IKG "mehr als besorgt" wegen Rechtsextremen
Und vieles aus Deutschland komme zeitversetzt nach Österreich, warnte der IKG-Präsident am Freitag nach der Zeremonie an der Namensmauer in Wien zum Gedenken an die Opfer des Holocaust, an der auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Integrationsministerin Susanne Raab (beide ÖVP), der israelische Botschafter David Roet sowie Vertreter von Grünen, SPÖ und NEOS und Vertreter der Minderheit der Roma teilnahmen. Gerade in dieser Zeit nach dem blutigen Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober sei es wichtig, an den Holocaust zu erinnern und die Menschen damit zu konfrontieren, betonte Deutsch. In Bezug auf die guten Umfragewerte der FPÖ vor der nächsten Nationalratswahl zeigte sich der IKG-Präsident unter Verweis auf die zahlreichen "Einzelfälle" zuversichtlich, dass die österreichischen Wähler am Ende des Tages sicher die richtige Entscheidung treffen würden.
Nationalratspräsident Sobotka bezeichnete die "ungeheure Zunahme des Antisemitismus" seit dem 7. Oktober als die größte Bedrohung derzeit. Ziel müsse es sein, vor allem durch Bildung "dieser Geisel der Menschheit" von rechts wie von links entgegenzutreten. In Bezug auf rechtsextreme Umtriebe wie bei dem Geheimtreffen in Deutschland, an dem auch der frühere Kopf der österreichischen Identitären teilgenommen hatte, zeigte sich Sobotka überzeugt, dass die Polizei die Lage in Österreich "gut im Griff" habe.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen erinnerte in einer Stellungnahme zum Holocaust-Gedenktag an die "immerwährende Verantwortung, strikt und entschieden und aus tiefster Überzeugung gegen jede Form von Antisemitismus aufzutreten". Dies dürfe nicht nur am internationalen Holocaust-Gedenktag geschen, sondern jeden Tag, mahnte Van der Bellen. "Gerade jetzt, wo Feinde unserer offenen Gesellschaft, Feinde der liberalen Demokratie, mehr und mehr Aufwind bekommen, gerade jetzt dürfen wir Antisemitismus, Hetze und Hass nicht gleichgültig gegenüberstehen - wir müssen uns entschieden entgegenstellen", so der Bundespräsident.
Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) verwies auf die "besondere historische Verantwortung" Österreichs, das die "dunkelsten Kapitel unserer Geschichte niemals vergessen" werde. Den Kampf gegen jede Form von Antisemitismus bezeichnete er als "gesamtgesellschaftliche Verantwortung". Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), die an einer Gedenkveranstaltung im International Holocaust Museum in Washington teilnahm, zeigte sich ebenfalls besorgt über den steigenden Antisemitismus, dem es entschlossen entgegenzutreten gelte. Innenminister Gerhard Karner besuchte unterdessen gemeinsam mit der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP) die beiden ehemaligen Außenlager des Konzentrationslagers Mauthausen in Melk und Gunskirchen.
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) mahnte eine "klare Haltung und ein gemeinsames und uneingeschränktes Bekenntnis zu Demokratie und Menschenrechten" als "unabdingbares Gebot der Stunde" ein. "Denn `Nie wieder ist jetzt ́", so Kogler, der dazu aufrief gegen Hass und Hetze, gegen Antisemitismus und Rassismus aufzustehen.
Ähnlich äußerte sich SPÖ-Chef Andreas Babler: "Erinnern und Gedenken heißt aufzustehen und den Anfängen zu wehren", erklärte er in einer Aussendung und warnte vor einer Regierungsbeteiligung der FPÖ. Es gehe heute darum, "zu verhindern, dass Menschen an die Macht kommen, die Umsturzpläne hegen, rassistische und antisemitische Ideologien verbreiten, politische Gegner auf 'Fahndungslisten' setzen und mit Rechtsextremen paktieren, wie es FPÖ-Kickl macht".
Von dieser kam am Freitag ebenfalls ein Plädoyer dafür, für Freiheit, eine stabile lebendige Demokratie und eine friedliche Zukunft einzustehen. "Untrennbar vom Gedenken an die mehr als sechs Millionen ermordeten Juden und alle anderen Opfer des verbrecherischen NS-Regimes sind Sensibilität wie auch hohe Wachsamkeit gegenüber jeglichen totalitären und antidemokratischen Entwicklungen sowie die dringende Notwendigkeit, dann eindeutig, laut und unaufhörlich Stellung zu beziehen, wenn Freiheit und Menschenwürde bedroht oder attackiert werden", sagte FPÖ-Chef Herbert Kickl laut einer Aussendung.
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sprach von "einer fundamentalen Verantwortung", für die Sicherheit und Freiheit von Jüdinnen und Juden weltweit einzustehen. "Heute mehr denn je. Niemals wieder ist Auftrag, ist Verantwortung, ist jetzt."
Vertreter der österreichischen Roma riefen Politik und Zivilgesellschaft zum Holocaust-Gedenktag dazu auf, "wachsam gegen jegliche Art von antidemokratischen und menschenfeindlichen Tendenzen" zu sein. "Auschwitz darf nie wieder geschehen", so Andreas Sarközi vom Kulturverein österreichischer Roma.
Die Zeugen Jehovas erinnerten anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktages am Freitag in einer Aussendung an die NS-Opfer aus den eigenen Reihen. Besonders wolle man in diesem Jahr den Fokus auf die die verfolgten Kinder richten, "die ihren Eltern oft gewaltsam entrissen und zur Umerziehung in NS-Erziehungsanstalten gebracht wurden".
Die jährliche Gedenkzeremonie der IKG fand diesmal bereits einen Tag vor dem internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Jänner statt, weil dieser heute auf einen Shabbat fällt. Am Samstagabend organisiert das Bündnis "JetztZeichenSetzen" eine Gedenkkundgebung für die in der Shoah ermordeten Jüdinnen und Juden, sowie die ermordeten Roma und Sinti am Heldenplatz. Vor 79 Jahren - am 27. Jänner 1945 - hatte die Rote Armee die Überlebenden des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau befreit. Die Nazis hatten dort mehr als eine Million Menschen ermordet.
Zusammenfassung
- Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), äußert sich besorgt über ein Treffen von Rechtsextremen, bei dem über die Vertreibung von Millionen Menschen ausländischer Herkunft diskutiert wurde.
- Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka bezeichnet die Zunahme des Antisemitismus als größte Bedrohung und betont die Rolle der Bildung im Kampf dagegen.
- Die jährliche Gedenkzeremonie der IKG fand einen Tag vor dem 79. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau statt, wo die Nazis mehr als eine Million Menschen ermordet hatten.