"Persönliches Hick-Hack und Statuten": So tief wird in der SPÖ geschossen
Wer solche Parteifreunde hat, braucht keine Feinde mehr. Offenbar ging es im SPÖ-internen Machtkampf zuletzt auch um Doskozils Stimmprobleme. Die Messer fliegen auf Twitter, in Boulvardmedien und neuerdings auch Face-to-Face immer tiefer. Ein PULS 24 Überblick über die jüngsten Entgleisungen und welche Lager sich gegenüberstehen.
"Meine Stimme reicht, um Wahlen zu gewinnen"
"Eine laute Stimme ist in der Politik schon wichtig", soll Wiens Bürgermeister Michael Ludwig "dem Vernehmen nach" in der achtstündigen Krisensitzung am Montag geraunt haben, berichtet die "Kleine Zeitung". Doskozil wollte etwas sagen, soll aber vergessen haben, sein Mikro einzuschalten. Ludwig wird nun eine Anspielung auf Doskozils Stimmprobleme unterstellt.
Der Landeshauptmann aus dem Burgenland dürfte es persönlich genommen haben: "Meine Stimme reicht, um Wahlen zu gewinnen, was man nicht von jedem hier im Raum behaupten kann", soll er gekontert haben. Laut "Kronen Zeitung" soll Ludwig immer wieder gestichelt haben: "Wie war das jetzt? Ich habe es akustisch nicht ganz verstanden."
Nachdem man sich dann doch darauf geeinigt hatte, wie der Führungskampf ablaufen werde - zahlreiche Kandidat:innen werden abgefragt, dann entscheidet aber doch der Parteitag, es gibt keine Stichwahl, wer antreten will, braucht 30 Unterstützungserklärungen, die Abstimmung per Onlinevoting oder Briefwahl leitet die Wahlkommission unter dem Wiener Harry Kopietz - zeigte sich Doskozil unzufrieden.
"Legendenbildung"
Der Burgenländer scheint dem Wahlmodus zu misstrauen. Er sei nicht damit einverstanden, dass das Ergebnis der Mitgliederbefragung automatisiert ausgezählt werde, anstatt diese Aufgabe der Wahlkommission zu überlassen. Außerdem kritisierte er, dass das Ergebnis der Mitgliederbefragung nicht automatisch der Wahlvorschlag für den Sonderparteitag sei. Obwohl er und auch Pamela Rendi-Wagner später ankündigten, dort nicht antreten zu wollen, sollten sie bei der Befragung nicht erster werden.
Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch richtete Doskozil wiederum aus, er solle sich "hüten", "Legendenbildung" zu betreiben. Deutsch unterstellte Doskozil, er schüre Misstrauen am Wahlmodus, um sich als Opfer präsentieren zu können, sollte die Abstimmung nicht so ausgehen, wie er es sich wünsche.
"Ich gehe bis zum Obersten Gerichtshof"
Andreas Babler, Kandidat aus Traiskirchen, ist ebenfalls unzufrieden. Er wünscht sich eine Stichwahl nach der Abstimmung und unterstellt der Bundespartei "machttaktische Überlegungen". Der weitgehend unbekannte Kandidat aus dem Burgenland, Berthold Felber, hält wiederum die 30 Unterstützungserklärungen für "sittenwidrig". Er kritisierte im "Kurier", dass er ja nicht wissen könne, wer aller SPÖ-Mitglied sei. "Ich gehe bis zum Obersten Gerichtshof und wenn mich das 50.000 Euro kosten sollte", sagte er und überlegt scheinbar eine "einstweilige Verfügung" erreichen zu wollen, um die Befragung zu stoppen.
Nikolas Kowall wiederum, der seine Kandidatur schon zurückgezogen hat, verglich seine eigene Partei auf Twitter mit der Serie "House of Cards", in der es um einen intriganten und korrupten US-Präsidenten geht.
https://twitter.com/nikowall_/status/1640641691878039556
Kampf zwischen zwei Lagern
Noch bevor es zum richtigen Showdown kam, hatte Rendi-Wagner Doskozil "Heckenschützenmentalität" vorgeworfen. Dieser wiederum lancierte schon vor geraumer Zeit eine Umfrage, in der abgefragt wurde, wie die Partei unter seiner Führung abschneiden würde.
