APA/Ingo Pertramer

Christoph & Lollo: "Es geht auch manchmal in die Hose"

Sie sind nicht nur erste Anlaufstelle, wenn es um die musikalische Würdigung von Skisprunggrößen geht, sondern auch für amüsant-spitzzüngige Kommentare zu gesellschaftlichen Besonderheiten: Christoph Drexler und Lorenz Pichler wissen seit mehr als 25 Jahren als Liedermacherduo Christoph html5-dom-document-internal-entity1-amp-end Lollo zu überzeugen. Am Freitag erscheint das neue Album "alles gut", auf dem sie sich nicht nur an Corona abarbeiten. Ein Gespräch über Witze, Wunden und Wahlen.

APA: Wie beginnt die Arbeit an einem neuen Album?

Christoph: Mit einer Deadline. (lacht) Bevor im Studio irgendwas musikalisch passiert, wird der Premierentermin festgelegt. Das ist schon ein bisschen merkwürdig. Die kaufen ja die Katze im Sack und wissen gar nicht, was ihnen bevorsteht. Das würde nicht funktionieren, hätten wir nicht vorher schon Premieren gehabt. Die Theater müssen ja wissen, was passiert.

Lollo: Ah, die Theater? Ja, die hoffen auf das Beste. Beziehungsweise ist es ihnen wurscht, Hauptsache es kommen Leute. Aber es hängt auch ständig das Damoklesschwert der Bedeutungslosigkeit über uns.

APA: Bleibt es dadurch spannend? Wollen Sie sich jedes Mal aufs Neue beweisen?

Christoph: Das ist vor jedem Auftritt so. Jetzt umso mehr, wenn das ganz neu ist und die Leute auch deswegen kommen. Dann ist man noch verunsicherter als ohnehin schon. Und es geht auch manchmal in die Hose. Das ist ja das Schöne daran. Sonst wären wir nicht so nervös, so aufgeregt - und dann würden wir es wohl nicht so machen. Ich weiß nicht, ob es allen in der Branche so geht und etwa Pink auch solche Gefühle hat.

APA: Sie stellt sich wohl eher die Frage, ob die artistischen Kunststücke bei den Liveshows aufgehen...

Christoph: Stimmt, deswegen macht sie das auch. Sonst wäre es ja langweilig.

Lollo: Wir sind ja Gott sei Dank völlig bedeutungslos, so wie Österreich. Da kann man machen, was man will, es hat keinerlei Relevanz für die Welt. Was auch sehr bequem ist.

APA: Mit Ihren Liedern legen Sie gerne den Finger in verschiedene Wunden. Wie passt da der Titel "alles gut" dazu?

Christoph: "Alles gut" hört man in letzter Zeit sehr oft, daran kann man gar nicht vorbeigehen. Für einen Albumtitel und ein Kabarettprogramm ist es sehr griffig. Es stimmt schon, dass sich einige Lieder kritisch mit der Gegenwart beschäftigen. Da wird die Aufmerksamkeit vielleicht noch ein bisserl größer, wenn der Titel nicht so dazu passt.

Lollo: Seit wir das Album haben, fällt mir auf, wie oft am Tag man das hört. Das war vor zehn Jahren noch nicht der Fall. Es ist ein bemerkenswertes Phänomen, dass diese Floskel, die behauptet, dass alles gut wäre, in einer Zeit entsteht, in der man das nicht unbedingt erwartet. Es hätte in den 80er-Jahren vielleicht besser gepasst. Die Bedeutung ist ja eigentlich eine Abwehr. Wer antwortet schon ehrlich auf die Frage: Wie geht es dir? Das ist der Versuch, ein Gespräch zu beginnen, und "Alles gut" ist der Versuch, es zu beenden.

APA: Ein großes Thema auf der Platte ist Corona. Stand je zur Debatte, das wegzulassen?

Christoph: Es ist jedenfalls so, dass die Relevanz von jedem anerkannt wird. Vielleicht dauert das noch ein paar Jahre. Deswegen haben wir uns nicht gescheut, das auf die CD zu geben.

Lollo: Im Lockdown-Lied geht es um die Absurditäten, im Livestream-Lied um die Stimmung und den damit einhergehenden Wandel in der Gesellschaft. Und das Lied über das Jahr 2020: Es war damals ja ein Running Gag, was kann noch alles passieren in diesem beschissenen Jahr? (lacht) Das muss man für nachkommende Generationen festhalten, und dafür fühlen wir uns zuständig.

APA: Wie geht es Ihnen, wenn Sie von der Realität eingeholt werden? In "Im Burgenland gibt's jetzt Olivenöl", das sich mit dem Klimawandel auseinandersetzt, kommt ja auch eine Flut vor...

