Tusk will Fidesz-Rauswurf aus EVP noch in diesem Jahr
Die Fidesz-Partei des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban soll nach dem Willen von EVP-Chef Donald Tusk noch heuer aus der christdemokratischen Parteienfamilie ausgeschlossen werden. Das ungarische Notstandsgesetz in der Corona-Krise möge formaljuristisch nicht zu beanstanden sein, aber habe "mit dem Geist der Demokratie nichts mehr zu tun", sagte der Ex-EU-Ratschef dem "Spiegel".
"Wie oft haben wir in unserer Geschichte erlebt, dass Politiker Gesetze, die ordnungsgemäß zustande gekommen sind, nutzen, um ihre Macht auszudehnen? Sie kennen das aus Deutschland", so Tusk. Er wisse nicht, wann die nächste Vorstandssitzung der Europäischen Volkspartei, der auch die ÖVP angehört, stattfinden könne, ob im Juni oder erst im September. "Aber dann ist die Zeit der Entscheidung gekommen, ganz klar." Bis dahin wolle er die Kollegen in der EVP überzeugen, "dass wir nicht zwischen Freiheit und Sicherheit wählen müssen, sondern dass wir den Bürgern beides anbieten können."
Tusk war allerdings schon zu Beginn des Jahres daran gescheitert, die Delegierten vom Fidesz-Rauswurf zu überzeugen. Seit gut einem Jahr liegt die EVP-Mitgliedschaft der Fidesz auf Eis - unter anderem wegen Attacken auf den damaligen EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sowie mutmaßlicher Verstöße gegen EU-Grundwerte. Im Februar konnten die Delegierten sich nur zur Verlängerung der Suspendierung durchringen.
Ende März ließ Orban sich dann vom Parlament in Budapest mit umfassenden Sondervollmachten zur Bewältigung der Corona-Krise ausstatten. So kann er ohne zeitliche Befristung und gegebenenfalls ohne parlamentarische Kontrolle auf dem Verordnungsweg regieren. Dies sorgte im In- und Ausland für heftige Kritik.
Tusk kritisierte zudem das Vorhaben der polnischen Regierung, die anstehenden Präsidentschaftswahlen trotz Corona-Krise durchzuführen. "Unsere Verfassung verbietet es, das Wahlrecht weniger als sechs Monate vor der Wahl zu ändern. Nun geschieht genau das", sagte Tusk, der selbst Pole ist. Die Regierung will das Wahlrecht so ändern, dass bei der Präsidentenwahl am 10. Mai alle Stimmberechtigten per Briefwahl abstimmen können. PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski sei gefährlicher als Orban. "Orban kann zynisch sein, aber er ist auch pragmatisch. Kaczynski hingegen ist auf geradezu krankhafte Art darauf aus, soviel Macht zu bekommen wie möglich." Als früherer Regierungschef war Tusk lange Jahre politischer Gegenspieler der PiS.
Zusammenfassung
- Die Fidesz-Partei des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban soll nach dem Willen von EVP-Chef Donald Tusk noch heuer aus der christdemokratischen Parteienfamilie ausgeschlossen werden.
- Das ungarische Notstandsgesetz in der Corona-Krise möge formaljuristisch nicht zu beanstanden sein, aber habe "mit dem Geist der Demokratie nichts mehr zu tun", sagte der Ex-EU-Ratschef dem "Spiegel".
- PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski sei gefährlicher als Orban.