Teilnehmer an der Demonstration gegen Abschiebungen "Lasst sie bleiben! Let Them Stay!" am Samstag, 26. November 2016APA/GEORG HOCHMUTH

NGO-Kritik am Weltflüchtlingstag: "Jammerei beenden und ins Tun kommen"

Mehrere NGOs haben anlässlich des Weltflüchtlingstags an die türkis-grüne Bundesregierung und insbesondere an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) appelliert, "die Jammerei zu beenden und endlich ins Tun zu kommen".

Seitens der Zivilgesellschaft lägen genügend Vorschläge auf dem Tisch, diese müssten nur umgesetzt werden. Dringender Handlungsbedarf bestehe etwa beim Teuerungsausgleich für Quartiergeber von Ukraine-Flüchtlingen.

Auch brauche es Vorschläge, wie es mit den Flüchtenden aus der Ukraine weiter gehen soll, wenn der temporäre Schutz im kommenden Jahr endet, betonte Lukas Gahleitner-Gertz von der "asylkoordination österreich", der gleichzeitig das zivilgesellschaftliche Engagement hervorhob. Etwa würden 70 Prozent der aus der Ukraine Geflüchteten nach wie vor privat untergebracht. "Die Quartiergeber brauchen staatliche Unterstützung, bekommen sie aber nicht."

Statt "Abschiebe-Rhetorik, Symbolpolitik und das Bauen von Luftschlössern" seien dringend Maßnahmen nötig, so der Appell der gemeinsamen Pressekonferenz von Amnesty International, asylkoordination österreich, Diakonie, SOS Balkanroute, Train of Hope und Volkshilfe. Es sei "absurd", dass die Zivilgesellschaft das "Systemversagen" der Regierung "im großen Stil" kompensieren müsse, kritisierte Nina Andresen (Train of Hope). Es hätten nämlich nur dank der Freiwilligen Versorgungsstrukturen aufgebaut und aufrecht erhalten werden könne. "Ohne Zivilgesellschaft wäre die Versorgung der Ukraine-Vertriebenen deutlich schlechter gelungen."

Sozialhilfe für Ukraine-Flüchtlinge

Für Christoph Riedl von der Diakonie sollten die Ukraine-Flüchtlinge in die Sozialhilfe transferiert werden. Denn die Grundversorgung sei für eine dauerhafte Unterbringung nicht geeignet und sollte einen gewissen Zeitraum nicht überschreiten. Überhaupt gehört das System der Grundversorgung "total" reformiert, findet Riedl.

Caritas-Direktor Schwertner über Flucht und was man dagegen tun kann

Darüber hinaus brauche es einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge, argumentierte wiederum Silvia Zechmeister (Volkshilfe): "Bei unserem Fachkräftemangel ein Gebot der Stunde." Derzeit sei dies nur in Ausnahmefällen erlaubt. Weil viele der Asylwerber "extrem traumatisiert" seien, sei auch der Ausbau von psychosozialen Einrichtungen dringend nötig, so Zechmeister. Und im ländlichen Bereich müssten Bildungsmöglichkeiten und Sprachkurse ausgebaut werden.

Kinderrechte

Eine angemessene Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen "ab dem ersten Tag", verlangte Stephan Handl von Amnesty International. Österreich sei das Land in dem die meisten unbegleiteten Kinder Asyl beantragen. Vier von fünf würden einen Aufnahmestatus hierzulande erhalten und könnten bleiben, so Handl: "Das Problem ist, die meisten, die ankommen, schaffen es nicht bis zu dem Punkt." Über 80 Prozent würden wieder verschwinden. "Niemand weiß, was mit diesen Kindern passiert." Das sei eine "menschenrechtliche Bankrotterklärung".

Heftige Kritik an Grenzpolitik

Scharfe Kritik an der Bundesregierung und an der EU übte der Obmann der SOS Balkanroute, Petar Rosandić. Jeder wisse mittlerweile, dass die EU-Außengrenze eine "rechtsfreie Zone" sei. Die jüngste Schiffstragödie sei ein Beispiel dafür. Dass gemeinsam etwas bewirkt werden könne, zeige jedoch der aktuelle Erfolg der Verhinderung des "illegalen Flüchtlingslagers Lipa bei Bihać in Bosnien, erbaut von der ÖVP-nahen Organisation ICMPD mit Sitz in Wien". Dort habe man Menschen ohne Urteil und Rechtsgrundlage einsperren wollen.

Die Verhinderung des illegalen Gefängnisses sei eine "bitternotwendige Watsche" gewesen, "nicht nur für die neokoloniale Westbalkanpolitik der Bundesregierung sondern auch für die gesamte Externalisierungspolitik der EU", sagte Rosandić. Kritik übte er daran, dass das ICMPD nun versuche, seine NGO und ihn mit "Slapp-Klagen mundtot zu machen".

ribbon Zusammenfassung
  • Mehrere NGOs haben anlässlich des Weltflüchtlingstags an die türkis-grüne Bundesregierung und insbesondere an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) appelliert, "die Jammerei zu beenden und endlich ins Tun zu kommen".
  • Seitens der Zivilgesellschaft lägen genügend Vorschläge auf dem Tisch, diese müssten nur umgesetzt werden. Dringender Handlungsbedarf bestehe etwa beim Teuerungsausgleich für Quartiergeber von Ukraine-Flüchtlingen.