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Sonderpädagogische Unterstützung an Schulen reicht nicht aus

In den Pflichtschulen gibt es deutlich mehr Schüler, die sonderpädagogische Unterstützung bräuchten, als Förderangebote. Laut einer vom Bildungsministerium in Auftrag gegebenen Studie haben 4,5 Prozent aller Pflichtschülerinnen und -schüler einen sonderpädagogischen Förderbedarf (SPF). Jedoch gibt es gemäß einer 1992 festgelegten Regelung nur für maximal 2,7 Prozent der Schüler pro Bundesland zusätzliche Lehrkräfte vom Bund. Buben sind deutlich häufiger betroffen als Mädchen.

So wurde zu Beginn des Schuljahres 2022/23 bei 3,4 Prozent der Mädchen ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt, gegenüber 5,4 Prozent der Buben. Deutlich überproportional betroffen sind außerdem Kinder mit nicht-deutscher Umgangssprache. Der Förderbedarf bei Kindern mit nicht-deutscher Umgangssprache ist mit 5,9 Prozent deutlich höher als jener mit deutscher Umgangssprache (3,8 Prozent). Große Unterschiede gibt es auch zwischen den einzelnen Bundesländern: So wurde in Salzburg bei 6,7 Prozent der Schülerinnen und Schüler Förderbedarf festgestellt, in Tirol aber nur bei 2,4 Prozent.

Für Kritik sorgt bei den im Rahmen der Studie in qualitativen Interviews befragten Akteuren aus den Bildungsdirektionen fast durchgehend die Deckelung der Ressourcen bei 2,7 Prozent. Durch die im Finanzausgleich 1992 festgelegte Begrenzung würden die Bildungsdirektionen dazu genötigt, unter anderem Ressourcen aus dem Regelschulsystem abzuzweigen. Denn die Länder sehen sich laut den meisten Interviewpersonen nicht in der Lage, die fehlenden Ressourcen beizusteuern, was zu geringeren Lehrpersonenstunden und einem Mangel an personellen Unterstützungsleistungen führe. Diese Tendenz hat sich laut einigen Befragten in den vergangenen Jahren verstärkt.

Insgesamt gab es laut im Rahmen der Studie von den Bildungsdirektionen erhobenen Daten im Oktober 2022 in den Pflichtschulen in Österreich rund 26.000 Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf. Vorgesehen ist der Status SPF dann, wenn Schülerinnen oder Schüler wegen einer längerfristigen körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigung dem Unterricht nicht ohne sonderpädagogische Förderung folgen können. Sie können dann durch spezielles Lehrmaterial oder entsprechende Lehrer gefördert oder in einem oder mehreren Fächern nach dem Lehrplan einer niedrigeren Schulstufe oder anderen Schulart unterrichtet werden.

Explizit nicht vorgesehen ist der SPF für Schülerinnen und Schüler, die zu Beginn der Volksschule nicht altersentsprechend entwickelt sind, die Unterrichtssprache nicht beherrschen oder Lernprobleme (etwa Lern- oder Rechenschwäche, Verhaltensauffälligkeiten, Sprachstörungen) haben. Für diese sind der Besuch einer Vorschulklasse bzw. einer Deutschförderklasse oder andere Förder- und Unterstützungsmaßnahmen vorgesehen.

Das Bildungsministerium sieht trotz der Ergebnisse der Studie "Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen im Schulsystem adäquat unterstützt und begleitet", wie es in einer Aussendung heißt. Verwiesen wurde insbesondere auf den laut der Studie hohen Zufriedenheitsgrad der Eltern mit der Verfahrenspraxis und den Ergebnissen. Es gelte nun, den Ursachen nachzugehen und österreichweit einheitliche Kriterien für das Verfahren zu schaffen, auf jeden Fall eine deutliche Verkürzung des Ablaufs, schlussfolgerte das Bildungsministerium.

Die NEOS warfen Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) daraufhin vor, die Studienergebnisse zu beschönigen und an dem "obsolet" gewordenen sogenannte SPF-Deckel von 2,7 Prozent zu beharren. "Ohne Mittel und Personal für die nötige Förderung der betroffenen Kinder bleibt die Inklusion im Bildungssystem eine leere Phrase", erklärte NEOS-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre in einer Stellungnahme. Die Behindertensprecherin der NEOS, Fiona Fiedler, kündigte einen Antrag kommende Woche im Unterrichtsausschuss an, damit Österreich "seine Verpflichtungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention erfüllt und Kindern mit Behinderungen die volle Teilhabe an Bildung ermöglicht".

Polaschek habe es verabsäumt, den Finanzausgleich zu nutzen, um die "anachronistische Begrenzung" zu beheben, kritisierte SPÖ-Kinderrechtssprecher Christian Oxonitsch in einer Aussendung. Die Einigung zum Finanzausgleich sei am 21. November erfolgt, tags darauf dann die Studie veröffentlicht worden. "Mehr Verhöhnung geht nicht."

ribbon Zusammenfassung
  • In den Pflichtschulen gibt es deutlich mehr Schüler, die sonderpädagogische Unterstützung bräuchten, als Förderangebote.
  • Laut einer vom Bildungsministerium in Auftrag gegebenen Studie haben 4,5 Prozent aller Pflichtschülerinnen und -schüler einen sonderpädagogischen Förderbedarf (SPF).
  • Deutlich überproportional betroffen sind außerdem Kinder mit nicht-deutscher Umgangssprache.