Oberstes US-Gericht skeptisch zu Trump-Ausschuss von Vorwahl
"Und es würde auf eine Handvoll Staaten hinauslaufen, die die Präsidentschaftswahlen entscheiden würden", sagte der konservative Oberste Richter John Roberts. "Das wäre eine ziemliche erschreckende Konsequenz."
Trumps Anwalt Jonathan Mitchell argumentierte, dass sich die sogenannte Aufstandsklausel der Verfassung nur auf ernannte und nicht gewählte Amtsträger beziehe. Mitchell sagte außerdem, dass der Kongress erst ein entsprechendes Gesetz verabschieden müsse, damit die Aufstandsklausel in Kraft trete. Die Verfassungsbestimmung besagt sinngemäß, dass niemand ein höheres Amt im Staat bekleiden darf, der sich zuvor als Amtsträger an einem Aufstand gegen den Staat beteiligt hat.
Der Supreme Court befasst sich aufgrund einer Klage Trumps mit der Angelegenheit. Der Ex-Präsident wandte sich an das Höchstgericht, damit es seine Streichung vom Wahlzettel in Colorado aufhebt. Eine ähnliche Entscheidung fällte auch die oberste Wahlaufseherin in Maine. Unter anderem in Michigan und Minnesota scheiterten indes Versuche, Trump zu disqualifizieren. Anderswo laufen noch entsprechende Klagen.
In der Verfassung der USA ist geregelt, wer Präsident werden kann. Die Person muss gebürtiger Staatsbürger sein, mindestens 35 Jahre alt und für mindestens 14 Jahre in den USA gelebt haben. So weit, so eindeutig. Doch dann gibt es da noch das sogenannte Aufstandsverbot im 14. Verfassungszusatz. Es besagt sinngemäß, dass niemand ein höheres Amt im Staat bekleiden darf, der sich zuvor als Amtsträger an einem Aufstand gegen den Staat beteiligt hat. Gegner des Republikaners argumentieren, er habe mit seinem Verhalten rund um den Sturm auf das Kapitol sein Recht verspielt, noch einmal Präsident zu werden.
Die neun Richterinnen und Richter wollten am Donnerstag zunächst die Argumente beider Seiten hören - eine Entscheidung wird es aber erst später geben. Im Dezember hatte das höchste Gericht in Colorado in einem explosiven Urteil entschieden, dass Ex-Präsident Trump sich für die Vorwahl der Republikaner für die Präsidentschaftskandidatur dort disqualifiziert habe. Wegen Trumps Berufung ist das Urteil so lange ausgesetzt, bis die Frage endgültig geklärt ist.
Das Oberste Gericht des Landes gibt sich gern unparteiisch und unbefangen. Vor gut 23 Jahren hat es allerdings schon einmal in einer historischen Entscheidung über den Ausgang einer Präsidentenwahl entschieden. Damals ging es um die Frage, ob die Stimmen im entscheidenden Staat Florida neu ausgezählt werden sollten. Der Supreme Court stoppte die Neuauszählung und machte damit den Republikaner George W. Bush zum Präsidenten, der Demokrat Al Gore verlor. Das Ansehen des Gerichts nahm damals Schaden, es gab viel Kritik. Das Urteil des Supreme Court im Fall Trump dürfte eine ähnliche - vielleicht sogar noch größere - Dimension haben.
Trump hatte während seiner Amtszeit die Möglichkeit, gleich drei Richterposten am Supreme Court neu zu besetzen. Er entschied sich für erzkonservative und tief religiöse Kandidaten und verschob die Mehrheiten am Gericht möglicherweise für Jahrzehnte weit nach rechts. Nur drei der neun Richterinnen und Richter werden dem liberalen Lager zugeordnet. Das Gericht hat in dieser Besetzungskonstellation häufig im Sinne religiöser Kläger entschieden, den Schutz von Minderheiten aufgeweicht und etwa das rund 50 Jahre lang geltende Recht auf Abtreibung aufgehoben. In der Folge hat das Gericht Umfragen nach an Zustimmung in der Bevölkerung verloren. Dennoch entschied es nicht immer Sinne Trumps - etwa als es um die Herausgabe seiner Steuerunterlagen ging.
