Novomatic klagt "profil" wegen Berichterstattung
Grund für die Novomatic-Klage ist ein am 12. Juli 2020 veröffentlichter Artikel über Pläne des türkisen Finanzministeriums im Jahr 2018 zu einer Neuorganisation des Glücksspielmarktes. Diese hätten - wie auch SPÖ und NEOS wiederholt skizzierten - der Novomatic wirtschaftlich in die Hände gespielt, so die These. Weil das ÖVP-geführte Finanzministerium im Vorfeld einer Hauptversammlung der Casinos Austria im Juni 2018 auf die Unterstützung des Glücksspielkonzerns angewiesen gewesen sei, um seine Pläne gegen die Interessen der tschechischen Sazka Group durchzusetzen, stellte "profil" die Frage, ob es einen Deal ÖVP-Novomatic gegeben habe. Das bestreitet der Glücksspielkonzern vehement.
Für Novomatic-Anwalt Peter Zöchbauer begründe aber allein die Fragestellung einen unzulässigen Verdacht, wie es laut "profil" in der Klage heißt. Novomatic fordert daher Unterlassung, Widerruf sowie eine Zahlung von 50.000 Euro nebst vier Prozent Zinsen. Der Glücksspielkonzern hatte zuvor auch schon SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer wegen Kreditschädigung geklagt, weil dieser in einer Aussendung von einem "schmutzigen Deal" der Novomatic mit der ÖVP sprach.
Krainer wiederum brachte vergangene Woche eine Anzeige unter anderem gegen Finanzminister Gernot Blümel, dessen Vorgänger Hartwig Löger (beide ÖVP) und den Chef der die Beteiligungen der Republik an börsennotierten Unternehmen verwaltenden ÖBAG, Thomas Schmid, sowie gegen Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann und den Leiter der Novomatic-Rechtsabteilung, Alexander Legat, wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs, der Falschaussage und der Bestechlichkeit ein. Der U-Ausschuss sei im Besitz von Unterlagen, die eine "enge Abstimmung" zwischen den Akteuren des Finanzministeriums und der Novomatic vor der Hauptversammlung im Jahr 2018 belegen würden.
Neu aufgetauchte Akten deuten unterdessen auf widersprüchliche Aussagen in der Befragung von OMV-Chef Rainer Seele im Ibiza-Untersuchungsausschuss hin. Am 16. September verneinte er dort laut stenografischem Protokoll (unter Wahrheitspflicht) die Frage, ob er sich im Zusammenhang mit einem Gasfeld-Betrieb in Russland, an dem die OMV beteiligt ist, aktiv an die heimische Regierungsspitze gewandt habe. Akten, die dem ORF, "profil" und "Standard" vorliegen, deuten aber nun genau darauf hin.
Seele hatte im Ausschuss die Frage des SPÖ-Abgeordneten Kai Jan Krainer, ob er sich im Zusammenhang mit dem Betrieb des Gasfeldes an den damaligen Finanzminister Hartwig Löger, Bundeskanzler Sebastian Kurz (beide ÖVP) oder den damals neuen ÖBAG-Chef Thomas Schmid gewandt hat, klar mit "Nein" beantwortet. Und: "Wir hatten in Russland keine Problem, dementsprechend musste ich mich auch an niemanden wenden."
Die Akten, die den drei Medien vorliegen, weisen allerdings auf das Gegenteil hin. Sie sollen zeigen, dass die OMV bei hochrangigen türkisen Regierungsmitgliedern lobbyiert hat - mit dem Ziel, eine Ausnahme von einer neuen russischen Bodenschatzsteuer - der sogenannten Mineral Extraction Tax (MET) - zu erwirken. Diese soll der OMV laut deren internen Kalkulationen einen "finanziellen Nachteil im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich" beschert haben.