Christoph: Schwer zu sagen. Hätte ich dieses Lied rund um das Hochwasser live gesungen, hätte ich mir wohl gedacht: Es passt gerade gut. Jetzt hat es noch mehr Relevanz.

Lollo: Macht man Witze über Sachen, die in der Wirklichkeit sind, fühlt sich immer jemand auf die Zehen gestiegen. Aber ich finde, man kann prinzipiell über jedes Thema Witze machen. Die Frage ist nur wie und wo? Auf einem Begräbnis macht man andere Witze als auf einer Hochzeit.

APA: Wie wichtig ist Ihnen, dass Sie Ihr Publikum zum Nachdenken bringen?

Christoph: Es ist der Idealfall, wenn man es lustig findet und nachher darüber nachdenkt. Das könnte man sich nicht besser wünschen. Es passiert nur leider selten, dass Leute im Publikum sitzen und meinungstechnisch ganz woanders stehen.

Lollo: Die Alternative wäre, Witze über Klischees zu machen. Also Frauen, die Schuhe kaufen und Männer, die Bier trinken. Was halt die meisten Komiker machen. Der Markt ist einfach überfüllt, da können wir nicht reüssieren. (lacht) Deswegen versuchen wir, relevante, akute Themen zu verarbeiten. Außerdem müssen wir schauen, dass wir uns nicht langweilen.

APA: Wie geht es Ihnen als politischen Künstlern aktuell mit der Politik in Österreich?

Lollo: Ich habe mich über die Jahrzehnte immer mehr damit abgefunden, dass das Niveau selten besser wird in Österreich. Ich freue mich, wenn über Politik überhaupt geredet wird und es nicht nur blöde Show ist. Da ist es die letzten Jahre schon ziemlich den Bach runtergegangen.

Christoph: Ich kann gar nicht so viele Unterschiede bemerken zu früher. Es gibt jetzt einfach mehr Gelegenheiten, sich zu präsentieren, deswegen sieht man die Leute auch öfter. Das Ergebnis solch einer Wahl ist ja so lange ich denken nie so ausgefallen, wie ich mir das gewünscht hätte. Jetzt ertappe ich mich langsam dabei, dass es mich nicht mehr interessiert. Ich bin schon zu frustriert. Immer auf der Verliererseite zu stehen, ist schon öd.

Lollo: Ja, eigentlich will man lieber Red Bull Salzburg-Fan sein als Vienna-Fan. (lacht)

APA: Verlieren diese Themen auch an Reiz für Sie als Liedermacher?

Lollo: Schon ein bisschen. Karl Nehammer eignet sich ja etwa gar nicht dafür, ihn satirisch zu behandeln. Man kann sich darüber lustig machen, wie er redet und ausschaut und was er sagt und tut. Aber er ist ja keine Persönlichkeit. Das Phänomen, dass solche Würschtel wie Nehammer oder Kickl an der Spitze einer Partei stehen, zeigt ja schon, dass irgendwas falsch läuft. Haider war ja intelligent und charismatisch, Strache hat einen Schmäh gehabt - aber Kickl hat ja kaum etwas Interessantes.

Christoph: Na ja, er strahlt am meisten Gefahr von den Dreien aus.

Lollo: Aber der ist ja in der Schule nie ernst genommen worden.

Christoph: Eben. Was sind diese Amokläufer für Typen? (lacht)

Lollo: Wenn Kickl auf einer Party war, hat nachher wahrscheinlich niemand gewusst, dass er da war. Und jetzt ist er Anführer der stärksten Partei. Da fragt man sich auch, wie das kommen konnte. Es gibt das Phänomen, dass Leute wie Ed Sheeran oder Taylor Swift die erfolgreichsten Stars sind. Das sind ja tolle Musiker, aber charismatisch sind die echt nicht. Die würden gar nicht auffallen, wenn sie in einem Café sitzen. Da sind wir wieder beim Internet: Die Renaissance von autoritärer, antidemokratischer Politik ist ohne Internet komplett undenkbar - genauso wie Ed Sheeran. Aber da ist mir Ed Sheeran noch weitaus lieber.

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E - Christoph & Lollo live: Albumpräsentation am 4. Oktober im Wiener Stadtsaal. www.christophundlollo.com)

ribbon Zusammenfassung
  • Christoph & Lollo veröffentlichen am Freitag ihr neues Album 'alles gut'.
  • Das Duo beginnt die Arbeit an einem neuen Album immer mit der Festlegung einer Deadline.
  • Ein zentrales Thema des neuen Albums ist die Corona-Pandemie, die in mehreren Liedern behandelt wird.
  • Christoph & Lollo reflektieren auch über die Auswirkungen des Klimawandels und politische Themen in Österreich.
  • Die Albumpräsentation findet am 4. Oktober im Wiener Stadtsaal statt.