Israels Bodenoffensive traf die Hisbollah im Libanon schwer
Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hatte die Hisbollah begonnen Israels Norden mit Raketen zu beschießen. Israel reagierte mit Drohnenangriffen und Artilleriebeschuss im Südlibanon. In der Nacht auf den 1. Oktober 2024 startete die israelische Armee eine Bodenoperation, um die schiitische Miliz hinter den Litani-Fluss zurückzudrängen.
Seit dem Libanon-Krieg davor, von 2006, gibt es eine Resolution des UNO-Sicherheitsrats, die eine Entmilitarisierung des Gebiets von der libanesisch-israelischen Grenze bis zum rund 30 Kilometer nördlichen Fluss Litani vorsieht. Allerdings war die libanesische Armee nie in der Lage, die Hisbollah aus dem Grenzgebiet zu verdrängen. Im Südlibanon haben die Schiiten einen hohen Bevölkerungsanteil und dementsprechend die Hisbollah, die Ende 1982 von den Iranischen Revolutionsgarden als Reaktion auf den Einmarsch Israels im Südlibanon gegründet worden war, einen hohen Zuspruch.
Mit der jüngsten Bodenoffensive, den ständigen Drohnen- und Bombenangriffen, sowie den zeitgleichen Explosionen von Pagern und Walkie-Talkies von Hisbollah-Mitgliedern war es Israel gelungen, die Hisbollah stark zu schwächen. Die israelische Armee gab am 28. November 2024, einen Tag nach Inkrafttreten des Waffenstillstands bekannt, dass rund 3.500 Hisbollah-Mitglieder getötet und etwa 4.000 weitere kampfunfähig gemacht worden seien. Dennoch soll die Schiitenmiliz laut israelischer Armee die Hälfte ihrer militärischen Kapazitäten erhalten haben.
In Al-Bazouriyah, dem Herkunftsort von Nasrallah mit rund 20.000 Einwohnern, ist die Hisbollah jedenfalls noch sehr präsent. Überall sind Fahnen und Plakate der islamistisch-schiitischen Partei zu sehen. Die überkonfessionelle libanesische Hilfsorganisation Amel, die während des libanesischen Bürgerkriegs 1979 als Reaktion auf die zweite Invasion der israelischen Armee im Südlibanon gegründet worden war, betreibt hier ein Gesundheitszentrum. "Unser Center soll ein 'safe space' sein", erzählt Zeina Mohanna, die Tochter des Gründers von Amel und Mitglied im Verwaltungsrat der Hilfsorganisation.
Etwa 1.500 Amel-Mitarbeiter versorgen rund 250.000 Patienten pro Monat im Libanon. "Wir versuchen in unseren Programmen soziale und religiöse Durchmischung sicherzustellen, sowie Jugend und Frauen zu stärken", erklärt Mohanna der APA beim Besuch einer Caritas-Delegation. In Al-Bazouriyah sei das erste Primärgesundheitsversorgungszentrum der Amel im Libanon gegründet worden, rund 1.000 Patienten würden hier pro Monat versorgt, erzählt die Amel-Mitarbeiterin Raza. Mittlerweile betreibe Amel, ein enger Kooperationspartner der Caritas im Libanon, 32 der insgesamt 350 Gesundheitszentren in dem seit Jahren von Krisen geplagten Land.
Die Caritas selbst führt in Sin el-Fil, einem nördlichen Vorort von Beirut, ein um einiges größeres Primärversorgungszentrum. Hier kümmern sich 18 Ärzte mit fünf verschiedenen Spezialisierungen um rund 200 Patienten am Tag. Die Patienten bekommen hier die Behandlungen fast gratis. Pro Konsultation müssen sie vier bis fünf US-Dollar statt der sonst üblichen 50 Dollar bezahlen, das libanesische Pfund wird aufgrund der hohen Inflation nur äußerst selten verwendet. Dies wird von der Bevölkerung gerne angenommen, denn aufgrund der Wirtschaftskrise zahlt die Sozialversicherung im Libanon nur einen geringen Teil der Behandlungskosten. "Die Mittelschicht wurde durch die Finanzkrise und den Krieg zu Unterschicht", sagt Chefkrankenschwester Ruba.
Herkunftsort Nasrallahs von israelischen Angriffen schwer betroffen
In Al-Bazouriyah lobt der Bürgermeister die Hilfsorganisation Amel vor dem Besuch aus Österreich. "Sie helfen uns viele der Auswirkungen durch Angriffe des Feinds Israel zu bewältigen", sagt er. Etwa 28 Familien von Vertriebenen leben zur Zeit im Ort. Zu Beginn des Krieges seien es 52 Familien gewesen, erzählt der Bürgermeister. Neun Menschen aus dem Ort seien aufgrund der israelischen Angriffe gestorben.
