APA/EXPA/ JOHANN GRODER

Glettler hält Papst-Verzicht für "durchaus möglich"

06. Apr. 2025 · Lesedauer 5 min

Innsbrucks Diözesanbischof Hermann Glettler hält einen Amtsverzicht von Papst Franziskus infolge dessen Gesundheitszustandes in absehbarer Zeit für "durchaus möglich". "Ohne mutmaßen zu wollen, aber: Franziskus klebt mit Sicherheit nicht an seinem Amt", sagte Glettler im APA-Interview. Falls er für die Nachfolge von Kardinal Christoph Schönborn als Erzbischof von Wien auserwählt werde, würde er "ja sagen". Dennoch: "Ich wäre froh, wenn jemand anderer Erzbischof wird."

"Papst Benedikt XVI. hat es vorgezeigt, dass auch ein Papst zurücktreten kann. Das war ein kirchenhistorisch einmaliger Akt", erinnerte Glettler an Benedikts Amtsverzicht im Februar 2013. Er glaube jedenfalls, dass sich der Papst noch ein bestimmtes Ziel gesetzt habe, das er noch erfüllen wolle. Franziskus läge vor allem die Mission am Herzen, "den inneren und äußeren Kulturwandel der Kirche in Richtung einer authentischen Synodalität voranzutreiben", so der Innsbrucker Bischof. Dass der Papst diesbezüglich voll Tatendrang sei, bestätige die vor Kurzem angekündigte Weiterführung des synodalen Prozesses bis 2028. Dafür werfe sich Franziskus "selbst nochmals mit ganzer Leidenschaft in die Waagschale", resümierte Glettler.

Trotz der schweren Krankheit des 88-jährigen Papstes herrsche aber "hundertprozentig kein Stillstand" in der römisch-katholischen Weltkirche, unterstrich der Diözesanbischof: "Weder gibt es einen Stillstand, noch ist sie führungslos. Der Papst hat die Fäden in der Hand." Franziskus sei "eine Integrationsfigur von Weltformat und ein verlässlicher Anwalt für die Ärmsten": "Ich bin überzeugt, dass die prophetische Kraft und die im Glauben begründete Menschlichkeit, für die Franziskus steht, gerade jetzt von unschätzbarem Wert ist."

Der 60-jährige gebürtige Steirer wird indes immer wieder als ein aussichtsreicher Kandidat für höhere Weihen, konkret für die Nachfolge des mittlerweile pensionierten Schönborn gehandelt. So soll er etwa auf einem Dreiervorschlag des Nuntius stehen. "Ich versuche, diese Frage nicht zu meiner zu machen. Ich wäre froh, wenn es jemand anderer wird. Ich würde ungern weggehen aus Tirol", meinte Glettler dazu. Aber sollte er vom Papst zum Erzbischof von Wien ernannt bzw. gefragt werden, würde er "ja sagen." Hält er einen Verbleib in Innsbruck oder einen Wechsel nach Wien für wahrscheinlicher? "Ich halte es eher für wahrscheinlich, dass ich weiter hier sein werde."

Schönborn-Nachfolger "längst fällig"

Angesichts des bereits sehr langen Wissens um Schönborns Abgang sei es "relativ unprofessionell", dass die Klärung der Nachfolgefrage so lange dauere. "Ich hoffe, dass bis zum Sommer eine Entscheidung fällt, die längst fällig ist", fand Glettler deutliche Worte. Dass der zukünftige Erzbischof gleichzeitig auch zum Kardinal ernannt wird, hält der Innsbrucker Bischof für ausgesprochen unwahrscheinlich: "Ziemlich sicher nicht." Die Strategie des Papstes sei es, "die weltkirchliche Dimension der Kirche zu stärken", so Glettler, "und nicht jede europäische Hauptstadt mit einem Kardinal zu versorgen."

Sorge bereitet Glettler, wenn er an die Relevanz der katholischen Kirche und des Glaubens in Österreich und Europa denkt. Und auch an die Mitgliederzahlen, die im Gegensatz zu allen anderen Erdteilen, in denen die Kirche "boomt", signifikant abnahmen. "Viele wissen nicht mehr, worum es eigentlich im christlichen Glauben geht", konstatierte der seit 2017 in Innsbruck tätige Bischof. Gleichzeitig orte er aber auch "ein zunehmendes Interesse an Spiritualität in einer Zeit großer Verunsicherung".