Umfragen kursieren auch derzeit wieder. Laut dem Medienwatchblog "Kobuk" tragen die SPÖ-Lager ihre Kämpfe auch über die Boulevardmedien "Heute" und "OE24" aus.
Die tiefsten Gräben gibt es zwischen zwei Lagern in der SPÖ: Auf der einen Seite die Bundespartei rund um Deutsch, Doris Bures und Rendi-Wagner, die Wiener Landespartei, die Gewerkschaft und die SPÖ-Frauen. Auf der anderen Seite das burgenländische Lager rund um Hans Peter Doskozil, dem zumindest früher die Tiroler SPÖ um Georg Dornauer zugerechnet wurde, um den es zuletzt aber ruhiger wurde. Die anderen Landesparteien positionierten sich, wenn, dann nur vorsichtig.
"Große verlorene Chance"
Dass der interne Streit nun auf diese Art und Weise geführt wird, bezeichnet die Politikwissenschaftlerin Katrin Praprotnik im Gespräch mit PULS 24 als "große verlorene Chance". Denn inhaltlich gebe es gar nicht so große Unterschiede zwischen den Lagern. Es gehe mehr um strukturelle Dinge, um die Frage, wie man einzelne sozialdemokratische Forderungen umsetzen will. Vor allem gehe es aber um Personen und die Frage, wer glaubwürdig vertreten könne, wofür die Partei steht. Befeuert wurde das durch schlechte Umfragen und Wahlergebnisse.
Die SPÖ habe nun die mediale Aufmerksamkeit, sagt Praprotnik. Statt zu diskutieren, wie man einen Mindestlohn umsetzt, wie man die Teuerung bekämpft, diskutiere man aber über Statuten und Parteitage. Das lasse das Misstrauen und die Gräben zwischen den Lagern nur wachsen. Der Fahrplan sei nun "undurchschaubar" und "unübersichtlich" geworden. Die Chance, sich als moderne, demokratische Partei zu präsentieren, habe man verspielt.
"Persönliches Hick-Hack und Statuten"
Das Prozedere sei nun eher so, wie Doskozil es wollte. Er wollte eine Mitgliederabstimmung, es kommt eine Mitgliederbefragung. Allerdings hat er nicht ein Gegenüber sondern viele. Er könne sich neben weiteren Kandidat:innen schlechter als Wandel verkaufen, könnte sogar als Ursache für die "Querelen der Vergangenheit" gesehen werden.
Rendi-Wagner wiederum hätte sich nur einen Sonderparteitag gewünscht, da sie glaubte, dort konsensfähiger als Doskozil zu sein. Der Parteitag entscheidet nun erst nach der Befragung, eine Stichwahl bleibt Rendi-Wagner erspart. Andreas Babler wiederum habe die "Chance, als lachender Dritter" hervorzugehen. Als neuer Kandidat im Führungskampf könnte er sich als "Schlussstrich" unter dem Streit und als einer aus der Basis verkaufen, so Praprotnik.
Wie die Mitglieder abstimmen, könne man aber nur sehr schwer voraussagen. Fest steht für die Politikwissenschaftlerin derzeit nur, dass die Roten die Debatten auch anders hätten führen können: Die Bekämpfung der Teuerung sei "das Thema", aber es gehe um "persönliches Hick-Hack und Statuten".
Zusammenfassung
- Tiefe Gräben, Misstrauen und Beleidigungen dominieren den SPÖ-internen Machtkampf.
- Offenbar ging es im SPÖ-internen Machtkampf zuletzt auch um Doskozils Stimmprobleme. Die Messer fliegen auf Twitter, in Boulvardmedien und neuerdings auch Face-to-Face immer tiefer.
- Die Partei verspielt damit eine wichtige Chance, analysiert Politikwissenschaftlerin Katrin Praprotnik im Gespräch mit PULS 24.