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SOS Kinderdorf ortet bei Asyl "Kinderrechtsverletzungen"

SOS-Kinderdorf Geschäftsführer Christian Moser hat im Vorfeld des Tages der Kinderrechte am 20. November und angesichts der derzeitigen Asylproblematik "Kinderrechtsverletzungen" in Österreich angeprangert. Diese würden passieren und die Politik nehme sie "in Kauf", so Moser im APA-Interview. Dass es etwa in Zukunft möglich sein soll, unmündige, unbegleitete Flüchtlingskinder in das Erstaufnahmezentrum nach Traiskirchen zu schicken, sei "enttäuschend und erschütternd."

Von entsprechenden Plänen der für die Kinder- und Jugendhilfe zuständigen Landesrätinnen und Landesräte habe SOS Kinderdorf erfahren, hieß es. Eine kinderrechtskonforme, kindergerechte Unterbringung von Menschen auf der Flucht sei in Österreich schon jetzt "in Teilen nicht gegeben", übte der SOS Kinderdorf-Geschäftsführer scharfe Kritik. "Wenn man jetzt sogar unmündige Minderjährige unter 14 Jahren in ein Erstaufnahmezentrum geben und mit Erwachsenen zusammensperren will, muss man feststellen: Dann fehlt es an allem. Solche Kinder und Jugendlichen gehören in die Kinder- und Jugendhilfe, und nicht in die Bundesbetreuung." Sollten nicht genügend Kapazitäten in der Kinder- und Jugendhilfe vorhanden sein, dann müsse man eben zusätzliche schaffen, verlangte Moser, der hinter den Plänen der Bundesländer eine politische Grundausrichtung ortete und nicht mangelndes Vermögen. Die Unterbringung in der Bundesbetreuung sei offenbar "politisch so gewollt", wartete er mit schweren Vorwürfen auf: "Man will die Menschen möglichst bald wieder weg haben. Es darf ihnen offenbar nicht zu gut gehen, denn sonst kommen womöglich andere nach." Immer wieder würden die politisch Verantwortlichen danach trachten, dass es zu keinem "Pull-Faktor" kommt. "Eine schändliche Diskussion"", meinte der Geschäftsführer, denn schließlich seien Menschenrechte "nicht verhandelbar und unteilbar."

SOS Kinderdorf habe bisher allein 300 Plätze für Kinder aus der Ukraine geschaffen, zeigte Moser ein Beispiel aus dem ureigensten Beriech auf, das zeige, wie es gehen könnte: "Dann muss man diese Kinder und Jugendlichen begleiten, sich um sie bemühen, für sie da sein. Doch die Politik blendet das komplett aus. Man interessiert sich nicht dafür."

Leider habe sich mit der grünen Regierungsbeteiligung in der Asylpolitik nicht viel zum Positiven geändert, konstatierte Moser. Die Partei könne sich offenbar gegen den großen Koalitionspartner ÖVP nicht durchsetzen. Den Vorstoß von ÖVP-Klubobmann August Wöginger, die Menschenrechtskonvention zu überarbeiten, nannte Moser "katastrophal". Bei der Konvention handle es sich um die "größte Errungenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg", eine solche Äußerung "disqualifiziert sich von selbst."

Generell würden Kinderrechte in Österreich noch immer ein Schattendasein fristen, stellte der SOS Kinderdorf-Geschäftsführer einen ernüchternden Befund aus. "Es herrscht politischer Stillstand", griff Moser zu deutlichen Worten. Ein "Entwicklungsland" sei Österreich, was Kinderrechte betrifft. Neben der Asylfrage gebe es auch im Bereich der Bildung und der Gesundheit "etliche Baustellen." Und auch was den rechtlichen Rahmen betrifft, gebe es noch gehörig Luft nach oben. Moser forderte, dass endlich die gesamte Kinderrechtskonvention in den Verfassungsrang gehoben und auch in den Landesverfassungen implementiert werde - schließlich sei Kinder- und Jugendhilfe in Österreich Ländersache. Auch benötige es einen österreichweiten Mindeststandard, es könne nicht angehen, dass unterschiedliche Gradmesser in den Bundesländern bestehen.

Nach wie vor Aufholbedarf ortete Moser in der Budgetierung, um Kinderrechten auch in der Realität zur Geltung zu verhelfen. Es gebe zwar funktionierende Beratungseinrichtungen wie etwa "Rat auf Draht", um präventiv tätig zu sein. Aber erstens bestünden zu wenige davon und zweitens sei eine Unterbudgetierung zu beklagen. "'Rat auf Draht'wird etwa nur zu 40 Prozent von öffentlichen Stellen gefördert", sah der SOS Kinderdorf-Manager dringenden Handlungsbedarf. Einen solchen ortete er auch dahingehend, dass endlich jedes Gesetz einem "Kinderrechte-Check" unterzogen und ein "unabhängiges Kindermonitoring" eingeführt wird.

Klare Vorstellung hat Moser über die künftige gesellschaftliche Positionierung von SOS-Kinderdorf: "Wir müssen und wollen politischer werden. Denn Kinder haben keine Lobby. Es wird über sie verhandelt und nicht mit ihnen.". Er glaube auch, dass Gründer Hermann Gmeiner - wenn man sich viele seiner Aussagen zu Gemüte führe - "politisch war", sah der Geschäftsführer eine gewisse Konsistenz gegeben. "Kinderdorf hat sich zur damaligen Zeit viel mehr erlaubt", erklärte Moser. Da wolle man wieder verstärkt hin - über den ureigensten Bereich als Dienstleistungs-und Serviceeinrichtung hinaus.

Zuletzt war die renommierte Organisation allerdings in die Negativschlagzeilen geraten. Ein österreichischer Großspender von SOS-Kinderdorf steht im Verdacht, bei seinen Besuchen in einem südostasiatischen Land die unter Betreuung stehenden Kinder sexuell missbraucht zu haben. Man warte nun den Bericht der eingesetzten, unabhängigen Kommission ab, so Moser. Zum jetzigen Zeitpunkt könne man nicht sagen, ob irgendwer in der Organisation davon etwas näheres gewusst haben könnte. Als man von den Vorwürfen gehört habe, habe man sie jedenfalls sofort angezeigt.

Es gehe nun auch darum, "bessere Verhaltensregeln" zu entwickeln - dahingehend erwarte er sich auch Empfehlungen durch die Kommission. So könnten etwa in Österreich bereits bestehende "Ombudssysteme" auch in anderen Ländern mit SOS Kinderdörfern etabliert werden. An einen "Imageschaden" durch die Causa glaubte der Geschäftsführer indes nicht. Man werde ordentlich damit umgehen und wolle "Vorreiter in der Aufarbeitung" sein, sowie - wenn nötig - ohne Rücksicht auf irgendjemanden bereit sein, Konsequenzen zu ziehen: "Ich sehe das als Chance für die Kinder und für die Organisation."

ribbon Zusammenfassung
  • SOS-Kinderdorf Geschäftsführer Christian Moser hat im Vorfeld des Tages der Kinderrechte am 20. November und angesichts der derzeitigen Asylproblematik "Kinderrechtsverletzungen" in Österreich angeprangert.
  • Diese würden passieren und die Politik nehme sie "in Kauf", so Moser im APA-Interview.
  • Denn Kinder haben keine Lobby.
  • So könnten etwa in Österreich bereits bestehende "Ombudssysteme" auch in anderen Ländern mit SOS Kinderdörfern etabliert werden.