Trumps Politik

NATO "tot" oder "in schwerem Koma"

Heute, 12:49 · Lesedauer 4 min

"Ich glaube aktuell ist die NATO wirklich am Ende", erklärt Politikwissenschaftler Franz Eder im PULS 24 Interview. Die Bündnis-Staaten müssten sich angesichts der derzeitigen US-Politik nach Alternativen umschauen.

"Ich glaube, die NATO, so wie sie momentan konzipiert ist, ist tot beziehungsweise in einem schweren Koma", findet der Politikwissenschafter Franz Eder im Gespräch mit PULS 24 Anchor René Ach drastische Worte. Erst in vier oder fünf Jahren könnte sie unter einem neuen US-Präsidenten "wiederbelebt" werden, so der Forscher von der Universität Innsbruck. 

Am Wochenende hatte Elon Musk, enger Berater des jetzigen Präsidenten Donald Trump, auf seiner Plattform "X" (vormals Twitter) mit einem Austritt aus dem Militärbündnis geliebäugelt. 

Solange sie sich im Ernstfall eines Angriffs nicht auf die Hilfe all ihrer Partner verlassen können, müssten sich die NATO -Staaten nach Alternativen umschauen, so Eder. Eine solche gebe es innerhalb der Europäischen Union – sofern man auch Nicht-EU-Mitglieder wie etwa Norwegen, Großbritannien oder auch Kanada mitnehme.

Dass es eine "alternative Organisation geben wird, die man jetzt neu bildet", glaubt Politikwissenschaftler Eder derweil nicht. Vielmehr würden bestehende Möglichkeiten stärker genutzt. Dabei ginge es unter anderem um die Frage des Informationsaustausches, gemeinsamen Rüstungsbemühungen, Trainings und Übungen. Das könne sowohl innerhalb als auch außerhalb der NATO erfolgen.

Europa müsse mit Partnern versuchen, eigenständige Kapazitäten aufzubauen und sich mittel- bis längerfristig einen Plan überlegen, "mit dem man auch ohne die USA überlebensfähig ist."

Auch ohne US-Austritt "Mehrwert verloren"

Dass die Vereinigten Staaten tatsächlich aus der NATO austreten, hält Eder zwar nicht für wahrscheinlich - das müssten sie aber auch nicht. Wenn sie erklären, die Beistandspflicht von bestimmten Entwicklungen abhängig zu machen, "dann ist die NATO eigentlich tot". In diesem Fall würden die USA zwar nicht offiziell aussteigen, aber das Bündnis hätte seinen "Mehrwert verloren".

Hinter dem Handeln der USA ortet Eder auch politische Interessen. Man wolle "die Europäische Union als Organisation schwächen, um dann auch Europa als Gesamtes zu schwächen".

Wir haben einen massiven Wechsel der Weltordnung.

Politikwissenschaftler Franz Eder

"Wir erleben momentan Zeitgeschichte mit. Wir haben einen massiven Wechsel der Weltordnung", so der Politikwissenschaftler. Dass die USA für eine liberale Weltordnung stehen, habe "spätestens jetzt mit Trump aufgehört zu sein".

Dadurch habe sich auch die Rolle Europas massiv gewandelt. Wenn man nicht vom Wohlwollen anderer Staaten abhängig sein und "in der internationalen Politik nicht gefressen" werden wolle, müsse "Europa jetzt in die Gänge kommen und selbst Verantwortung übernehmen", so der Politikwissenschaftler.

Dazu gehöre auch, eigene Kapazitäten aufzubauen. Das gelte nicht nur im militärischen Bereich, wo die EU "sehr viel aufzuholen" habe. Innerhalb der Union müsse man sich ebenso "unserer wirtschaftlichen Macht bewusstwerden und sie einsetzen". Auch in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit würden die USA ein Vakuum hinterlassen, dass sie EU füllen sollte.

Wettrüsten "natürlich verrückt" - aber nötig

Im aktuellen Wettaufrüsten sieht Eder dennoch einen "Widerspruch zu dem, was wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten gesehen haben".

Durch Kooperationen, internationale Institutionen und gemeinsames Wirtschaften habe man die Welt geschaffen, in der wir aktuell leben. "Deshalb haben wir den Reichtum, den wir momentan zumindest in Europa sehen, und die Stabilität, die wir hier erlebt haben."

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Dass man diese nun verlasse, um etwas zu tun, "wo wir aus der Vergangenheit und aus der Forschung wissen, das führt zu mehr Konflikten und das steigert auch die Kriegswahrscheinlichkeit" sei laut Eder "natürlich verrückt".

Angesichts der Politik der USA und Russland habe Europa jedoch keine andere WahlWolle man die eigenen Werte und Ordnungsvorstellungen aufrecht und stärken, müsse man ausreichend stark werden: "Deshalb müssen wir leider mitrüsten, es nutzt leider nichts", erklärt Eder.

Dass Russland in den nächsten Jahren Europa angreifen wird, glaubt der Politikwissenschaftler jedoch nicht. "Ich glaube Russland ist weder dazu in der Lage, noch wirklich willens, es letztendlich zu tun." Insbesondere wenn Europa stark und geeint sei, dann werde "Russland gar nicht auf die Idee kommen" anzugreifen.

Zusammenfassung
  • "Ich glaube aktuell ist die NATO wirklich am Ende", erklärt Politikwissenschaftler Franz Eder im PULS 24 Interview.
  • Die Bündnis-Staaten müssten sich angesichts der derzeitigen US-Politik nach Alternativen umschauen.