Karmasin-Prozess: "So sind wir nicht? – Naja, ein bisschen halt schon"
Ex-Familienministerin Sophie Karmasin steht vor Gericht und sieht sich als "nicht schuldig". Über ihre Argumentation vor Gericht sagt Journalistin Anneliese Rohrer in "WildUmstritten": "Mit welcher intellektuellen Kapazität wird man Regierungsmitglied? Kann man dann wirklich hergehen und sagen 'ich war zu naiv' oder 'das hab' ich alles nicht gewusst'?"
Klima für Politiker härter
"Ich find's gut, dass man in Österreich mittlerweile so weit ist, dass sich auch Minister verantworten müssen", sieht Politik- und Kommunikationsberater Robert Willacker das Gute am Prozess. Vor ein paar Jahren hätte man beim Telekom-Prozess noch "Werbeagenturen und Pressesprecher durch die Manege getrieben". "Das war alles mein Pressesprecher" hätte damals vor Gericht als Verteidigung gereicht.
Rohrer sieht ein "Qualitätsproblem" und ein "politisches Handwerksproblem" bei Politikern. Dass ein Finanzminister sagte, er kenne sich mit Steuersachen nicht aus, verstöre sie. Die Journalistin glaubt, dass auch das in der Bevölkerung zu Vertrauensverlust in die Politik führt. Es fehle an "Integrität und politischem Anstand".
Politiker müssen zu Taten stehen
Klima-Aktivistin Lena Schilling fordert ein, dass Entscheidungsträger zu ihren Taten stehen sollen. Mit ihrem Amt übernehmen sie auch Verantwortung. Deshalb ist Schilling froh über das Bekanntwerden der Ibiza-Affäre. Österreich sei knapp daran vorbeigeschrammt, dass "die alle weitermachen hätten können".
Österreich, sagte Willacker, sei "über Jahrzehnte das Eigentum von Rot und Schwarz" gewesen, die sich die Republik untereinander aufgeteilt hätten. Dass nun die Überraschung über Postenschacher und Polit-Korruptions so groß sei, überrasche ihn. Der Bundespräsident sage "so sind wir nicht". Willacker meint aber: "Naja, ein bisschen schon."
Bevölkerung profitiert von Korruption
Dem stimmt auch Rohrer zu und sieht das Problem nicht nur bei den Politikern. Die ganze Bevölkerung profitiere davon. "Es kann einem Gutteil der österreichischen Bevölkerung nichts Schlimmeres passieren als ein Anti-Korruptions-Klima in unserem Land. Die Zivilgesellschaft muss sich ihrer Verantwortung bewusst sein, dass wir dieses System seit Jahrzehnten toleriert haben."
Willacker gibt allerdings zu: "Deutschland ist nicht besser, Österreich ist nur deutlich unterhaltsamer." Worauf Rohrer ergänzt: "Weil wir eine ausgeprägte Schlawiner-Mentalität haben." Lena Schilling sieht nur eine Lösung: Lückenlose Aufklärung der Fälle, keine Schlupflöcher zulassen und das breite Bewusstsein, was Politik zu tun habe.
Zusammenfassung
- Journalistin Anneliese Rohrer, Politikberater Robert Willacker und Klimaaktivistin Lena Schilling sehen Korruption bei Österreichs Entscheidungsträgern, aber auch die Bevölkerung profitiere davon, weshalb es so schwer sei, etwas zu ändern.
- Rohrer bemängelt bei "WildUmstritten" die Qualität der Politiker, wenn sie vor Gericht argumentieren, sie seien zu naiv gewesen und fordert mehr Integrität.