So erzählt Fatime, dass sie wegen einer Operation in Beirut war, als der Krieg mit Israel ausgebrochen sei. Als Israel angekündigt hatte, dass Al-Bazouriyah bombardiert werde, seien die meisten Einwohner geflohen. Nur ihr 50-jähriger Mann und ihr 23-jähriger Sohn seien bei den betagten Schwiegereltern im Haus geblieben, sagt Fatime. Die beiden starben durch die Bombardierung, die Schwiegereltern überlebten hingegen.
Mohammed Jafar Haidar saß beim Frühstück, als die israelischen Raketen einschlugen. "Wegen der vielen Drohnen habe ich mich nicht mehr aus dem Haus getraut", erzählt er. Viele Autos und Motorräder seien beschossen worden. Die dagebliebenen Leute in Al-Bazouriyah seien über zwei Monate in der Stadt gefangen gewesen, die Lebensmittel seien schon knapp geworden. Von Kommunikationsmitteln sei man abgeschnitten gewesen, auch Strom habe es keinen gegeben, berichtet er. Wegen der vielen Drohnen konnten manche Leichenteile erst nach Tagen geborgen werden. Auch jetzt nach dem Waffenstillstand gebe es immer noch Drohnenangriffe, betont Haidar.
Psycho-soziale Betreuung hilft Traumata des Kriegs zu überwinden
Amel betreibt außerdem noch ein Bildungszentrum in Al-Bazouriyah. So erzählt die zwölfjährige Tabarek aus Deir ez-Zor in Syrien, dass sie zunächst in einer öffentlichen Schule im Libanon gewesen sei. Nachdem sie dort das Gefühl hatte, dass sie nichts mehr lernen würde, habe sie die Schule verlassen. Nun ist sie froh, in der Bildungseinrichtung von Amel untergekommen zu sein. Hier habe sie psycho-soziale Unterstützung erhalten. Ihr Ziel sei es, Friseurin zu werden und einmal viel Geld zu verdienen. Nach dem Ende des syrischen Bürgerkriegs reisten Tabareks Eltern nach Deir-ez-Zor in Syrien, erzählt sie. Sie seien dann aber wieder in den Libanon zurückgekehrt, weil es in Syrien keine Arbeit gegeben habe, alles sehr teuer und die Schulen viel schlechter seien.
"Der Schulbesuch bedeutet für Kinder in Krisen einen Weg aus der Armut und auch Schutz. Schulen und Safe Spaces geben Kindern ein Gefühl von Normalität und Routine, sie schützen sie vor Missbrauch, Vernachlässigung, Ausbeutung und Gewalt und schaffen ein sicheres, förderliches Umfeld", betont Alexander Bodmann, Vizedirektor der Caritas Österreich beim Besuch in Al-Bazouriyah.
Aber auch erwachsene Frauen werden in der Bildungseinrichtung von Amel unterrichtet. So erzählt Houda, dass sie über Social Media von dem Programm erfahren habe und gemeinsam mit ihrer Tochter am Nachmittag hier Unterricht nimmt. Das Angebot wird gut angenommen, immerhin können die Frauen dem schwierigen Alltag in einer konfliktreichen Region zumindest für einige Stunden pro Tag entkommen. So erzählt Diyana, am Anfang sei es schwierig für sie gewesen wieder mit dem Lernen zu beginnen, aber: "Das Programm hilft mir mit den Traumata des Krieges umzugehen."
(Von Martin Hanser/APA)
Zusammenfassung
- Hassan Nasrallah, der langjährige Anführer der Hisbollah, wurde fünf Monate nach seinem Tod von 400.000 Menschen in Beirut beerdigt.
- Die israelische Bodenoffensive hat die Hisbollah stark geschwächt, wobei 3.500 Mitglieder getötet und 4.000 kampfunfähig gemacht wurden.
- In Al-Bazouriyah, dem Herkunftsort Nasrallahs, sind viele Menschen von den israelischen Angriffen betroffen, wobei neun Einwohner getötet wurden.
- Die libanesische Hilfsorganisation Amel versorgt mit 1.500 Mitarbeitern monatlich 250.000 Patienten im Libanon und bietet psycho-soziale Unterstützung.
- Die Caritas betreibt Gesundheitszentren, in denen Behandlungen fast gratis angeboten werden, um die finanziell belastete Bevölkerung zu unterstützen.