Artenschutzkonferenz - Alarmierende Zahlen zur Artenvielfalt
Die UNO-Artenschutzkonferenz befindet sich derzeit in der finalen Woche, an der auch Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) teilnimmt. Ziel ist es, weitere konkrete Schritte zur Umsetzung des globalen Naturschutzabkommens von Montreal aus dem Jahr 2022 auszuarbeiten.
Die bisherigen Verhandlungen seien bei Fragen der Finanzierung ins Stocken gekommen. Greenpeace forderte, dass die Finanzierungslücke im Naturschutz geschlossen werden müsse und warnte vor falschen Lösungen wie Biodiversitätskompensationen. "Derzeit verlieren sich die Entsandten in Details. Die Industrielobby propagiert indes falsche Lösungen und verhindert so wirksamen Artenschutz. Damit die Artenschutzkonferenz ein Erfolg wird, müssen die Ministerinnen und Minister genügend Geld auf den Tisch legen und Indigenen und lokalen Gemeinschaften einen direkten Zugang zu diesen Mitteln geben", so Ursula Bittner, Artenschutzexpertin bei Greenpeace.
Durch menschliche Aktivitäten wurden bereits drei Viertel der Erdoberfläche erheblich umgewandelt und zwei Drittel der Ozeane geschädigt, erklärte der Weltrat für Biologische Vielfalt (IPBES). Zwischen 1970 und 2015 verschwanden über ein Drittel der Feuchtgebiete auf den Kontinenten. "Die Bodenverschlechterung durch menschliche Aktivitäten untergräbt das Wohlergehen von mindestens 3,2 Milliarden Menschen", heißt es im jüngsten Bericht des IPBES.
Gleichzeitig wird darin betont, dass der Nutzen einer Wiederherstellung der Böden zehnmal höher wäre als die entsprechenden Kosten. Durch das sogenannte Kunming-Montreal-Abkommen sollten bis 2030 unter anderem 30 Prozent der zerstörten Land-, Binnengewässer-, Meeres- und Küstenökosysteme "wirksam wiederhergestellt" werden. Ob dieses Ziel noch rechtzeitig erreicht werden kann, erscheint angesichts fehlender Umweltschutzzonen mehr als fraglich.
Einem am Montag veröffentlichten Bericht der Datenbank Protected Planet zufolge liegen aktuell nur 17,6 Prozent der Land- und Binnengewässerflächen sowie 8,4 Prozent der Meeres- und Küstengebiete in ausgewiesenen Naturschutzgebieten.
Das bedeute, dass bis 2030 noch eine Landfläche von der Größe Brasiliens und Australiens zusammen sowie eine Meeresfläche, die größer als der Indische Ozean ist, ausgewiesen werden müssen, um das 30-Prozent-Ziel zu erreichen.
Laut IPBES sind etwa eine Million Arten gefährdet. Insekten und Vögel, die Pflanzen bestäuben, gelten dabei als besonders bedroht. Sie sichern die Vermehrung von Pflanzen und erhalten einen Großteil der für die Ernährung der Menschheit wichtigen Gewächse. Laut der "vorsichtigen" Schätzung werden zehn Prozent der vom Aussterben bedrohten Insektenarten, also etwa 600.000, verschwinden.
Korallen, die Raum für viele Lebewesen bilden, sind ebenfalls stark betroffen. Denn die Ozeane werden immer saurer und wärmer. Eine globale Erderwärmung um zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter könnte Korallen nahezu vollständig zum Verschwinden bringen.
Die UNO nennt fünf Ursachen der Biodiversitätskrise. Die sogenannten Fünf Reiter der Apokalypse seien alle durch den Menschen ausgelöst: die Zerstörung von Lebensräumen, der übermäßige Ressourcenabbau und -verbrauch, der Klimawandel, die Umweltverschmutzung und die Verbreitung invasiver Arten. Bis 2050 wird der Klimawandel Experten zufolge wahrscheinlich der hauptsächliche Treiber der Zerstörung der Biodiversität sein.
Insgesamt 55 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, rund 58 Billionen US-Dollar (53,6 Billionen Euro), hängen "in hohem oder moderatem Maße" von der Natur und ihren Leistungen ab, berechnete das Wirtschaftsprüfungsunternehmen PWC. Gleichzeitig verursacht der Verlust der Artenvielfalt Kosten zwischen 1,35 und 3,1 Billionen Euro pro Jahr, schätzt der indische Ökonom Pavan Sukhdev.
Ein Bericht des Earth Track Monitors vom September besagt, dass Subventionen für umweltschädliche Industrien - darunter die Fossilindustrie, Landwirtschaft und Fischerei - mindestens 2,6 Billionen Dollar umfassen, was 2,5 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts entspricht.
Dieser Betrag übersteigt damit bei weitem die Investitionssumme für den Naturschutz, die bei der vergangenen UNO-Artenschutzkonferenz gefordert wurde. Bis 2030 sollten 200 Milliarden Dollar dafür bereitgestellt werden. Ein weiteres Ziel des Kunming-Montreal-Abkommens ist es, umweltschädliche Subventionen und Steuervorteile bis 2030 um "mindestens 500 Milliarden Dollar pro Jahr" zu reduzieren.
Zusammenfassung
- Die UNO-Artenschutzkonferenz in Cali zeigt alarmierende Zahlen: Eine Million Arten sind bedroht, während drei Viertel der Erdoberfläche umgewandelt und zwei Drittel der Ozeane geschädigt wurden.
- Obwohl das Kunming-Montreal-Abkommen bis 2030 die Wiederherstellung von 30 Prozent der Ökosysteme vorsieht, sind derzeit nur 17,6 Prozent der Landflächen und 8,4 Prozent der Meeresgebiete geschützt.
- Der Verlust der Artenvielfalt verursacht jährlich Kosten zwischen 1,35 und 3,1 Billionen Euro, während umweltschädliche Subventionen mindestens 2,6 Billionen Dollar betragen.