Umfrage: 60 Prozent sind für den Rücktritt von Kurz, wenn es zu Anklage kommt
Viele habe ihn schon vergessen, den Rücktritt der ehemaligen Arbeitsministerin Christine Aschbacher. Wegen Plagiatsvorwürfen musste sie zurücktreten. Und auch sonst dürfte das Jahr für die ÖVP kein gutes gewesen sein: Pandemie, Korruptionsvorwürfe, Ermittlungen wegen Falschaussauge im Ibiza-U-Ausschuss gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz und vorgeworfene Postenschacher und Chats, die zum Rücktritt von ÖBAG-Chef Thomas Schmid führten.
Dennoch steht die ÖVP gut da. Laut der aktuellen Sonntagsfrage, die das Institut für Demoskopie & Datenanalyse (IFDD) für PULS 24 durchführte, kommt die Kanzler-Partei auf 35 Prozent. Die SPÖ kommt mit großem Abstand auf 22 Prozent, die FPÖ auf 19, die Grünen auf elf und die NEOS auf 12 Prozent.
"Es hat schon viel schlechter ausgesehen", sagt auch Meinungsforscher Christoph Haselmayer vom Institut für Demoskopie & Datenanalyse. Die ÖVP habe sich erholt, dafür sei sie aber nicht unbedingt selbst verantwortlich. Die Opposition sei "relativ schwach". Vor allem, wenn es um die SPÖ gehe, dann komme Parteichefin Pamela Rendi-Wagner "kaum vor", so Haselmayer. Mit internen Streits habe sich die SPÖ "selbst gefoult". Den Menschen würde eine Alternative zu Sebastian Kurz als Kanzler fehlen.
"Sommer wie damals"
Dazu komme im Moment auch die Stimmung des "Sommers wie damals", den die Regierung gut verkauft habe. Mit ihren Reisen durch die Bundesländer würden die Minister und Ministerinnen zusätzlich schöne Bilder erzeugen. Als Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) die Rückkehr zum Regelunterricht angekündigt hatte, der dann nicht kam, habe das noch ganz anders ausgeschaut, sagt Haselmayer. Für das Vertrauen der Wähler und Wählerinnen sei wichtig: "Tue, was du sagt und sage, was du tust".
Dennoch denken 74 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen, dass die Skandale des letzten Jahres der ÖVP schaden würden. Selbst unter den ÖVP-Wählern und Wählerinnen sagen das 70 Prozent.
Auch wenn es um die Person Sebastian Kurz (ÖVP) geht, sagt die Hälfte der befragten Personen, dass sie dem Kanzler nicht vertrauen würden - ÖVP-Wähler und Wählerinnen tun das hingegen schon.
Menschen sind "angefressen"
Die Diskrepanz zur Sonntagsfrage erklärt Meinungsforscher Haselmayer damit, dass der Streit in anderen Parteien noch stärker wirken würde. In Österreich würde die Meinung vorherrschen, dass alle Politiker und Politikerinnen ähnlich handeln würden, wenn es etwa um Korruption oder Postenschacher geht. Viele Menschen hätten sich deswegen aus der Politik zurückgezogen - nur zwei Drittel würden derzeit wählen gehen.
Die Skandale würden also der Politik insgesamt und nicht unbedingt einzelnen Parteien schaden. Die Menschen sind "angefressen" sagt Haselmayer, dennoch würden sich nur die wenigsten Neuwahlen wünschen. Die Menschen würden eine "Ruhe haben" wollen und würden sich wünschen, dass die Politik arbeite.
Aus diesem Grund sei die türkis-grüne Koalition noch die beliebteste (18 Prozent sagen das), obwohl auch eine Koalition aus SPÖ, Grünen und NEOS bei 18 Prozent liegt. Der Wert für die aktuelle Koalition sei aber schon schlechter gewesen sagt der Meinungsforscher. Wichtig sei nun, dass in der Klimapolitik und bei Migrationsfragen Kompromisse gefunden werden.
Bei Anklage: 60 Prozent für Rücktritt
Haselmayer glaubt nicht, dass die Grünen die Koalition verlassen werden - auch nicht, wenn gegen Bundeskanzler Kurz, gegen den wegen möglicher Falschaussage beim Ibiza-U-Ausschuss ermittelt wird, Anklage erhoben wird. 60 Prozent der Wähler und Wählerinnen sagen, dass der Kanzler dann zurücktreten sollte - bei den ÖVP-Wählern und Wählerinnen sagen das hingegen nur 30 Prozent.
Für die Grünen sei es erst so weit, wenn es wirklich zu einer Verurteilung komme. In diesem Fall seien dann auch die Umfrageergebnisse eindeutiger: 75 Prozent sagen, dass der Kanzler bei einer Verurteilung zurücktreten solle - das sehen auch 53 Prozent der ÖVP-Wähler und Wählerinnen so.
Bis es zu einer möglichen Verurteilung kommt, könnten wir uns aber schon in der nächsten Legislaturperiode befinden, so Haselmayer.
Zusammenfassung
- Es war ein turbulentes Jahr für die ÖVP, dennoch führt sie in den Umfragen. Auf 35 Prozent würde sie laut der aktuellen Sonntagsfrage kommen. Meinungsforscher Christoph Haselmayer erklärt, was hinter den Zahlen steckt.