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ÖVP-Wahltag: Absturz in die Glückseligkeit

Die ÖVP fährt eine historische Wahlniederlage ein und verliert über 10 Prozentpunkte. Trotzdem übt man sich in Zweckoptimismus. Die nächste Regierungsbeteiligung kommt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.

Ein Jubel, ein weiterer Jubel, Stille und noch ein Jubel. So lässt sich die Achterbahnfahrt der Gefühle in der ÖVP-Parteizentrale in der Lichtenfelsgasse zusammenfassen, als die erste Hochrechnung des ORF den Anhängern und anwesenden Minister:innen präsentiert wird.

Große Freude über das überraschend starke Ergebnis von rund 26 Prozent, Schadenfreude über das schwache Abschneiden des ureigenen Gegners, der SPÖ, Fassungslosigkeit über den Erdrutschsieg der Freiheitlichen und Häme über das Minus des anstrengenden Koalitionspartners, der Grünen.

Der erste Schreck ist wenige Minuten nach den präsentierten Zahlen allerdings schon wieder überwunden. Die Volkspartei hat schnell erkannt, dass es ohne sie in den kommenden fünf Jahren wohl nicht gehen wird. 

Kein Babler, kein Kickl, bitte

FPÖ-Chef Herbert Kickl mag man hier ganz und gar nicht, den sozialdemokratischen Parteiobmann Andreas Babler eigentlich auch nicht. Zweiterer wird allerdings von den meisten anwesenden Parteigängern der Volkspartei als das geringere Übel angesehen. Ein Übel, das, wenn es nach der Einschätzung der Funktionäre und Fans geht, wohl eh bald kein Thema mehr sein wird.

Stocker bleibt dabei: "Keine Koalition mit Kickl"

"Jetzt schlafen wir mal drüber und dann schauma weiter, mit wem bei der SPÖ wir wirklich verhandeln", meint ein junger Mann, der kopfschüttelnd eine TV-Konfrontation zwischen den Klubobleuten verfolgt. Aus seiner Präferenz keinen Hehl macht der niederösterreichische Altlandeshauptmann Erwin Pröll. Im PULS 24 Interview spricht er sich ganz klar für eine Zusammenarbeit mit der SPÖ aus.

Wie stark die Achse zwischen Erwin Pröll und Altbürgermeister Michael Häupl im Jahr 2024 wirklich noch ist, ist nicht klar. 

Pole-Position trotz Absturz

Eines wird bei der Wahlparty der ÖVP auch klar: Die Volkspartei ist der zufriedenste Verlierer des Abends. Zwar sind ein Drittel der Stimmen weg und der erste Platz in weiter Ferne, doch Gefühle sind dann doch stärker als Zahlen. Generalsekretär Christian Stocker erklärt es im rappelvollen Festzelt der Partei so: "Es ist kein Geheimnis, dass wir den ersten Platz erreichen wollten. (…) Jetzt feiern wir trotzdem!"

Als dann auch noch der Parteichef Karl Nehammer das Partyzelt betritt, kippt die Stimmung endgültig ins Ausgelassene. Ein gut gelaunter ÖVP-Chef spricht davon, dass die Volkspartei nicht in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht sei: "Wir haben uns zurückgekämpft!"

Der Weg ins Glück für die ÖVP beinhaltet zwar das Ausklammern der letzten beiden sehr erfolgreichen Wahlen, doch wenn man das heutige Ergebnis mit dem Abschneiden 2013 und den letzten Umfragen vergleicht, dann könnte man in den Augen der anwesenden Funktionäre wohl von einem Erfolg sprechen.

Hinzu kommt die Realpolitik: Keine realistische Koalition wird ohne die ÖVP möglich sein, man wird wohl auch die kommenden fünf Jahre irgendeine Rolle in einer Regierung spielen. Entweder mit der SPÖ (und je nach Endergebnis mit den NEOS) als Kanzlerpartei oder doch als Juniorpartner in FPÖ-ÖVP-Zusammenarbeit. 

Gremien und Abwarten

Wie lange die Volkspartei diesen Sonntag noch gefeiert hat, wird erst am Montag bekannt werden. Wenn die Tische geputzt, die Zelte zusammengefaltet und die Kopfschmerztabletten eingeworfen sind, wird es ans Eingemachte gehen.

Dann tagen wohl zeitig die wichtigsten Gremien und Strategen und außerdem steht die nächste Wahl schon auf dem Programm: Am 13. Oktober wird in Vorarlberg gewählt. ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner hat für den Vormittag schon zu ersten Presseterminen geladen. Zumindest bei der Nationalratswahl konnte man im westlichsten Bundesland der Republik noch den ersten Platz verteidigen.

ribbon Zusammenfassung
  • Die ÖVP fährt eine historische Wahlniederlage ein und verliert über 10 Prozentpunkte.
  • Trotzdem übt man sich in Zweckoptimismus. Die nächste Regierungsbeteiligung kommt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.