Im Fall um Trumps Eignung als Präsident gibt es grob drei Fragen zu klären. Die erste ist, ob die Aufstandsklausel in der Verfassung für Präsidenten gilt. Zwar werden in der Passage einige Beispiele für solche höheren Ämter genannt, nicht explizit aufgeführt ist aber das Amt des Präsidenten. Zweitens muss geklärt werden, ob der Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner 2021 als Aufstand zu werten ist. Trumps Anhänger hatten damals den Parlamentssitz in Washington gestürmt. Dort war der Kongress zusammengekommen, um den Sieg des Demokraten Joe Biden über den Amtsinhaber Trump bei der Präsidentenwahl formal zu bestätigen. Trump hatte seine Anhänger zuvor bei einer Rede aufgewiegelt. Sollte dieses Ereignis als Aufstand gewertet werden, müsste drittens geklärt werden, ob Trump sich daran beteiligt hat.
Fachleute gehen allerdings davon aus, dass das Gericht keine dieser Fragen beantworten wird. Denn dafür ist der Fall zu politisch aufgeladen. "Ich denke, es wird ein technisches Urteil geben", sagt der Rechtsprofessor Aaron Tang von der Stanford Universität in Kalifornien im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Das bedeutet, dass der Supreme Court die zentralen Fragen umschiffen würde, um sich nicht politisch angreifbar zu machen. "Man kann sich das wie einen Notausgang vorstellen, als Weg, auf dem der Supreme Court für Trump entscheiden kann, der politisch nicht explosiv ist." Tang geht davon aus, dass das Gericht sich auf Trumps Seite stellen wird.
Tang und andere Juristinnen und Juristen vermuten, dass der Supreme Court die Zuständigkeit für die Frage nach der Eignung als Präsident beim Kongress sehen könnte. Ein mögliches Urteil könnte besagen, dass der US-Kongress erst ein entsprechendes Gesetz verabschieden müsste, bevor die Aufstandsklausel angewendet werden könne. Trumps Gegner argumentieren, dass es für die Anwendung der Verfassung nicht erst ein Gesetz brauche. Und einige Fachleute warnen davor, die Verantwortung in derart polarisierten Zeiten dem Kongress zuzuschieben. Auch Juristen, die im Sinne Trumps beim Supreme Court Stellung bezogen haben, halten wenig von so einer Lösung.
"Ich würde mir wünschen, dass das Gericht eine saubere Lösung findet", sagt etwa der Jurist Josh Blackman bei einer Veranstaltung der konservativen Denkfabrik Heritage Foundation. "Ich denke, eine halbherzige Stellungnahme (...), die es dem Kongress überlässt, ist ein Risiko, bei dem man auch mit Dynamit spielt." Es gibt etliche andere Möglichkeiten, wie das Gericht letztlich urteilen kann. Es könnte Trump auch als geeignet für das Präsidentenamt erklären und sich trotzdem zur Natur des Sturms auf das Kapitol positionieren. Genauso gut könnten die Richterinnen und Richter feststellen, dass die Aufstandsklausel nicht für Präsidenten gilt. So argumentiert zum Beispiel auch Blackman.
Und natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass der Supreme Court entscheidet, dass Trump nicht für das Präsidentenamt geeignet sei. Er könnte dann zwar weiter kandidieren, unter bestimmten juristischen Umständen könnte sein Name vielleicht auch auf dem Wahlzettel stehen. Aber der Republikaner dürfte nicht noch einmal Präsident der USA werden. Expertinnen und Experten gehen davon, dass es absolut unwahrscheinlich ist, dass das Oberste Gericht ein solches Urteil fällen wird. Einige fürchten dann auch politische Gewalt - der Sturm auf das Kapitol hat gezeigt, wie weit Trump und seine Anhänger bereit sind zu gehen. Für Jurist Tang wäre ein solches Urteil eine "weltverändernde Entscheidung".
Zusammenfassung
- Das US-Höchstgericht verhandelt über die Teilnahme des 77-jährigen Donald Trumps an den republikanischen Vorwahlen.
- Trump möchte einen Beschluss aus Colorado kippen, der ihn aufgrund seiner Rolle bei der Attacke auf das Kapitol 2021 für die Vorwahl disqualifiziert hat.
- Es gibt Diskussionen, ob das in der US-Verfassung verankerte Aufstandsverbot, das besagt, dass niemand ein höheres Amt bekleiden darf, der sich zuvor an einem Aufstand beteiligt hat, auf Trump anwendbar ist.
- Während seiner Amtszeit hatte Trump die Möglichkeit, drei Richterposten am Supreme Court neu zu besetzen, was das Gericht möglicherweise für Jahrzehnte weit nach rechts verschoben hat.
- Das Urteil des Supreme Court im Fall Trump könnte eine ähnliche - vielleicht sogar noch größere - Dimension haben wie das Urteil vor gut 23 Jahren, das George W. Bush zum Präsidenten machte.