Wieder Massenproteste gegen Israels Justizreform
In Tel Aviv schwenkten die Demonstranten israelische Fahnen und forderten auf Transparenten "Rettet die Demokratie". Weitere Kundgebungen fanden in Jerusalem und anderen Städten statt, darunter in Mo'odin vor dem Haus von Justizminister Jariv Levin. In Tel Aviv versuchten Demonstranten auch eine Autobahn zu blockieren. Die Polizei nahm eigenen Angaben zufolge mehrere von ihnen fest. Die Beamten setzten demnach auch Wasserwerfer ein.
Zudem wurde auf Schildern die Nationalgarde kritisiert, die unter Führung des rechtsextremen Polizeiministers Itamar Ben-Gvir gegründet wurde und parallel zu Polizei und Militär arbeiten soll. Kritiker warnen, Ben-Gvir könne die Truppe gezielt gegen regierungskritische Demonstranten einsetzen. Der Polizeiminister wollte eigenen Angaben nach am Samstag an einem Gegenprotest teilnehmen.
"Wir kämpfen für unsere Demokratie, wir haben kein anderes Land", sagte der 61-jährige Nadav Tamir während der Kundgebung in Tel Aviv. "Wir sind alle müde", räumte Mitdemonstrantin Karen Baron ein. "Ich wollte heute eigentlich nicht kommen, aber meine Schwester sagte mir 'wir haben keine Wahl', und das stimmt, wir können nicht nachlassen", sagte die 45-jährige Psychiaterin.
Seit der Ankündigung der geplanten Reform Anfang Jänner protestieren die Gegner der Justizreform seit mittlerweile 15 Wochen regelmäßig. Nach ihrem Willen sollen die Kundgebungen so lange fortgesetzt werden, bis das Vorhaben komplett gestoppt wird.
Regierungschef Benjamin Netanyahu hatte nach Protesten und einem Generalstreik die höchst umstrittene Justizreform Ende März für einige Wochen verschoben, um "Platz für Dialog" zu schaffen. Die Opposition ist aber skeptisch, dass die Regierung einen Kompromiss erreichen will.
Am vergangenen Montag verkündete er zudem, seinen Verteidigungsminister Joav Galant im Amt zu belassen. Der Regierungschef hatte Ende März Galants Entlassung angekündigt, nachdem sich dieser für eine Aussetzung der Reformpläne ausgesprochen hatte. Damit hatte Netanyahu die Massenproteste weiter angefacht.
Das Vorhaben der Regierung zielt darauf, die Befugnisse der Justiz und des Obersten Gerichts einzuschränken und die Stellung des Parlaments und des Ministerpräsidenten zu stärken. Mit der Reform könnten die Abgeordneten jegliche Entscheidungen der Obersten Richter mit einfacher Mehrheit aufheben.
Netanyahu, gegen den ein Prozess wegen Korruption läuft, stellt die Reform als notwendig dar, um das Gleichgewicht in der Gewaltenteilung wiederherzustellen. Kritiker befürchten hingegen eine Aufhebung der Gewaltenteilung und damit eine Aushöhlung der Demokratie. Sie warnen vor einer Staatskrise, sollte die Reform so umgesetzt werden.
Am Freitag hatte die US-Ratingagentur Moody's den Ausblick für Israels Kreditwürdigkeit von "positiv" auf "stabil" gesenkt. Die Einstufung Israels wurde aber mit "A1" bestätigt.
Als Grund nannte Moody's eine "Verschlechterung der Regierungsführung": Nach ihrer Einschätzung "deutet die Art und Weise, wie die Regierung versucht hat, eine weitreichende Reform umzusetzen ohne einen breiten Konsens zu suchen, auf eine Schwächung der Institutionen hin".
Israels Regierung wies die Bedenken von Moody's am Samstag zurück. Die israelische Wirtschaft sei stabil und solide und werde es "mit Gottes Hilfe" auch bleiben, stand am Samstag in einer gemeinsamen Erklärung von Premier Netanyahu und Finanzminister Bezalel Smotrich. Die von Moody's geäußerten Bedenken seien nur für jene nachvollziehbar, die nicht mit der Stärke der israelischen Gesellschaft vertraut seien, so Netanyahu und Smotrich.
Zusammenfassung
- In Israel haben erneut Zehntausende gegen die von der ultrarechten Regierung vorerst verschobene Justizreform demonstriert.
- Zur Hauptkundgebung in Tel Aviv, die dort den 15. Samstag in Folge stattfand, kamen Medienberichten zufolge rund 115.000 Menschen.
- In Tel Aviv schwenkten die Demonstranten israelische Fahnen und forderten auf Transparenten "Rettet die Demokratie".
- Israels Regierung wies die Bedenken von Moody's am Samstag zurück.