mal wegen Beihilfe zum Mord als terroristischer Straftat und weiterer Delikte vor Gericht.
- Vier von ihnen wurden vom Geschworenengericht schuldig gesprochen und zu 19 und 20 Jahren beziehungsweise zweimal lebenslang verurteilt.
- Aufgrund von möglichen Fehlern im schriftlichen Urteil und einer möglicherweise irreführenden Rechtsbelehrung muss der Prozess womöglich in Teilen wiederholt werden.