Ärztin und Pfleger erzählen: "System krankt an allen Fronten"

Am Freitag streikt die Klinik Ottakring: Es handle sich um einen "Hilfeschrei", man könne den Patient:innen nicht mehr die Versorgung bieten, die sie benötigen. Im PULS 24 Interview erzählen eine Ärztin und ein Pfleger, die beide früher in Wiener Spitälern gearbeitet haben, von der prekären Situation.

Schon lange klagen Ärzt:innen über die Zustände in den Spitälern und die Belastung für das Gesundheitspersonal. Bereits im November 2022 streikten die Wiener Ordensspitäler: mehr Gehalt, bessere Arbeitsbedingungen, so die Forderung.

Am Freitag streikt nun auch das medizinische Personal der Zentralen Notaufnahme (ZNA) der Klinik Ottakring: Ärzte werden zwischen 10 und 11 Uhr werden ihre Arbeit niederlegen, um auf die prekäre Personalnot hinzuweisen.

"System krankt an allen Fronten"

Von der prekären Gesundheitssituation in Wiens Krankenhäusern erzählt auch ein Pfleger, der früher in einem Wiener Gemeindespital arbeitete. "Das System krankt weiter an allen Fronten. Patientinnen und Patienten können nicht mehr in einer Qualität versorgt werden, wie es für mich wichtig wäre", beschreibt er die Lage im PULS 24 Interview.

"Medizinisch bedenklich und würdelos" sei es, wenn eine ältere Patientin stundenlang "in ihrem Kot und Urin liegt, weil keine Zeit da ist, um sich um diese Patientin zu kümmern", erklärt er. Es komme auch zu Fällen, bei denen Patient:innen durch den Personalmangel tatsächlich Schäden mit sich tragen: Er erzählt von einer Situation, in der ein Patient durch zu lange Wartezeiten, in den Atemkreislaufstillstand gegangen ist und reanimiert werden musste. Und eine Reanimation bringe in 90 Prozent der Fälle neurologische Folgeschäden mit sich.

Die Patientensicherheit sieht der Pfleger eindeutig als gefährdet.

Schlafstörungen und Angstzustände

Wie wirkte sich der Personalmangel auf ihn als Pfleger aus? Die "permanente Überbelastung und der Stress in der Arbeit" führe bei ihm zu Schlafstörungen, Unausgeglichenheit, aber auch zu Un­kon­zen­t­riert­heit.

Und diese Un­kon­zen­t­riertheit betreffe wiederum die Patient:innen: "Wenn ich unkonzentriert arbeite, dann kann ich nicht ausschließen, einen Fehler zu machen", beklagt der Pfleger. Er arbeite nicht mehr im Spital, weil er "konstant in einem Krisenmodus" gearbeitet habe und er das "selber nicht mehr aushalte".

Er wisse auch von Kolleg:innen, die "vor jedem Dienst Angst haben, in den Dienst zu gehen; die sich Sorgen machen, es passiert was, es kommt ein Patient zu Schaden".  Das Thema Schlafstörung sei unter dem Spitalspersonal sehr weit verbreitet.

Das Duell: Klinken vor dem Kollaps?

Stehen die Klinken vor dem Kollaps? Severin Ehrengruber, Sprecher des Streikkomitees der Zentralen Notaufnahme der Klinik Ottakring und Andrea Kdolsky, Ärztin und ehemalige Gesundheitsministerin, diskutieren bei PULS 24 

Infusion bekommen, um "einfach durcharbeiten" zu können

Auch eine Wiener Ärztin wollte nicht mehr im Krankenhaus arbeiten. "Ich war einfach müde, ich wollte einfach mein Leben zurückhaben", erklärt sie im PULS 24 Interview.

In den Spitälern stimme der Personalschlüssel nicht. Man könne die Menschen nicht mehr so behandeln, wie man es gewohnt war, wie man sie gerne behandeln würde und wie man es "mit seinem Gewissen vereinbaren kann und möchte".

Durch den Personalmangel, "arbeiten wir teilweise krank, mit Fieber, mit Halsweh, schlucken Medikamente, haben Rückenschmerzen", so die Ärztin. Dies gehe vom OP-Personal, bis zu den Ärzt:innen und Pfleger:innen. Man habe Hemmungen, zu Hause zu bleiben. Sie selbst habe auch schon krank gearbeitet. Es sei vorgekommen, dass man "eine Infusion mit einem fiebersenkenden Mittel" bekomme und dann "einfach durcharbeite".

"Aber das sollte nicht so sein", betont die Medizinerin.

"Der letzte Hilfeschrei"

Als sie noch im Spital tätig war, sei es natürlich auch zu Gefährdungsanzeigen gekommen. Man habe dem Personal jedoch nahegelegt, "dass wir das lassen sollen". Dabei sei eine Gefährdungsanzeige "der letzte Hilfeschrei". Das sei "kein Hilferuf, das ist wirklich ein Schrei", betont sie.

Was müsste sich ändern?

Der Beruf im Allgemeinen müsste attraktiver gemacht werden, meint der Pfleger. Es brauche keinen Bonus, kein "Zuckerl von 2.000 Euro brutto pro Jahr", sondern am Grundgehalt müsse deutlich gedreht werden. Das Personal müsse attraktive Arbeitsmodelle bekommen, verkürzte Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich zum Beispiel.

"Und natürlich ein Personalschlüssel, der dem Patientenaufkommen gerecht wird", so der Pfleger.

ribbon Zusammenfassung
  • Am Freitag streikt die Klinik Ottakring: Es handle sich um einen "Hilferuf", man könne den Patient:innen nicht mehr die Versorgung bieten, die sie benötigen.
  • Im PULS 24 Interview erzählen eine Ärztin und ein Pfleger, die beide früher in Wiener Spitälern gearbeitet haben, von der prekären Situation.