Richter rechnen mit Mehraufwand durch Verbotsgesetz-Novelle
Mit der im Juni präsentierten Gesetzesnovelle sollen Beamte im öffentlichen Dienst bei einer rechtskräftigen Verurteilung künftig automatisch ihren Job verlieren. Auch soll etwa gegen das Tragen von gelben modifizierten Judensternen, wie es im Zuge der "Corona-Demonstrationen" stattfand, effektiver vorgegangen werden können. Den Plänen zufolge wird etwa auch strafbar, wenn einschlägige Inhalte vom Ausland aus mit Zielrichtung Österreich gepostet werden. Weiters soll es eine neue Regelung den Behörden ermöglichen, NS-Devotionalien auch ohne Strafverfahren aus dem Verkehr zu ziehen. Derzeit können Gegenstände nur eingezogen werden, wenn Wiederbetätigung vorliegt, bloßer Besitz ist nicht strafbar. Ermöglicht werden soll auch die Diversion bei Erwachsenen, bisher gab es diese Möglichkeit nur für Jugendliche.
Der "deutliche Mehraufwand" der Staatsanwaltschaften werde "auch bei den Gerichten zu einem personellen Mehraufwand führen, dem nur durch Aufstockung der personellen Ressourcen begegnet werden kann, um die Regelungen auch tatsächlich und effizient vollziehen zu können", schreibt die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter in ihrer Stellungnahme.
Zudem sei es "bedauerlich", dass es keine breite Diskussion über die Zuständigkeit bei Verfahren nach dem Verbotsgesetz gegeben habe, finden die Richter. Derzeit sind dafür Geschworenengerichte, also reine Laiengerichte, zuständig. "Geschworenengerichte sind in den demokratischen Rechtsstaaten Kontinentaleuropas ein Anachronismus (...) und aus rechtsstaatlicher Sicht bedenklich, da kein begründetes Urteil (mit Feststellungen, Beweiswürdigung und rechtlicher Würdigung) ergeht", merken die Richter an. Bis auf Spanien, Belgien und Österreich hätten mittlerweile alle Staaten Kontinentaleuropas Geschworenengerichte durch Schöffengerichte ersetzt.
Die Politik sollte "ernsthaft" die von Experten vorgeschlagene Reform diskutieren, statt Geschworenengerichten verstärkte Schöffengerichte, bestehend zum Beispiel aus zwei Berufs- und fünf Laienrichtern, einzusetzen, die gemeinsam über Schuld und Strafe entscheiden und ihre Entscheidungen gegebenenfalls auch umfassend begründet auszufertigen haben. So könnte man, ist die Richtervereinigung überzeugt, den Verfahren "in Öffentlichkeit und Medien zu wesentlich mehr Transparenz und Akzeptanz verhelfen".
Bei der Novelle handelt es sich um eine Zweidrittel-Materie, die Regierungsparteien brauchen also die Zustimmung entweder der SPÖ oder der FPÖ. Sabine Schatz, SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur, begrüßte in einer Aussendung grundsätzlich die Reformpläne - es seien aber "Nachschärfungen" notwendig. Positiv beurteilte Schatz etwa den automatischen Amtsverlust von Beamtinnen und Beamten nach Verurteilung und den Einzug von NS-Devotionalien.
Bei der Ausweitung der Diversion auf Erwachsene müsse es aber eine Konkretisierung geben, forderte Schatz. "Es darf nicht der Anschein entstehen, dass es durch die Diversion für Erwachsene zu einer Bagatellisierung kommt." Auch dass in der aktuellen Gesetzesvorlage etwa Holocaust-Leugnung erst dann strafbar wird, wenn sie vor zehn Personen getätigt wird, sei ein Rückschritt gegenüber dem ersten öffentlich gewordenen Entwurf. "Diese Verschlechterung ist für uns nicht nachvollziehbar." Generell beklagte Schatz, dass die Regierung bei der Novelle "wieder völlig intransparent" agiere und die Opposition nicht einbezogen habe.
Zusammenfassung
- Die Richtervereinigung unterstützt die Verschärfung des Verbotsgesetzes, befürchtet aber einen deutlichen Mehraufwand und fordert entsprechend mehr personelle Ressourcen.
- In ihrer Stellungnahme in der Begutachtung, die am Mittwoch zu Ende gegangen ist, pochen die Richter auch auf eine Diskussion, die Zuständigkeit für Verbotsgesetz-Verfahren künftig Schöffengerichten zu übertragen.