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Thanatopraxie ermöglicht offene Aufbahrung des Papstes

Heute, 09:11 · Lesedauer 4 min

Tausende Menschen defilieren vor dem Leichnam von Papstes Franziskus im Petersdom. Für Katholiken ist die Möglichkeit, sich vom toten Papst zu verabschieden, nicht nur ein Ritual, sondern auch eine Geste der Dankbarkeit. Damit die Gläubigen den Papst ein letztes Mal sehen können, wird im Vatikan auf Thanatopraxie zurückgegriffen, eine im Bestattungswesen bekannte Praxis, die die ästhetisch und hygienisch einwandfreie Aufbahrung eines Verstorbenen im offenen Sarg ermöglicht.

Die Thanatopraxie ist eine Technik der Leichenkonservierung, die hauptsächlich bei der öffentlichen Zurschaustellung von Verstorbenen angewendet wird. Das Verfahren, das in Italien zuletzt durch ein Gesetz aus dem Jahr 2022 geregelt wurde, ist eine moderne Variante der Einbalsamierung. Zu den Aufgabengebieten der Thanatopraxie zählt die Wiederherstellung des ästhetischen Erscheinungsbildes des Verstorbenen durch spezielle Kosmetik oder Rekonstruktion, besonders dann, wenn der Körper durch Krankheit oder außergewöhnlich schnelle Verwesung entstellt ist.

Die Praxis ermöglicht die Verzögerung der Verwesung des Leichnams durch Konservierungstechniken. Dabei wird das Blut durch einen verwesungshemmenden Wirkstoff ersetzt, der meist auf Formalin basiert. Ausführende sind Bestatter, die zusätzlich qualifizierte Thanatopraktiker sind. Bei mit offenem Sarg aufgebahrten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, wie z. B. Päpsten, ist die Thanatopraxie unerlässlich, damit die Gläubigen dem Verstorbenen auf würdige Weise die letzte Ehre erweisen können. Thanatopraxie ist keine Mumifizierung.

Die Behandlung des Leichnams des Pontifex hat nichts Antikes oder Exotisches an sich. Es geht nicht darum, den Körper zu entleeren oder für die Ewigkeit zu konservieren, wie es die Ägypter taten, sondern um ein modernes, respektvolles Verfahren. Ziel der Behandlung ist nicht, eine Reliquie zu schaffen, sondern dem Verstorbenen einige Tage lang ein würdiges und ruhiges Aussehen zu verleihen, lange genug, damit die Welt von ihm Abschied nehmen kann.

Nach dem Tod von Papst Franziskus am Ostermontag wurde sein Körper der Thanatopraxie unterzogen, um ihn für die öffentliche Zurschaustellung im Petersdom vorzubereiten. Die Behandlung wurde nach strengen Protokollen und unter Einhaltung der italienischen und vatikanischen Vorschriften durchgeführt, die den Einsatz invasiver Techniken verbieten.

Dank der Thanatopraxie kann der Leichnam von Papst Franziskus bis vor dem Begräbnis am Samstag im offenen Sarg bleiben. Die Anwendung der Thanatopraxie oder ähnlicher Techniken ist in der Geschichte der katholischen Kirche nicht neu. Im Laufe der Jahrhunderte wurden Päpste häufig konserviert, sowohl aus religiösen als auch aus praktischen Gründen, die mit der langen Dauer der Beerdigungszeremonien zusammenhängen.

Einbalsamierung wurde früher bei Päpsten angewandt

Vor der Einführung der modernen Thanatopraxie wurde die traditionelle Einbalsamierung angewandt, ein viel invasiveres Verfahren, das die Entfernung der inneren Organe und die Verwendung von Substanzen wie Formalin oder Alkohol vorsah. Heute werden respektvollere und weniger aggressive Behandlungen bevorzugt. Das Ziel bleibt jedoch dasselbe: Es soll sichergestellt werden, dass der Leichnam des Papstes so lange wie nötig ausgestellt werden kann, damit zahlreiche Gläubige ihm die letzte Ehre erweisen können.

Einige Beobachter haben einen auffälligen Bluterguss im Gesicht von Papst Franziskus bemerkt, der während der öffentlichen Enthüllung des Leichnams sichtbar war. Dabei handelt es sich möglicherweise um eine Hautblutung (Ekchymose), ein Phänomen, das auf natürliche Weise nach dem Tod auftreten kann, insbesondere wenn der Körper vor der Thanatopraxie in einer bestimmten Weise bewegt oder gelagert wurde. Solche Zeichen sind laut Experten nicht ungewöhnlich und deuten nicht auf Gewalt oder traumatische Situationen hin, sondern sind in der Regel das Ergebnis normaler biologischer Prozesse, wie z.B. Blutstagnation im Gewebe. Thanatopraktiker können dies mit dem richtigen Make-up abdecken.

Konservierung des Leichnams von Pius XII. ging dramatisch schief

Einer der dramatischsten Fälle in der Geschichte der postmortalen Behandlung von Päpsten ist jener von Pius XII. Als er 1958 starb, wurde sein Leichnam von seinem Leibarzt Riccardo Galeazzi-Lizzi einer "neuartigen" Form der Einbalsamierung unterzogen - mit katastrophalen Folgen. Laut zahlreichen Zeugenaussagen wurde die Behandlung mittels einer experimentellen Technik, unter der Verwendung ungeeigneter Chemikalien durchgeführt. Das Ergebnis war eine beschleunigte Zersetzung des Körpers des Pontifex, die sich bereits nach wenigen Stunden bemerkbar machte: Die Haut schwoll an und wurde schwarz; der Gestank wurde bald so durchdringend, dass einige Schweizergardisten in Ohnmacht fielen. Schließlich platzte der Leichnam regelrecht auf. Dieser Vorfall brachte den Vatikan in große Verlegenheit und markierte einen Wendepunkt im Umgang mit päpstlichen Leichen.

Der Fall Pius XII. wird noch heute als Beispiel dafür angeführt, was passieren kann, wenn die Techniken nicht korrekt ausgeführt werden. Aus diesem Grund wurde mit der Entwicklung der modernen Thanatopraxie beschlossen, die Behandlungen nur Fachleuten anzuvertrauen und wissenschaftlich bestätigte Protokolle zu verwenden.

(Von Micaela Taroni/APA)

Zusammenfassung
  • Der Leichnam von Papst Franziskus wird im Petersdom aufgebahrt, damit Gläubige Abschied nehmen können.
  • Thanatopraxie, eine moderne Form der Einbalsamierung, wird angewendet, um den Leichnam ästhetisch und hygienisch einwandfrei zu präsentieren.
  • Das Verfahren ersetzt das Blut durch Formalin, um die Verwesung zu verzögern, und wird nur von qualifizierten Fachleuten durchgeführt.
  • Ein auffälliger Bluterguss im Gesicht des Papstes ist auf natürliche postmortale Prozesse zurückzuführen.
  • Der Fall von Pius XII. zeigt die Risiken unsachgemäßer Einbalsamierung, was zur Entwicklung moderner Techniken führte.