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Ukraine-Sondergipfel

"Frieden durch Stärke": Auftakt zur neuen, starken EU?

Heute, 14:09 · Lesedauer 5 min

Die EU-Staats- und Regierungschefs sind am Donnerstag in Brüssel zu einem Sondergipfel zusammengekommen, um weitere Unterstützung für die Ukraine zu beschließen. Donald Trump hat die US-Unterstützung jüngst eingefroren. Zudem soll die gemeinsame europäische Aufrüstung beschlossen werden. Die Kommission plädiert für ein 800 Milliarden Euro teures Paket.

Eine freie, souveräne Ukraine sei im Interesse Europas und der USA, betonte Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) am Donnerstag beim EU-Sondergipfel in Brüssel. Stocker bekräftigte außerdem die Bedeutung guter transatlantischer Beziehungen; diese seien sowohl im Interesse Europas als auch der USA.

Europa stehe einer echten Gefahr gegenüber, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Hinblick auf Russland. "Wir wollen Frieden durch Stärke." Deshalb habe sie auch den Vorschlag für eine Aufrüstung Europas im Umfang von bis zu 800 Milliarden Euro vorgelegt. Es sei wichtig, "so lange es notwendig ist", zur Ukraine zu stehen.

Selenskyj bedankte sich bei der EU  im Namen der ukrainischen Nation seine Wertschätzung für die Unterstützung Europas. "Es ist großartig, dass wir nicht alleine sind. Danke für alles."

Auf "X" schrieb er nach seiner Abreise: "Luftverteidigung, Waffen und Munition für die Ukraine, rechtzeitige Lieferungen, Stärkung der ukrainischen Rüstungsindustrie, EU-Beitrittsverhandlungen, die Notwendigkeit, den Sanktionsdruck auf Russland zu erhöhen und der Umgehung von Sanktionen entgegenzuwirken - all dies gehörte zu den Themen, die wir heute behandelt haben."

Stocker traf Selenskyj und habe ihm laut eigenen Angaben Österreichs Bemühungen um einen gerechten und nachhaltigen Frieden versichert. 

Auch habe der Kanzler betont, dass es keine Verhandlungen über die Ukraine ohne die Ukraine und über europäische Sicherheit ohne Europa geben dürfe. Stocker habe auch auf das bisherige große humanitäre Engagement für die Ukraine verwiesen und zugesichert, dass Österreich verlässlich an der Seite der Ukraine und ihrer Menschen stehen werde.

Österreich plant 2 Prozent des BIP in Verteidigung

Im Regierungsprogramm von Türkis-Rot-Pink ist das Ziel festgeschrieben, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in die Verteidigung zu investieren. Angesichts der schwierigen budgetären Lage kein einfaches Unterfangen, gibt der Bundeskanzler zu.

Stocker betonte in Brüssel auch Österreichs Neutralität. Man habe in der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU aber auf "dieser Basis unsere Rolle eingenommen". Details nannte er noch keine. 

Die EU-Kommission will 800 Milliarden Euro für die Aufrüstung mobilisieren, um militärisch von Dritten wie den USA unabhängiger zu werden und gegen neue Gefahren gewappnet zu sein. "Wir werden die Vorschläge der Kommission besprechen und ich gehe davon aus, dass wir uns für den besten entscheiden", so Stocker.

Stocker: Österreich steht zur Solidarität in Europa

Macron bietet Nuklear-Schirm an, Scholz skeptisch

Angesichts des Kurswechsels in der US-Außenpolitik hat der französische Präsident Emmanuel Macron angeboten, mit französischen Atomwaffen auch andere europäische Länder zu schützen.

Der scheidende deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich bei einer Pressekonferenz dazu eher skeptisch. Auf eine dahingehende Frage verwies er auf das bestehende NATO-System der nuklearen Abschreckung, das auf den Atomwaffen der USA basiert.

Scholz: "Ukraine braucht weiterhin unsere Unterstützung"

"Und ich glaube, das soll nicht aufgegeben werden, ist die gemeinsame Auffassung aller zentralen Parteien in Deutschland", so Scholz. Deutschland hat selbst keine Atomwaffen, seine Kampfjets sind aber auch für US-amerikanische Atomwaffen geeignet. Das wäre ein wichtiges Kriterium für künftige gesamteuropäische Rüstungsbeschaffungen.

Sein Nachfolger Friedrich Merz (CDU) hatte kurz vor der Bundestagswahl im ZDF-Morgenmagazin gesagt, man müsse mit den europäischen Atommächten Großbritannien und Frankreich über nukleare Teilhabe oder zumindest nukleare Sicherheit reden. 

Selenskyj bedankt sich für die Unterstützung

Frankreich will seine ohnehin bereits aufgestockten Rüstungsausgaben generell weiter erhöhen. Das Verteidigungsbudget müsse von jährlich derzeit 50,5 Milliarden auf 90 Milliarden Euro aufgestockt werden, sagte Frankreichs Verteidigungsminister Sébastien Lecornu dem Sender France Inter. 

Moskau spottet über Frankreich, lehnt Waffenruhe ab

Moskau reagierte auf entsprechende Aussagen Macrons mit einem Hitler-Vergleich und Spott: Der russische Außenminister Sergej Lawrow meine, dass Macron im Unterschied zu seinen Vorgängern Napoleon und Hitler, die auch mit Russland hätten kämpfen wollen, nicht sehr adrett handle. Französische Atomwaffen gegen die russische Bedrohung bezeichnete wiederum Lawrow als Bedrohung für Russland. 

Russland teilte am Donnerstag außerdem mit, eine vorübergehende Waffenruhe in der Ukraine abzulehnen. Der vor allem von Kiew und Paris unterbreitete Vorschlag einer einmonatigen Unterbrechung der Angriffe aus der Luft und auf See sei "absolut inakzeptabel", sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. "Feste Vereinbarungen für eine endgültige Einigung sind nötig", sagte sie.

Widerstand gegen das 800-Milliarden-Paket ist aus Ungarn und der Slowakei zu erwarten. Laut Diplomaten ist noch offen, ob die Erklärung von allen 27 EU-Staaten beschlossen wird oder als Erklärung der anderen 26 Staaten.

Zusammenfassung
  • Die EU-Staats- und Regierungschefs sind Donnerstag in Brüssel zu einem Sondergipfel zusammengekommen, um weitere Unterstützung für die Ukraine zu beschließen.
  • Zudem soll die gemeinsame europäische Aufrüstung beschlossen werden. Die Kommission plädiert für ein 800 Milliarden Euro teures Paket.
  • Österreich sei bereit seinen Beitrag zu leisten, die Neutralität bleibe aber aufrecht, betonte ÖVP-Kanzler Christian Stocker.
  • Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bot im Vorfeld an, den französischen Nuklearschirm auch auf andere Lädner auszubreiten.