Versprochener Kindergarten-Ausbau - SPÖ und ÖGB skeptisch
Erst im vergangenen Mai hatten sich Bund und Länder in einer 15a-Vereinbarung auf eine "Kindergartenmilliarde" geeinigt, die bis 2026/27 eine Aufstockung der Ländermittel durch den Bund um jährlich 200 Mio. Euro vorsieht. Aus der Praxis und von den Sozialpartnern wurde das als deutlich zu gering kritisiert, um das Angebot auszubauen und die Arbeitsbedingungen in dem stark von Personalmangel betroffenen Feld zu verbessern. Das Personal der Kindergärten war in den vergangenen Monaten mehrfach für bessere Rahmenbedingungen auf die Straße gegangen. Nun haben Nehammer und Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) eine deutliche Aufstockung der Mittel bis 2030 angekündigt.
Für Natascha Taslimi vom Netzwerk Elementarer Bildung Österreichs (NEBÖ) ist hier allerdings "Skepsis angebracht", wie sie gegenüber der APA betonte. Der Bund habe zwar offensichtlich erkannt, dass im Kindergartenbereich schnell etwas getan werden muss, nachdem in immer mehr Bundesländern wegen des Personalmangels Gruppen und sogar ganze Standorte schließen müssten. Die angekündigten 4,5 Mrd. auf sieben Jahre für alle neun Bundesländer seien allerdings wohl weiter zu wenig. Das Geld dürfe auch nicht nur in den quantitativen Ausbau fließen, denn ob tatsächlich wie geplant 50.000 zusätzliche Plätze bis 2030 entstehen können, werde davon abhängen, wie attraktiv das Arbeiten im Kindergarten ist.
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim nannte diesen Vorstoß in einer Aussendung "vollkommen absurd", immerhin habe Nehammer "jahrelang keinen Finger dafür gerührt" und seine Partei habe 2016 in der SPÖ-ÖVP-Koalition den fertig ausverhandelten Ausbau der Kindergärten "aus parteitaktischen Gründen sabotiert".
FPÖ-Familiensprecherin Rosa Ecker sprach in einer Aussendung von einem "leicht durchschaubaren verfrühten Wahlzuckerl" Nehammers, abgesehen von der Personalnot seien nämlich die Kosten für die Umsetzung eines Rechtsanspruchs für die Gemeinden nicht zu stemmen. Qualitätsvolle Kinderbetreuung gehöre dazu, aber auch für familiäre Betreuung müsse es finanzielle Wertschätzung geben. Außerdem warnt Ecker, dass durch einen Rechtsanspruch der Druck auf Mütter zunehmen könnte, in Vollzeit zu arbeiten.
NEOS-Familiensprecher Michael Bernhard forderte Kanzler und Bundesregierung auf, sie mögen "den schönen Worten endlich einmal Taten folgen lassen". Skeptisch zeigte er sich auch beim Rechtsanspruch und erinnerte daran, dass eine entsprechende Forderung der NEOS in ÖVP-FPÖ-regierten Bundesländern als "Zwangsarbeit für Frauen" und Anschlag auf "normale" Familien bezeichnet wurden. "Wer soll der ÖVP also noch irgendetwas glauben?"
ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker warf der Opposition indes wegen ihrer Reaktionen auf das Nehammer-Interview "zwanghaftes Schlechtreden von Österreich" vor. Die Bundesregierung habe mit "historischen Schritten" den Wohlstand des Landes geschützt, nun investiere man 4,5 Mrd. Euro, um Familien die besten Chancen bieten zu können. "Das zeigt, dass die Bundesregierung für die Menschen in unserem Land arbeitet, während die Opposition parteipolitisches Hick-Hack betreibt."
Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl betonte, dass die von Nehammer angekündigten 4,5 Milliarden erst einmal im Finanzausgleich mit den Bundesländern verhandelt werden müssten und deshalb "alles anderes als fix" seien. Außerdem sei die Summe zu gering und ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz erst 2030 zu spät. Wie von den Sozialpartnern gefordert brauche es vielmehr eine Milliarde Euro mehr pro Jahr, eine Ausbildungsoffensive und faire und gute Arbeitsbedingungen.
