Mehr als 90 bewaffnete Palästinenser im Gazastreifen getötet
In die an Ägypten grenzende Stadt Rafah sind seit Beginn der israelischen Militäroffensive im Gazastreifen mehr als 1,4 Million Menschen geflüchtet. Die israelische Armee bereitet dort nach eigenen Angaben eine Bodenoffensive vor, um die "letzten verbliebenen Hamas-Bastionen" zu zerstören und dort vermutete Geiseln zu befreien. Genaue Angaben darüber, wie und wann Zivilisten evakuiert werden sollen, machte die Regierung am Montag nicht.
Netanyahu hat wiederholt erklärt, trotz internationaler Kritik an der geplanten Bodenoffensive festzuhalten. "Anfang nächster Woche werde ich das Kabinett einberufen, um den Einsatzplänen für Rafah zuzustimmen, einschließlich der Evakuierung der Zivilbevölkerung", erklärte der Ministerpräsident am Wochenende. Beobachter warnen vor verheerenden Folgen einer Bodenoffensive für die Zivilbevölkerung.
Darunter ist auch UNO-Generalsekretär António Guterres: "Eine umfassende israelische Offensive auf die Stadt wäre nicht nur schrecklich für die mehr als eine Million palästinensische Zivilisten, die dort Schutz suchen, sondern würde auch den letzten Nagel in den Sarg unserer Hilfsprogramme schlagen", sagte er am Montag eindringlich in Genf zum Auftakt der Frühjahrssitzung des UNO-Menschenrechtsrates.
Er verurteilte die Terroranschläge extremistischer Palästinenser in Israel vom 7. Oktober und die militärische Reaktion Israels darauf. Nichts könne das Töten, Verletzen, Foltern und Entführen von Zivilisten und den Einsatz von sexueller Gewalt rechtfertigen, sagte er. "Und nichts kann die kollektive Bestrafung des palästinensischen Volkes rechtfertigen", sagte Guterres.
Israel hat auf die Terroranschläge mit umfassenden militärischen Angriffen im Gazastreifen reagiert, um extremistische Strukturen zu zerstören. Hunderttausende Menschen sind vor den Bomben und Angriffen und der weitreichenden Zerstörung geflohen und haben im Grenzort Rafah im Süden des Küstengebiets Zuflucht gesucht. Ungeachtet heftiger Kritik will Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu an einer geplanten Offensive in der Stadt Rafah festhalten. Es sei unmöglich, sein Kriegsziel der Eliminierung der Hamas zu erreichen, wenn vier Hamas-Bataillone in Rafah verblieben, betonte der Regierungschef immer wieder.
In einem Interview mit dem US-Fernsehsender CBS betonte Netanyahu am Sonntag, eine mögliche Einigung auf einer Feuerpause mit der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas werde einen solchen Militäreinsatz "etwas verzögern, aber es wird geschehen". Er sagte: "Es muss getan werden, denn der vollständige Sieg ist unser Ziel, und der vollständige Sieg ist in greifbarer Nähe - nicht erst in Monaten, sondern in einigen Wochen, wenn wir mit der Operation beginnen."
Die Vermittlungsbemühungen Ägypten, Katars und der USA für eine erneute Feuerpause im Gazastreifen laufen auf Hochtouren. Laut einem ägyptischen Medienbericht wurden am Sonntag Gespräche in Doha geführt, bei denen auch Vertreter der israelischen Regierung und der Hamas anwesend waren. Vermittler haben die Hoffnung geäußert, dass eine vorübergehende Feuerpause und die Freilassung von Geiseln noch vor Beginn des Ramadan am 10. oder 11. März erreicht werden könnte.
Der Gazakrieg war durch den Großangriff der von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgelöst worden. Islamistische Kämpfer verübten dabei Gräueltaten überwiegend an Zivilisten. Israelischen Angaben zufolge wurden etwa 1.160 Menschen getötet und rund 250 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
130 Geiseln befinden sich israelischen Angaben nach noch in dem Palästinensergebiet, 31 von ihnen sind demnach tot. Die israelische Armee bestätigte am Sonntag den Tod eines 19-jährigen Soldaten, der bereits am Tag des Angriffs getötet wurde und dessen Leiche sich nach wie vor im Gazastreifen befindet.
Als Reaktion auf den Hamas-Angriff geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor, erklärtes Ziel ist die Zerstörung der Hamas. Nach jüngsten Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden in dem Palästinensergebiet inzwischen mindestens 29.782 Palästinenser getötet. 70.043 Palästinenser seien zudem seither in dem Küstengebiet verletzt worden, hieß es am Montag. Allein in den vergangenen 24 Stunden seien 90 Palästinenser bei israelischen Angriffen getötet und 164 verletzt worden. In der Stadt Gaza wurden laut Hamas-Angaben in der Nacht auf Montag 15 Mitglieder einer Familie getötet.
Zusammenfassung
- Israel entsendet Delegation nach Doha, um Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln zu führen, die von der Hamas festgehalten werden.
- In israelischen Städten protestieren Tausende für die Freilassung der Geiseln und gegen die Regierung; bei Zusammenstößen mit der Polizei gibt es 21 Festnahmen und Verletzte.
- Trotz internationaler Kritik und laufender Verhandlungen plant Premierminister Netanyahu eine Militäroffensive in Rafah, wo 1,5 Millionen Palästinenser leben.