Kohlenberger: EU-Migrationspakt könnte zu mehr Migration führen
Migrationsexpertin Judith Kohlenberger erklärt im Interview mit PULS 24 Anchorwoman Nina Flori die möglichen Konsequenzen der vom EU-Parlament beschlossenen Reform.
Die Reform würde zu spät ansetzen. "Die Ursachen, die Fluchtursachen, die Gründe, warum sich Menschen auf den Weg machen, die werden von dieser Reform nicht angegangen." Dass die Zahl der Asylanträge gesenkt wird, glaubt Kohlenberger nicht.
Druck durch Schlepper
Die "Schlepperindustrie" könne mit dem Pakt Druck ausüben - dann käme es zu "jetzt oder nie"-Schüben an den EU-Außengrenzen. Zuletzt gab es einen derartigen Anstieg vor dem gescheiterten Flüchtlingsabkommen mit Tunesien im Jahr 2023.
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Die geplanten Lager vor den Außengrenzen sieht Kohlenberger als "haftähnlich" - in den Anhaltezentren würde ein Stau drohen. Die Menschen würden sich dann eher in Richtung Nord- oder Westeuropa aufmachen.
Keine Hilfe
Herkunftsländer hätten häufig kein Interesse daran, die eigenen Staatsangehörigen zurückzunehmen, weil diese Geld aus dem Ausland schicken würde.
"Und umgekehrt, es gibt ja doch nicht wenig Menschen, die nach Europa kommen, die einen Schutzbedarf haben, der dann auch in der Einzelfallprüfung festgestellt wird, weil sie eben vor politischer Verfolgung beispielsweise im Heimatland fliehen. Und wie man diesen Menschen helfen möchte, ... und verhindern will, dass sie sich nicht auf diese gefährliche Reise machen, sondern dass sie sichere Fluchtrouten zur Verfügung haben, das klammert dieser Reform großteils aus."
PULS 24 Reporterin Manuela Szinovatz berichtet aus Brüssel
Zwei Jahre hat sich die Europäische Union für die Umsetzung des Pakts Zeit gegeben. Am Mittwoch wurde über die einzelnen Passagen des Pakts abgestimmt, klar sei das Ergebnis nicht gewesen. So sahen die rechten Parteien im EU-Parlament den Pakt als zahnlos an und auch die Grünen stimmten nicht für den Pakt.
EU-Asylreform beschlossen: "Großer Schritt, aber müssen weiterarbeiten"
Sorge um politische Mitte
Othmar Karas hingegen, aktuell Vizepräsident des Europäischen Parlaments, steht dem Pakt positiv gegenüber. Er sieht die EU-Asylreform als "wichtigen Schritt". Karas tritt im Juni bei der EU-Wahl nicht an. Er sorgt sich um die Parteien der Mitte, die Lösungen anstreben.
"Keine Lösung hilft denen, die keine Lösung wollen", so Karas. Ihm mache diese gesellschaftspolitische Entwicklung politische Sorgen, weil es um die Qualität der liberalen parlamentarischen Demokratien geht.
Waitz: EU-Migrationspakt "folgt nicht Rechtsstaatlichkeitsprinzipen und Menschenrechten"
Der Grüne EU-Parlamentsabgeordnete Thomas Waitz sieht das Thema Migration nationalpolitisch missbraucht. Es bräuchte für ein wirkliches gemeinsames europäisches Asyl- und Migrationspaket eine europäische Zuständigkeit, sowie Finanzierung und Kontrollmöglichkeiten. Die Grundrechte der EU müssten gewahrt werden.
Zusammenfassung
- Das EU-Parlament beschloss am Mittwoch den jahrelang verhandelten Migrationspakt.
- Die Reform könnte, so wie der gescheiterte Deal mit Tunesien im Jahr 2023, einen Anstieg der Asylanträge in der EU verursachen.
- Politiker und eine Expertin sehen, dass das polarisierende Thema für nationale Wahlkämpfe genützt werde.