Konkret geht es dabei um ein Engagement der OMV im westsibirischen Gasfeld "Juschno-Russkoje". Ende 2017 hatte sich der börsennotierte Konzern mit 24,99 Prozent in die Betreibergesellschaft eingekauft. Das Joint Venture mit den Energiekonzernen Wintershall Dea (Deutschland) und Gazprom (Russland) soll laut "profil" 1,72 Mrd. Euro schwer gewesen sein. Auf diese Steuer angesprochen sagte Seele im Ausschuss: "Die Steuerprobleme in Russland können wir bestimmt nicht in Österreich lösen."
In einem den drei Medien vorliegenden E-Mail vom 3. April 2019 an ÖBAG-Chef Schmid spricht eine hochrangige OMV-Mitarbeiterin allerdings von Gesprächen zu diesem Thema - diese sollen zwischen Kurz, Löger, Schmid und Seele stattgefunden haben: "Lieber Thomas, wie zwischen HBK, HBM Löger, Dir und Rainer Seele besprochen haben wir einen Entwurf erstellt für eine gemeinsame Erklärung zwischen Österreich und Russland. Zweck des Dokuments: die Mineral Extraction Tax für uns in Russland zu deckeln."
Laut den Berichten wurden derartige Gespräche im Finanzministerium bestritten: "Das BMF hat diesbezüglich keine Verhandlungen geführt. Daher gibt es auch keine gemeinsame Absichtserklärung", zitiert der "Standard" Ministeriumssprecher Johannes Pasquali. Gegenüber der APA betonte Pasquali zudem, dass es ja auch keinen Abschluss gegeben habe.
Doch laut "Standard" gehe aus den Akten hervor, dass im Kabinett Löger Mitte Mai 2019 eine "finale Version" eines Abkommens zwischen Österreich und Russland eingegangen sei. Die Unterzeichnung sei für Anfang Juni geplant gewesen, doch dann kam das Ibiza-Video samt Ende der ÖVP-FPÖ-Regierung dazwischen. In der Übergangsregierung soll dann der ÖVP-nahe Finanzminister Eduard Müller die Pläne fortgeführt haben. Laut dem Bericht existiert ein Briefverkehr mit dem russischen Energieministerium, das schreibt, man sei bereit, "die besten Tätigkeitsbedingungen für die ausländischen Investoren in Russland zu schaffen".
Das Finanzministerium bat dann laut den Berichten die ÖBAG, einen Antwortentwurf zu schreiben. In einem offiziellen Antwortbrief Müllers vom Dezember 2019 hieß es dann laut den Akten: "Wir hoffen sehr, dass die russische Regierung ehestmöglich Gespräche zur Unterzeichnung der bilateralen Erklärung (...) aufnimmt, damit die großen steuerlichen Herausforderungen für die OMV (...) vermindert und damit die Attraktivität des Investitionsstandortes Russland für die OMV gestärkt werden kann." Zustande gekommen seien die Steuererleichterungen aber nie, so die Berichte.
Seitens der OMV gab es laut "Standard", "profil" und ORF keinen Kommentar zu den nun aufgetauchten Akten, die laut den Berichten vom Finanzministerium selbst an den U-Ausschuss übermittelt wurden. Auch aus dem Kanzleramt hieß es laut "profil" und "Standard", man bekomme "permanent Mails und Anfragen von Interessensvertretern. In die vorliegende Korrespondenz waren wir nicht direkt involviert, sondern sie ist offensichtlich an das BMF adressiert. Wenn es im Interesse der Allgemeinheit ist und dem Standort Österreich hilft, setzen wir uns gerne für Unternehmen im Ausland ein. Für das im E-Mail zitierte Thema haben wir keine weiteren Hintergrundinformationen."
Zusammenfassung
- Der Glücksspielkonzern Novomatic hat beim Handelsgericht Wien eine Klage gegen das Nachrichtenmagazin "profil" im Zusammenhang mit dessen Berichterstattung über den Ibiza-Untersuchungsausschuss eingebracht.
- Wie "profil" in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, fordert der Glücksspielkonzern Unterlassung, Widerruf sowie eine Zahlung von 50.000 Euro nebst vier Prozent Zinsen.
- Zustande gekommen seien die Steuererleichterungen aber nie, so die Berichte.