Präsident und Außenminister tot: Wie es im Iran weitergeht
Außenminister Hossein Amirabdollahian und der 63-jährige Ebrahim Raisi waren am Sonntagnachmittag am Weg zurück von einem Treffen mit dem Präsidenten des Aserbaidschan, Ilham Aliyev.
Gemeinsam hatten sie im Nachbarland einen Staudamm eingeweiht. Mit insgesamt drei Hubschraubern machte sich der Tross danach auf den Rückweg gen Iran, doch die Präsidentenmaschine kam nicht an ihrem Bestimmungsort an. Die Maschine verschwand zunächst vom Radar und dann beim Absturz völlig ausgebrannt sein. Nach iranischen Angaben ist der Hubschrauber abgestürzt, als er bei dichtem Nebel ein Berggelände überflogen habe.
Wie iranische Medien berichteten, liegt der Unglücksort in der Nähe von Jolfa - mehr als 600 Kilometer von der Hauptstadt Teheran entfernt, nahe der Grenze zu Aserbaidschan. Irans Religionsführer Ajatollah Ali Khamenei hat nach dem Tod von Raisi fünf Tage Staatstrauer angeordnet.
Trauerfeier am Dienstag
In Tabriz im Nordwesten des Iran versammelten sich am Dienstag in der Früh tausende Menschen zu einer Zeremonie für Raisi, Außenminister Hossein Amirabdollahian und die übrigen Absturzopfer, wie das iranische Staatsfernsehen berichtete. Viele von ihnen trugen Porträts der Verstorbenen.
Für Mittwoch ist in der Hauptstadt Teheran ein Trauerzug geplant, gefolgt von einer Zeremonie in Raisis Heimatstadt Mashhad am Donnerstag.
Todesfälle könnten Iran in Krise stürzen
Raisi war seit 2021 Präsident gewesen. Er galt als Hardliner und als der zweitmächtigste Politiker im Iran hinter Khamenei. Er ordnete die blutige Niederschlagung von landesweiten Protesten nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini in Polizeigewahrsam vor eineinhalb Jahren an. Zudem stand er für eine harte Haltung bei den internationalen Verhandlungen über das umstrittene Atomprogramm der Islamischen Republik.
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Der Tod von Raisi und Amirabdollahian könnte die Islamische Republik in eine innen- und außenpolitische Krise stürzen. Insbesondere Amirabdollahian war als Außenminister seit Beginn des Gaza-Krieges verstärkt in die Öffentlichkeit gerückt und hatte zahlreiche Reisen zu Verbündeten unternommen. Mangels Alternativen dürfte sich die Suche nach einem Nachfolger für Raisi schwierig gestalten.
Machtkampf möglich
Mit Raisis Tod dürfte ein heftiger Machtkampf ausbrechen, schrieb der Iran-Experte Arash Azizi in einer Analyse für die US-Zeitschrift "The Atlantic". Raisis Passivität habe Herausforderer unter den Hardlinern ermutigt. Sie würden seine schwache Präsidentschaft als Chance sehen. "Der Tod von Raisi würde das Machtgleichgewicht zwischen den Fraktionen innerhalb der Islamischen Republik verändern", hieß es noch bevor iranische Staatsmedien Raisis Tod bestätigten.
Hamidreza Azizi, Gastwissenschaftler an der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik, sieht keine gravierenden Veränderungen im politischen System Irans, da die wichtigen Entscheidungen ohnehin von Khamenei und den mächtigen Revolutionsgarden getroffen werden.
Insgesamt seien die Auswirkungen von Raisis Tod "weder grundlegend noch ein entscheidender Schlag für das System", schrieb Azizi auf X. "Er wird den Wettbewerb zwischen den Hardlinern beeinflussen, aber nicht die strategische Ausrichtung der Islamischen Republik in der Außen- oder Innenpolitik."
https://twitter.com/HamidRezaAz/status/1792328189890515145
Der Iran stand zuletzt verstärkt in den Schlagzeilen, auch weil ein regionaler Krieg mit dem Erzfeind Israel zu drohen schien. Während Raisis Amtszeit vertiefte die Islamische Republik ihre wirtschaftliche und militärische Kooperation mit China und Russland, die Beziehung zum Westen kühlte unter anderem wegen des Streits über das iranische Atomprogramm ab.