Auch von den Gewerkschaften kamen kritische Töne. ÖGB-Vizepräsidentin und -Bundesfrauenvorsitzende Korinna Schumann sah Nehammers Ankündigung in einer Aussendung als Erfolg des Drucks der Gewerkschaft, gleichzeitig habe man aber erst kürzlich feststellen müssen: "Wenn die Bundesregierung mit Bundeskanzler Karl Nehammer etwas Großes ankündigt, dann ist Vorsicht geboten - es könnte sich schnell als Leuchtfeuer entpuppen".
"Kinderbetreuung ist kein Thema für Marketingschmähs", betonte auch GPA-Vorsitzende Barbara Teiber und forderte von Nehammer Tempo. Auf längere Sicht würden 4,5 Milliarden Euro zudem nicht reichen. Younion-Vizechef Manfred Obermüller befürchtete ebenfalls "das Einschlagen eines PR-Nagels ohne Kopf". Immerhin sei schon 2022 eine "Kindergartenmilliarde" versprochen worden, die tatsächlich nur 57,5 Millionen Euro mehr pro Jahr bedeutet habe. Dass es bei gleichgebliebenen Daten ein Jahr später nun deutlich mehr Geld geben soll, erinnere an Wahlkampf.
Erfreut zeigten sich unterdessen die Grünen. Für sie wird mit dem Ausbau der Kinderbetreuung eine ihrer langjährigen Forderungen von der ÖVP, die immerhin in den zuständigen Ministerien und der Mehrzahl der für die Kindergärten zuständigen Länder und Gemeinden in Verantwortung sei, angegangen. Das ausgegebene Ziel, dass alle Kinder ab eins einen Platz mit gewissen bundesweit einheitlichen Qualitätskriterien bekommen sollen, "ist alles in unserem Sinn. Super, wenn das kommt", so Bildungssprecherin Sibylle Hamann zur APA.
Begrüßt wurde der Vorstoß auch vom Gemeindebund. Man habe bei den Finanzausgleichsverhandlungen monatelang mehr Geld für Kinderbetreuung gefordert, man stehe für weitere Verhandlungen mit Bund und Ländern bereit, so die Vizepräsidenten Andrea Kaufmann und Erwin Dirnberger. Klar sei, dass es neben mehr Geld für die Infrastruktur auch eine dauerhafte Finanzierung des Personals durch den Bund brauche.
Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), sah in der Initiative nicht nur eine wichtige Investition in Bildung, sondern auch gegen den Fachkräftemangel, indem Eltern ein rascher Wiedereinstieg in den Beruf ermöglicht werde. Das Geld müsse nun vor allem in den Ausbau der Plätze und ausgeweitete Öffnungszeiten fließen, außerdem brauche es bundesweit einheitliche Qualitätsstandards für Gruppengröße und Betreuungsschlüssel. Um ausreichend Personal zu finden, fordert die IV mehr Ausbildungsplätze und unterschiedliche Ausbildungsformen sowie flankierende Maßnahmen, um das Personal nachhaltiger im Beruf zu halten.
Die Regierung habe offenbar die Zeichen der Zeit erkannt, Geld für den Elementarbereich sei die "bestmögliche Investition in unsere Zukunft", hieß es von der Wirtschaftskammer. Präsident Harald Mahrer pochte neben einem Ausbau aber auch auf mehr Qualität. Auch Handelsverband und Wirtschaftsbund sahen einen Schritt, um gerade in Zeiten des Arbeitskräftemangels wichtige Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern.
Ein "wichtiges Signal für mehr Familienfreundlichkeit" sah der Katholische Familienverband, der betonte, dass nicht nur in die Quantität, sondern auch in die Qualität investiert werden müsse. Dafür brauche es ein bundeseinheitliches Rahmengesetz, derzeit geben die Länder die Mindeststandards vor.
Zusammenfassung
- Die angekündigten 4,5 Mrd. auf sieben Jahre für alle neun Bundesländer seien allerdings wohl weiter zu wenig.
- Auf längere Sicht würden 4,5 Milliarden Euro zudem nicht reichen.