"Spirituelle Erneuerung der Kirche notwendig"

Vor allem gehe es dem Innsbrucker Bischof um eine spirituelle Erneuerung der Kirche, sodass "die Freude des Glaubens und seine soziale Kraft von Neuem erfahrbar wird". Eine Religion, die nur "als ein Dekor zu einem saturierten, bürgerlichen Leben hinzukäme", würde wohl "auf Dauer niemanden begeistern". Kirche werde reüssieren, "wenn sie es ernst nimmt, mit den Menschen unterwegs zu sein": "Sich fragen: 'Wo sind jene, die an den Rand gedrängt sind oder übersehen werden.' Das ist die Linie des Papstes." "Drei Grundlinien" müssten beachtet werden: Eine "nachvollziehbare mystische Dimension des Glaubens" und zugleich ein klares, soziales Engagement mit einem Herz bei den Armen. Ebenso wichtig sei eine Investition in Bildung. "Dann wird die Kirche lebensrelevant", zeigte sich Glettler überzeugt.

Gegen Zölibat-Abschaffung, aber "offen für beides"

In der Debatte über die Sinnhaftigkeit des Zölibats blieb Glettler zurückhaltend. Einer "gänzlichen Aufhebung" wolle er keinesfalls das Wort reden, könne sich "jedoch beides vorstellen, also sowohl zölibatär lebende Geistliche, als auch verheiratete Priester". Papst Franziskus habe in dieser Frage auch Offenheit signalisiert. Der Diözesanbischof betonte, dass es in den mit Rom unierten Ostkirchen, so zum Beispiel in der griechisch-katholischen Kirche, ohnehin schon verheiratete Priester gebe. Die Betroffenen müssten sich vor der Priesterweihe für ihre persönliche Lebensform entscheiden. Auch das bereits vor Jahren "deutlich formulierte Anliegen", Frauen für das Diakonat zuzulassen, erneuerte Glettler.

"Mehr Sorgen wegen leerer Kirchen als voller Moscheen", "nicht Islam bekämpfen"

In der Migrationsdebatte mahnte der Bischof einen "Verzicht auf gefährliche Pauschalurteile" ein. Die Gefahr einer generellen Islamisierung Europas sehe er nicht, teile aber die Sorge über "die verheerende Zunahme islamistischer Hassprediger im Netz". Speziell für nicht integrierte Jugendliche würden diese "ein hohes Verführungspotenzial darstellen". Zugleich warnte Glettler aber davor, "im Zuge der Abwehr islamistischer Strömungen einen allgemeinen Kampf gegen den Islam auszurufen". Neben Anstrengungen um mehr Sicherheit und polizeiliche Überwachung sei auch der "Aufbau menschlicher Beziehungen und solidarischer Netzwerke entscheidend", so der Bischof. "Scharf abzulehnen" sei in jedem Fall ein "politisierter Islam", der die Trennung von Religion und Staat nicht akzeptiere. Generell gelte jedenfalls auch: "Mehr Sorgen habe ich wegen leerer Kirchen als voller Moscheen."

Ostern "ein Fest der Hoffnung, das niemanden ausschließt"

An all die kritischen Entwicklungen unserer Zeit müsse auch zu Ostern gedacht werden, das für den Diözesanbischof die "Überwindung alle Bösartigkeit durch den Kreuzestod Jesu" bedeute. Das zentrale Fest der Christenheit sei "ein Fest der Hoffnung, das niemanden ausschließt".

Zusammenfassung
  • Bischof Hermann Glettler hält einen Amtsverzicht von Papst Franziskus aufgrund seines Gesundheitszustands für möglich.
  • Papst Franziskus, 88 Jahre alt, konzentriert sich auf die Förderung der Synodalität und zeigt keinen Stillstand in der Kirche.
  • Glettler wird als möglicher Nachfolger von Kardinal Schönborn gehandelt, zieht jedoch einen Verbleib in Innsbruck vor.
  • Die Nachfolgefrage für Kardinal Schönborn sollte laut Glettler bald geklärt werden.
  • Glettler sieht die Relevanz der katholischen Kirche in Europa schwinden und betont die Notwendigkeit einer spirituellen Erneuerung.