Außerdem warf der Westen der Führung in Teheran schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen vor. Trotzdem gab es erst vor wenigen Tagen wieder Berichte über neue, indirekte Gespräche mit den USA im Golfstaat Oman.
Noch keine Reaktion aus Israel
Israel hat sich nach dem tödlichen Helikopter-Absturz bisher nicht offiziell geäußert - israelische Medien berichteten am Montag jedoch unter Berufung auf namentlich nicht genannte Regierungsvertreter, dass Israel nichts mit dem Vorfall im Land seines Erzfeindes zu tun habe.
Hashemi zu Iran: "Es wird zu wenig getan"
Juristin Shoura Hashemi im Interview im vergangenen Mai.
Die israelische Zeitung "Jediot Achronot" berichtete am Montag, Israel erwarte keine echten Auswirkungen durch den Tod von Raisi und Amirabdollahian auf den jüdischen Staat. Man gehe nicht von einer Änderung der Politik der Islamischen Republik Israel gegenüber aus.
Wer löst Raisi ab?
Die einzige Frage sei nun, wer den iranischen Präsidenten ablösen werde. "Ranghohe Regierungsvertreter in Jerusalem gehen abgesehen von Veränderungen innerhalb des Iran nicht davon aus, dass es Auswirkungen für Israel geben wird, weil die Person, die Entscheidungen über das iranische Atomprogramm und die antiisraelische Terror-Kampagne trifft, der Oberste Führer Ayatollah Ali Khamenei ist", schrieb das Blatt. "In dem Bereich wird Raisis Tod keinen Unterschied machen, weder zum Guten noch zum Schlechten."
Die radikal-islamische Palästinenser-Organisation Hamas hat Raisi als wichtigen Unterstützer im Kampf gegen Israel gewürdigt. Raisi habe dem palästinensischen Volk wertvolle Hilfe geleistet und unermüdlich Solidarität im Gaza-Krieg gegen Israel bekundet, teilte die Hamas am Montag mit.
Neuwahlen in 50 Tagen
Nach dem Tod von Raisi und Amirabdollahian kam Irans Kabinett erneut zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Darüber berichteten iranische Medien am Montagmorgen übereinstimmend. Der erste Vizepräsident, Mohammed Mochber, hatte bereits am späten Sonntagabend eine Sitzung geleitet. Er würde gemäß Protokoll im Todesfall Raisis die Regierungsgeschäfte übernehmen. Innerhalb von 50 Tagen müssen Neuwahlen stattfinden.
Wie die Nachrichtenagentur Isna am Montagabend meldete, wurde der 28. Juni als Termin vorgeschlagen. Demnach könnten sich ab 28. Mai Kandidaten registrieren. Die Entscheidung über die Zulassung trifft der Wächterrat, ein Kontrollgremium konservativer Geistlicher.
Zusammenfassung
- Nach dem tödlichen Hubschrauberabsturz im Nordwesten des Irans sind die Leichen des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi, des Außenministers Hossein Amirabdollahian und weiteren Passagieren im Gebirge geborgen worden.
- Am Dienstag begannen die mehrtägigen Trauerfeierlichkeiten.
- Die Islamische Republik könnte in eine innen- und außenpolitische Krise stürzen.
- Insbesondere Amirabdollahian war als Außenminister seit Beginn des Gaza-Krieges verstärkt in die Öffentlichkeit gerückt und hatte zahlreiche Reisen zu Verbündeten unternommen.
- Mangels Alternativen dürfte sich die Suche nach einem Nachfolger für Raisi schwierig gestalten.