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Viele LGBTIQ+-Rechte durch die Verfassung geschützt

Die Möglichkeit einer blau-schwarzen Bundesregierung unter einem Kanzler Herbert Kickl (FPÖ) sorgt bei vielen für Sorge. Besonders die LGBTIQ+-Community sah sich in der Vergangenheit immer wieder verbalen Attacken der Freiheitlichen ausgesetzt. Ohne Verfassungsbruch zu begehen, seien rechtliche Einschränkungen der Community aber kaum möglich, erklärt der Jurist Helmut Graupner im Gespräch mit der APA.

Das Totalverbot von Homosexualität wurde in Österreich erst 1971 aufgehoben, dafür traten mehrere Sonderparagrafen in Kraft. Der letzte fiel erst Anfang der 2000er-Jahre und legte bis dahin für homosexuelle Handlungen unter Männern ein höheres Schutzalter fest. Beides sei heute nicht mehr möglich. Aber auch die Möglichkeit der Befruchtung bei lesbischen Paaren oder die Ehe für alle seien unverrückbar.

"Das alles ist verfassungsrechtlich abgesichert und darf auch nicht abgeschafft werden", betonte Graupner. Da es in Österreich anders als etwa in Deutschland keine Vorabprüfung des Verfassungsgerichtshofes gibt, könnte zwar etwa bei der Ehe wieder ergänzt werden, dass diese nur zwischen Mann und Frau abgeschlossen werden kann. Der VfGH würde diese Passage aber wohl zeitnah wieder streichen.

Abgesichert ist auch das dritte Geschlecht als Eintrag neben Mann und Frau. Gegen dieses spricht sich die FPÖ in ihrem Wahlprogramm besonders stark aus. "Um das zu ändern, braucht man jedenfalls eine Zwei-Drittel-Mehrheit und selbst dann ist es nicht sicher, ob das ohne Volksabstimmung geht." Eine Volksabstimmung über eine Verfassungsänderung gab es in der Geschichte der Zweiten Republik aber erst einmal, nämlich jene über den EU-Beitritt.

Graupner, der selbst einige dieser Gesetzesänderung zu Gunsten der Community vor Gericht erstritten hatte, sieht diese Situation auch als Ergebnis seiner Arbeit. "Das sind die Errungenschaften unseres langjährigen und harten Kampfes, der dazu geführt hat, dass vieles jetzt verfassungsgesetzlich abgesichert ist und damit höchstens mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit wieder weggenommen werden kann."

Möglich seien Einschränkungen bei Gesetzen, für die die einfache Mehrheit von 92 Mandataren reicht. So könnte etwa der vergangenes Jahr verabschiedete gratis Zugang zur PrEP, einer HIV-Prophylaxe, zurückgenommen werden. Diesem stimmten damals alle Fraktionen bis auf die Freiheitlichen zu. Durchaus möglich sind Einsparungen bei Bundesförderung, spricht sich die FPÖ in ihrem Programm doch gegen "Steuergeld für die Bewerbung von 'queeren' Experimenten" aus.

In den vergangenen Monaten machten Freiheitliche allen voran gegen Transpersonen Stimmung und schimpften über "Gender-Ideologie" oder "Woke-Wahnsinn". Zum besonderen Feindbild hatten sich die Blauen mehrere Kinderbuch-Lesungen von Dragqueens auserkoren, dabei handle es sich nach blauem Weltbild um "Frühsexualisierung".

Das sei schlicht falsch, so Graupner: "Da wird weder irgendein erotischer oder sexueller Text vorgelesen, sondern einfach Märchengeschichten, wo halt dann auch zwei Buben oder zwei Mädchen ein Liebespaar sind." Mit Sex hätten solche Lesungen wenig zu tun: "Dragqueens sind halt weiblich gekleidet, aber nicht besonders sexuell aufreizend. Gegen die üblichen Cheerleader sind das alte Jungfern, und die mutet man Kindern auch zu - in sexy Höschen und halb nackt."

Wenig optimistisch zeigt sich Graupner, was den Schutz vor Diskriminierung im Privatbereich betrifft. Nach wie ist es dort, wo der Bund zuständig ist, legal, Menschen beispielsweise die Mitnahme im Taxi oder die Bedienung in einem Restaurant zu verwehren, weil man sie für homo- oder bisexuell hält. In der Vergangenheit wurde von Seiten der ÖVP vor allem die Freiheit von Wirtschaftstreibenden als Argument dagegen ins Treffen geführt.

Nicht einigen konnte sich die schwarz-grüne Regierung auch auf ein Verbot von Konversionstherapien, die das Ziel haben, queere Jugendliche quasi "umzupolen". Der Vorschlag der ÖVP hätte zwar Homo- und Bisexuelle geschützt, nicht aber Transpersonen. Für ein solches Verbot wurde 2019 ein einstimmiger Entschließungsantrag - also auch mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ - eingebracht. "Blau-Schwarz könnte jetzt das einhalten und umsetzen, was sie damals gefordert haben."

An der Volkspartei lässt Graupner allgemein kaum ein gutes Haar, geht es um die Rechte von queeren Menschen: "Gegen die hat man quasi jeden Millimeter erkämpfen müssen." So hätte sich die ÖVP beim Ende des Totalverbots "gewehrt bis zum Schluss", das Vereinsverbot wurde mit den Stimmen von SPÖ und FPÖ abgeschafft. "Als der Verfassungsgerichtshof den 209er (Paragraf für höheres Schutzalter bei homosexuellen Männern, Anm.) aufgehoben hat, wollten sie (ÖVP, Anm.) noch ein Verbot von Analverkehr bis zum 16. Lebensjahr für alle, auch die Heterosexuellen."

Dagegen sprachen sich jedoch die Freiheitlichen in der ersten schwarz-blauen Regierung aus. "Die FPÖ hat eine Teilgeschichte, wo sie einige Anliegen unterstützt hat". Jörg Haider habe sich etwa für die völlige Gleichstellung im Fremden- und Staatsbürgerschaftsrecht für gleichgeschlechtliche Paare eingesetzt, gewandelt habe sich die FPÖ erst nach der Abspaltung des BZÖ. "Auch heute gibt es noch Bereiche, wo die FPÖ bereit ist, etwas zu machen. Die ÖVP ist zwar weniger aggressiv in der Rhetorik, aber inhaltlich sind sie eigentlich nach wie vor ärger als die FPÖ".

ribbon Zusammenfassung
  • Eine mögliche blau-schwarze Regierung unter Herbert Kickl (FPÖ) sorgt für Besorgnis in der LGBTIQ+-Community, da rechtliche Einschränkungen ohne Verfassungsbruch kaum möglich sind.
  • Die Ehe für alle und die Möglichkeit der Befruchtung bei lesbischen Paaren sind in Österreich verfassungsrechtlich abgesichert und können nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit geändert werden.
  • Das dritte Geschlecht ist ebenfalls verfassungsrechtlich geschützt, jedoch spricht sich die FPÖ in ihrem Wahlprogramm stark dagegen aus.
  • Einschränkungen sind möglich bei Gesetzen, die eine einfache Mehrheit von 92 Mandataren erfordern, wie die Rücknahme des gratis Zugangs zur PrEP.
  • Ein Verbot von Konversionstherapien wurde bisher nicht erreicht, obwohl 2019 ein einstimmiger Entschließungsantrag eingebracht wurde.