Remus-Chef: Einmarsch hatte "militärisch und politisch einen Grund"
Remus-Chef Stephan Zöchling lässt mit Verständnis für die russische Seite im Ukraine-Krieg aufhorchen. Ob die Ukraine zum Zeitpunkt des Angriffs am 24. Februar "noch ein souveräner Staat" gewesen sei, sei die Frage, sagte Zöchling bei den "Politik-Insidern" auf PULS 24.
In der Sendung hatten Zöchling, Geschäftsführer des steirischen Sportabgasanlagen-Herstellers Remus, und Ex-Grünen-Chefin Eva Glawischnig zunächst über die allgemeine Wirtschaftslage in Österreich und die Gehaltsverhandlungen diskutiert. Zu den Russland-Sanktionen befragt kam Zöchling auch auf den Ukraine-Krieg selbst zu sprechen. "Ich glaube, wir haben einen Konsens darüber, dass wir diesen Krieg verurteilen und dass es durch nichts zu rechtfertigen ist", sagte der Manager zunächst, ergänzte aber: "Wenn Sie, so wie ich, vor einem Jahr viel Zeit in der Ukraine verbracht und gesehen haben, was dort passiert ist, dann wissen Sie, dass es zumindest militärisch und politisch einen Grund gegeben hat, dass die Russen einmarschiert sind."
Glawischnig: "Schuldfrage eindeutig"
Glawischnig hielt entgegen, "dass es so etwas wie völkerrechtliche Grenzen gibt. Wenn man völkerrechtliche Grenzen willkürlich verschiebt und einen Angriffskrieg startet, ist die Schuldfrage eindeutig zuordenbar". Die ehemalige Spitzenpolitikerin weiter: "Die Frage, ob es hier willkürlich einen Übergriff auf einen souveränen Staat gegeben hat, ist, glaube ich, unstrittig."
Zöchling blieb aber bei seiner Position und stellte die Frage in den Raum, ob die Ukraine zu Beginn der Kriegshandlungen "noch ein souveräner Staat war". Er erklärte seine Haltung unter anderem damit, was er "im Oktober, im November, im Dezember" des Vorjahres in der Ukraine selbst erlebt habe. "In Kiew und in der gesamten Südukraine" seien ihm zufolge bereits "kanadische NATO-Soldaten, deutsche, französische, amerikanische" gewesen.
Hotelzimmer mit kanadischem NATO-Soldaten
Der Manager erzählte: "Wenn ich in einem ganz normalen Hotel kein Zimmer mehr bekomme oder nur zur Not eins bekomme, das ich mir dann mit einem kanadischen NATO-Soldaten hätte teilen sollen, weil dort das gesamte Hotel mit Armee belegt ist, dann tue ich mir schwer. Wenn man dann weiß, dass die Gouverneure der ukrainischen Regionen und die gesamte politische Führungsstruktur wochenlang nicht in Berlin, nicht in Brüssel, nicht in Straßburg, nicht in Paris, nicht in London gesessen sind, sondern in Washington, dann drängt sich zumindest schon die Frage auf: Wer hat dort welche Interessen verfolgt?"
Diese Meinung von Zöchling steht allerdings im Widerspruch zur Position der meisten westlichen Regierungen sowie zur Beurteilung führender Völkerrechtsexperten.
Experten: Eindeutiger Bruch des Völkerrechts
Der Völkerrechtsprofessor Wolfgang Benedek warnte bereits am 25. Februar in der "Kleinen Zeitung" vor einer solchen Umdeutung der Ereignisse: "Zur allgemeinen Desinformationskampagne Russlands zu seinem Truppenaufmarsch rund um die Ukraine kommt nun auch eine völkerrechtliche Desinformation hinzu. Weder besteht in den anerkannten Gebieten eine massive Repression durch die Ukraine, noch die Gefahr eines Genozids, womit es keine völkerrechtliche Grundlage für diese Anerkennung und den Angriff gab."
Der Europarechtler Franz Leidenmühler stellte im April im "Standard" fest: "Am Morgen des 24. Februar 2022 ist die Geißel des Angriffskrieges nach Europa zurückgekehrt. Der anlasslose Einmarsch von Truppen der Russischen Föderation in die Ukraine beabsichtigt, wie sich mittlerweile zeigt, ausschließlich die brutale Eroberung eines souveränen Staates, die Niederwerfung seiner Streitkräfte, den Wechsel seiner politischen Führung."
Zuletzt haben bei der UNO-Vollversammlung in New York auch 143 von 193 Staaten die jüngsten Annexionen Moskaus verurteilt - eine historische Mehrheit. 35 Staaten enthielten sich bei dieser Resolution im Oktober, lediglich fünf Staaten stimmten dagegen, die russischen Annexionen zu verurteilen. Dies waren neben Russland die Länder Syrien, Nicaragua, Belarus und Nordkorea.
Zusammenfassung
- Remus-Chef Stephan Zöchling äußert bei den PULS 24 "Politik-Insidern" Zweifel, ob die Ukraine zum Zeitpunkt des Kriegsbeginns "noch ein souveräner Staat" gewesen sei.
- Er meint, dass es "zumindest militärisch und politisch einen Grund gegeben hat, dass die Russen einmarschiert sind".
- Trotzdem betonte er, dass er den russischen Angriffskrieg verurteile.