Streik in der Klinik Ottakring: "Warnungen wurden ignoriert"
"Lieber Teilzeit als ganz weg", "Klinik Ottakring: Come In & Burn Out" oder "Patientin todkrank, Ärztin todmüde" lauteten einige der Slogans, die die Teilnehmer in die Kameras der zahlreich erschienenen Medienvertreter richteten. "Es ist die Stunde, wo wir uns Gehör verschaffen", hielt Severin Ehrengruber, einer der Sprecher des Streikkomitees, in seiner Rede fest.
"Dem Gesundheitspersonal reicht es"
Dem Gesundheitspersonal reiche es, versicherte er. "Es kann nicht so weitergehen." Gefordert werden mindestens 20 Prozent mehr ärztliches Personal für die Abteilung oder auch eine "deutliche Anhebung" der ZNA-Zulage. Dass manche in der Politik meinten, man wolle nur mehr Geld und einen "gemütlichen Dienst", sei falsch. Man sei die letzte Abteilung, in der es gemütliche Dienste gebe, beteuerte der Streiksprecher.
Auch eine "faire Verteilung" der Rettungszufahrten auf alle Notaufnahmen Wiens, angepasst an den Personalstand und die tatsächlichen Bettenkapazitäten, wird urgiert. Nach Ottakring gebe es mehr Fahrten als in das Allgemeine Krankenhaus oder die Klinik Floridsdorf, wurde heute etwa beklagt.
Auch ein Personalvertreter aus dem Pflegebereich erklärte sich heute solidarisch. Er fordert etwa die umgehende Einführung der 32-Stunden-Woche.
Warnstreik der Klinik Ottakring: Ärzte fühlen sich nicht gehört
Dr. George Zabaneh, Vorstandsmitglieder der Wiener Ärztekammer, über die aktuellen Zustände in den Krankenhäusern
Patientengefährdung: Warnungen seien ignoriert worden
Auf den Personalmangel wurde schon länger hingewiesen, so Stefan Ferenci, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer. Gerade die Zentrale Notaufnahme der Klinik Ottakring habe auf die Missstände hingedeutet, von Situationen gesprochen, in denen es zu Patientengefährdung komme. "Das wurde ignoriert vom Unternehmen, von der Stadt Wien, aber leider auch von der Personalvertretung und der Gewerkschaft", so Ferenci.
Die Abteilung habe sich daher gezwungen gefühlt, einen Streik auszurufen.
"Billiges Ablenkungsmanöver einer komplett überforderten Stadt Wien"
Der Vorwurf der Stadt Wien, die Ärztekammer wolle "absichtlich Stimmung machen", sei "absoluter Blödsinn", betont Ferenci. Die Ärztekammer brauche keine Stimmung zu machen, denn die Stimmung sei schon schlecht. "Unsere bereits negativen Erwartungen wurden negativ übertroffen" in Bezug auf das "absolut desaströse Stimmungsbild" in den Spitälern, meint der Ärztekammer-Vizepräsident. Der Vorwurf sei ein "billiges, plumpes Ablenkungsmanöver von einer scheinbar komplett überforderten Stadt Wien, die nicht in der Lage ist, die Probleme hier zu lösen", so Ferenci.
Kritisiert wurde heute nicht nur das "politische Missmanagement" des Wiener Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ), sondern auch die Gewerkschaft. Der Streik, so stellte Ferenci klar, sei zu hundert Prozent rechtskonform. "Auch wenn es der Gewerkschaft nicht passt." Er zeigte sich auch in einer Aussendung enttäuscht darüber, dass die Gewerkschaft Younion an die Ärztinnen und Ärzte, die für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen würden, "Anwürfe" richte.
Die Gewerkschaft hatte zuvor in einer Aussendung betont, dass man den "Alleingang der Wiener Ärztekammer" nicht unterstütze. Edgar Martin, der Vorsitzende der Younion-Hauptgruppe II hielt dazu fest: "Wir vertreten 120 Berufsgruppen im Wiener Gesundheitswesen, praktisch alle haben Probleme - zum Teil massiv. Wir suchen Lösungen für das gesamte Team Gesundheit und nicht nur für Einzelne."
Dies mache auch anders keinen Sinn, so Martin. Denn falls eine Gruppe "übermäßig Budget" für sich abziehe, würden alle anderen leiden. "Das kann so weit führen, dass das Gesamtsystem nicht mehr funktioniert." Es bauche ein Bündnis, das für eine ausgewogene Gesamtlösung eintrete.
"Können nicht alle Dienstposten besetzen"
Beim Warnstreik werden unter anderem mehr Personal und höhere Zulagen gefordert.
Aktuell gebe es in der Klinik Ottakring 37 verfügbare Dienstposten. "Unser Problem ist, dass wir derzeit nicht alle Dienstposten besetzen können", meint Peter Gläser, Direktor der Klinik Ottakring. Die höheren Zulagen seien ein Thema zwischen der Gewerkschaft und der Stadt Wien.
Mehr dazu:
Direktor Klinik Ottakring: Krankenversorgung trotz Streik sichergestellt
Peter Gläser, Direktor der Klinik Ottakring, im PULS 24 Interview
Wiener Opposition solidarisch
Uneingeschränkt solidarisch zeigte sich die Wiener Opposition. Die Gesundheitssprecherin der Grünen Wien, Barbara Huemer, zeigte sich überzeugt, dass sich die handelnden Personen ihre Entscheidung nicht leicht gemacht haben: "Für die chronische Arbeitsüberlastung und personelle Unterbesetzung auf der Notaufnahme müssen endlich nachhaltige Lösungen her."
Wiens FPÖ-Obmann Dominik Nepp und der Gesundheitssprecher der Wiener Blauen, Wolfgang Seidl, sprachen von einem "Akt der Notwehr". Dieser sei eine Folge der katastrophalen Politik Hackers bzw. des "unfähigen roten Managements" des Wiener Gesundheitsverbundes.
Der WiGev selbst versicherte in einer Mitteilung an die APA nach dem Streik bzw. der Demo, dass alle Patient:innen "jederzeit vollumfänglich" versorgt worden sind. Insgesamt sieben Personen wurden laut Spitalsbetreiber in dieser Zeit behandelt. Da alle diensthabenden Ärzt:innen an der Kundgebung teilgenommen hätten, seien diese von Kolleg:innen anderer Abteilungen vertreten worden, hieß es. Auch der medizinische Direktor des WiGev, Michael Binder, habe sich darunter befunden.
Der Betrieb der Zentralen Notaufnahme fand laut der Aussendung somit ohne Einschränkungen statt. Außerhalb der Zentralen Notaufnahme sei es - abgesehen von einer zeitweisen Blockade des Zugangs zur Zentralen Notaufnahme durch die Kundgebung - ebenso zu keiner Beeinträchtigung des Spitalsbetriebs gekommen, teilte man mit.
Sprecher des Streikkomitees der Klinik Ottakring: "Ziel erreicht"
Severin Ehrengruber, Sprecher des Streikkomitees der Klinik Ottakring und Oberarzt Alexander Simon im Interview
Zusammenfassung
- In der Zentralen Notaufnahme (ZNA) der Klinik Ottakring wurde heute, Freitag, ein einstündiger Warnstreik abgehalten.
- Ab 10.00 Uhr protestierte dort das medizinische Personal gegen die Arbeitsbedingungen.
- Vor der Einrichtung sowie auch vor dem Spital wurden Kundgebungen abgehalten.