VfGH: Zusätzliche Sozialhilfen dürfen nicht nur Sachleistungen sein
Der VfGH hat Bestimmungen sowohl des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes des Bundes als auch des Wiener Mindestsicherungsgesetzes als verfassungswidrig aufgehoben, wie er am Dienstag bekannt gab.
Mit dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz legte der Bund Höchstgrenzen für Sozialhilfeleistungen fest. Um darüber hinaus einen erhöhten Wohnbedarf zu decken oder besondere Härtefälle zu vermeiden, dürfen die Länder ausschließlich Sachleistungen, etwa als direkte Zahlungen des Sozialhilfeträgers an den Vermieter, gewähren (Wohnkostenpauschale). Das ist, so der VfGH, sachlich nicht gerechtfertigt und widerspricht daher dem Gleichheitsgrundsatz.
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Zwar sei einerseits das Ziel des Sachleistungsgebots legitim - nämlich die Verwendung von Leistungen für jenen Zweck sicherzustellen, für den sie gewährt werden. Höheren Leistungen - etwa für Mietkosten - steht andererseits aber ein höherer Bedarf gegenüber, den Hilfsbedürftige nicht beeinflussen können, z.B. besonders hohe Mieten. "Es kann also sachliche Gründe dafür geben, auch Zusatzleistungen durch Geld abzudecken", so der VfGH.
Aufgehoben wurde vom VfGH auch eine Bestimmung des Wiener Mindestsicherungsgesetzes. Die Höhe von Sozialhilfe-Leistungen bemisst sich nach dem Richtsatz für die Zuerkennung einer Ausgleichszulage zu einer Pensionsleistung nach dem ASVG. Mit dem SH-GG (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) aus dem Jahr 2019 hat der Bund Höchstgrenzen für Sozialhilfeleistungen festgelegt. Die monatlichen Geldleistungen für Personen, die in einer Haushaltsgemeinschaft leben, dürfen maximal 70 Prozent dieses Ausgleichszulagenrichtsatzes (netto, verringert um den Krankenversicherungsbeitrag) betragen. Das WMG sieht hingegen vor, dass der Höchstsatz 75 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes beträgt. "Dies verstößt gegen die im SH-GG festgelegten Höchstsätze und ist daher verfassungswidrig."
Allerdings hat der VfGH anerkannt, dass die Mietbeihilfe - wie im Wiener Mindestsicherungsgesetz vorgesehen - sehr wohl als Geldleistung ausgezahlt werden darf: "Da der Zwang zur Sachleistung im SH-GG verfassungswidrig ist, darf die Mietbeihilfe als Geldleistung ausgezahlt werden."
Caritas fordert Gesetzes-Reform
Caritas-Präsident Michael Landau begrüßte die Entscheidung: "Besonders in Zeiten von Rekordinflation und steigenden Mieten hat das bisherige Vorgehen die Situation von Menschen, die Sozialhilfe beziehen, zusätzlich verschärft", sagte er in einer Aussendung. Landau betont jedoch die weiterhin aufrechte Forderung der Caritas nach einer Reform des Sozialhilfegrundgesetzes: "Für eine Sozialhilfe, die ein Leben ohne Armut erlaubt, braucht es weit mehr. Weg von Maximalbeträgen, wieder hin zu bundesweit geltenden Mindeststandards." Außerdem brauche es einheitliche Kinderrichtsätze. Und gerade beim Wohnen müsse die Wohnbedarfsregelung überarbeitet werden. Der Wohnkostenanteil müsse sich am tatsächlichen Wohnbedarf orientieren.
SPÖ will Gesetz "kübeln"
SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch kritisierte anlässlich des VfGH-Entscheids das Gesetz als solches insgesamt: "Ein Gesetz, das Armut organisiert, statt Armut zu verhindern, ist insgesamt ein Problem. Seit Bestehen dieses Gesetzes hebt der VfGH eine Bestimmung nach der anderen auf. Es wird Zeit, dass wir dieses Gesetz in dieser Form endgültig kübeln." Politisch betrachtet sei es ein "Skandal", dass das SH-GG in dieser Form noch besteht. "Es formuliert als Gesetz - dessen eigentlicher Sinn darin bestehen würde, Armut zu vermeiden - allen Ernstes Höchstgrenzen, die bei Sozialleistungen nicht überschritten werden dürfen, statt Mindeststandards, unter die niemand in Österreich rutschen soll."
Zusammenfassung
- Eine Festlegung von Sozialhilfe auf Sachleistungen ist gesetzeswidrig, bestimmte der Verfassungsgerichtshof und hob die Einschränkungen auf.
- Mit dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz legte der Bund Höchstgrenzen für Sozialhilfeleistungen fest.
- Darüber hinaus dürfen die Länder ausschließlich Sachleistungen, etwa als direkte Zahlungen des Sozialhilfeträgers an den Vermieter, gewähren (Wohnkostenpauschale).
- Das ist, so der VfGH, sachlich nicht gerechtfertigt und widerspricht daher dem Gleichheitsgrundsatz.