Per Post: Abtreibungsgegner wollen Politiker missionieren
Ein drohender medizinischer Notstand in Vorarlberg alarmierte im Vorjahr die Sozialdemokraten und die Neos. Die einzige Möglichkeit für Frauen aus dem Bundesland, eine Abtreibung durchführen zu lassen, bietet derzeit eine Privatarztordination in Bregenz. Dieser Arzt wird aber bald in Pension gehen. Die SPÖ-Abgeordnete Manuela Auer und der Neos-Mandatar Johannes Gasser brachten im Juli 2022 daher einen Antrag ein, der die "regionale Möglichkeit zum sicheren Schwangerschaftsabbruch" sicherstellen sollte, samt allerlei flankierender Maßnahmen. So pochten die zwei Ländle-Oppositionsparteien darauf, dass Frauen auf dem Weg zu einer Abtreibung "vor Beschimpfungen und Übergriffen" geschützt werden, was durch eine sogenannte "Bannmeile" gesichert werden sollte.
Am 18. Jänner passierte ein gemeinsamer Beschluss der zwei Regierungsparteien ÖVP und Grüne sowie der beiden Oppositionsfraktionen SPÖ und Neos den sozialpolitischen Ausschuss im Landtag. Auf dem Gelände des Personalheims beim Landeskrankenhaus Bregenz sollen zwei bis drei Ärzte und unterstützendes Personal noch heuer damit beginnen, Abtreibungen durchzuführen. Nur die FPÖ war dagegen.
Ungebetene Post
Bevor der Landtag am Mittwoch die Zukunft von sicheren Abtreibungsangeboten im Bundesland beschloss, bekamen Abgeordnete diese Woche aber ungewöhnliche Post. In den Paketen fand sich jeweils ein aus Kunststoff nachgebildeter Fötus, "nennen wir ihn Markus", hieß es in einem Begleitschreiben. Dieses sollte die Politiker daran erinnern, wie ein Fötus nach zwölf Wochen aussieht.
Absender der missionarischen Pakete: Citzen Go, eine Stiftung, die in Spanien gegründet wurde, aber in vielen europäischen Staaten bemüht ist, ihre christlich-fundamentalistische Agenda durchzusetzen. "Da gibt es Organisationen, die gezielt Missgunst säen wollen, aber gar nicht aus der Vorarlberger Bevölkerung kommen", erzählt der Neos-Abgeordnete Gasser PULS 24. "Das ist ein professioneller Lobbyistenverein, der in ganz Europa versucht, die Rechte von Frauen und Homosexuellen massiv einzuschränken. Das ist ungeheuerlich", erklärt auch SPÖ-Mandatarin Auer auf Anfrage. Sie erhielt ebenfalls Post von Citizen Go. Ob sie verärgert sei? "'Verärgert' wäre zu wenig gesagt, wir müssen hier gesellschaftspolitisch sehr wachsam sein", sagt sie.
Abtreibungsgegner im Landtag
Am Mittwochnachmittag wurde die Debatte im Bregenzer Landtag über Schwangerschaftsabbrüche auch noch von Abtreibungsgegnern gestört. Eine kleine Gruppe junger Menschen rollte auf der Zuschauertribüne Transparente mit Sprüchen aus. ÖVP, Grüne, SPÖ und Neos beschlossen die Umsetzung einer medizinischen Einrichtung mit entsprechendem Angebot dennoch.
ÖVP und Grüne brachten am 18. Jänner im Sozialausschuss aber eine eigene Vorlage ein, mit Unterschieden zu jener von Rot-Pink im vorigen Sommer. Auf dem Areal des Landeskrankenhauses sei dafür zu sorgen, "dass der Krankenhausträger im Rahmen des Hausrechts die Schutzpflicht gegenüber Patient:innen, Besucher:innen und Mitarbeiter:innen wahrnimmt und sicherstellt, dass Belästigungen und Agitationen jeglicher Art auf dem - dem Hausrecht unterliegenden - Gelände nicht stattfinden", heißt es nun.
SPÖ und Neos hatten hingegen beantragt, die Landesregierung solle "eine Gesetzesvorlage zur Änderung des Landes-Sicherheitsgesetzes vorlegen, die es erlaubt, um solche Praxen und Krankenhäuser Bannmeilen einzurichten". Davon ist in der schwarz-grünen Vorlage nicht die Rede, man argumentiert, das Hausrecht des LKH sei ausreichend.
Fundamentalistische Lobbyisten
Bei Citizen Go laufen in Europa jedenfalls "viele Fäden zusammen", schrieb "Der Standard" schon vor eineinhalb Jahren, nachdem die Enthüllungsplattform Wikileaks interne Dokumente der spanischen Stiftung publik gemacht hatte. Die Organisation fällt nach außen durch Online-Petitionen auf, dürfte im Hintergrund aber mit zahlreichen Rechtsaußen-Parteien in Europa zusammenarbeiten. Ins Visier nimmt die undurchsichtige Stiftung die Rechte von Homosexuellen (zum Beispiel das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe), das Recht auf Sterbehilfe - und eben auch Abtreibungen.
In Österreich trat die sogenannte Fristenlösung am 1. Jänner 1975 in Kraft, mit den Stimmen der damals deutlich stärkeren SPÖ und gegen den Widerstand von ÖVP und FPÖ. Frauen in Österreich dürfen seitdem eine Abtreibung innerhalb der ersten drei Monate der Schwangerschaft durchführen lassen, ohne strafrechtlich verfolgt zu werden.
Anmerkung: In einer früheren Version war irrtümlich von einem versendeten Kunststoff-Embryo zu lesen. Ab der 10. Woche einer Schwangerschaft spricht man aber von einem Fötus, davor von einem Embryo. Wir bedauern.
Zusammenfassung
- Im Vorarlberger Landtag haben ÖVP, Grüne, SPÖ und Neos eine Nachfolgelösung für Schwangerschaftsabbrüche in dem Bundesland beschlossen.
- Davor bekamen die Abgeordneten ungewöhnliche Post aus christlich-fundamentalistischen Kreisen, auch die Landtagssitzung wurde gestört.