Gemeinderat debattierte Wiener Rechnungsabschluss für 2022
Laut Hanke wurde statt dem budgetierten Defizit von 1,4 Mrd. Euro ein positiver Nettofinanzierungssaldo von 305 Mio. Euro erzielt. 245 Mio. Euro flossen in die Darlehenstilgung. Der aktuelle Schuldenstand beträgt 8,8 Mrd. Euro, die Schuldenquote 8,7 Prozent. Die Rücklagen der Stadt belaufen sich laut Rechnungsabschluss auf 1,9 Mrd. Euro.
Der Stadtrat hob in seiner Rede hervor, dass auch 2022 "alles andere als ein leicht" war. Die vergangenen Jahre seien seit Beginn der Corona-Pandemie im Zeichen mehrerer Krisen gestanden. Man habe jedoch nicht abgewartet und gezaudert, sondern auf die Situation reagiert. "Never let a good crisis go to waste" zitierte Hanke an dieser Stelle einen Satz, der Winston Churhill zugeschrieben wird. Man habe die Krise nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Die Erfahrungswerte, die man bei der Krisenbekämpfung gewonnen habe, werde man wohl weiter brauchen, prophezeite der Stadtrat - mit Verweis auf den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine bzw. die Situation in Russland nach der jüngsten Revolte. Es sei möglich, dass hier "noch einiges mehr" bevorstehe, wenn man sich die Entwicklung der vergangenen Tage ansehe.
Der Rechnungsabschluss zeige, wie schnell sich die Welt drehen könne. Man habe das noch während des Lockdowns beschlossene erste Doppelbudget der Stadtgeschichte vorsichtig strukturiert. "Die Erwartungen wurden klar übertroffen", freute sich Hanke. Die anziehende Konjunktur habe zu Einnahmen auf neuem Niveau geführt. Laut dem Stadtrat trugen vor allem Geldflüsse aus dem allgemeinen Steuertopf - also die Ertragsanteile - mit einem Plus von einer knappen Milliarde Euro zur Entwicklung bei. Doch auch bei der Kommunalsteuer wurde ein Zuwachs von 94 Mio. Euro verzeichnet.
Hanke warnte aber auch vor überzogenen Erwartungen. 2022 seid das erste Inflationsjahr für den öffentlichen Haushalts gewesen - mit hohen Einnahmen. Die erhöhten Ausgaben würden erst später kommen, bedingt etwa durch hohe Lohnabschlüsse oder teurere Energie. Die "Ausgabendynamik" werde eine andere werden, vor allem in Bereichen wie Gesundheit, Pflege, Bildung oder Soziales. Darauf müsse etwa auch der neue Finanzausgleich reagieren, forderte er.
Verwiesen wurde aber auch auf geplante weitere Unterstützungen bzw. Preisreduktionen. Man werde etwa die Wien Energie "nicht aus ihrer Pflicht herauslassen". Die Ergebnisse dort seien sehr gut, man werde darum für Kundinnen und Kunden ein Entlastungspaket auflegen.
Auch NEOS-Klubchefin Bettina Emmerling erinnerte daran, dass man mitten in der Corona-Pandemie budgetiert habe. Die Erwartungen seien durch die Erholung der Konjunktur übertroffen worden. Man habe "souverän durch diese Phase manövriert", hielt sie fest. Zugleich seien viele Unterstützungsleistungen für die Wienerinnen und Wiener auf den Weg gebracht worden. Emmerling verwies etwa auf das kostenlose Mittagessen in Ganztagesschulen.
Die Entwicklung des Budgets biete Spielraum für Entlastungsmaßnahmen. Denn die Teuerung sei die größte Herausforderung gewesen, "und wird sie leider in den nächsten Jahren noch sein", mutmaßte Emmerling.
Die Opposition teilte die Freude über den Rechnungsabschluss nicht. FPÖ-Chef Dominik Nepp ortete etwa eine "Märchenstunde" des Stadtrats. Der Nettofinanzierungssaldo sei nämlich nicht der Gewinn, erläuterte er. Stelle man Einnahmen und Ausgaben gegenüber, ergebe sich ein Minus von 4,8 Mrd. Euro. In der Privatwirtschaft würde man sich bei einer solchen Präsentation fragen, welcher "Volltrottel" das ist, der solche Zahlen referiere, vermutete Nepp.
Grünen-Chef Peter Kraus konstatierte, dass in der Stadt vieles "unglaublich gut" laufe. Dies sei ein Verdienst der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die großartiges leisten würden. Es stelle sich aber auch die Frage, was bei den Wienerinnen und Wienern von den Ausgaben ankomme. Auch wenn so viel investiert worden sei wie noch nie zuvor, seien zu Beginn des Schuljahres in manchen Klassen keine Lehrer gestanden.
Auch die "ausgedünnten" Intervalle bei den Öffis und der Personalmangel in den Spitälern deute darauf hin, dass hier etwas nicht in Ordnung sei. "Nur Geld ausgeben allein reicht nicht." Es werde auch weiterhin zu viel in fossile Projekte investiert, befand Kraus. Zudem habe die Wien Energie die Preise mehr als verdoppelt, in Oberösterreich sei das nicht gemacht worden, gab er zu bedenken. Dort hat Landesrat Stefan Kaineder (Grüne) betont, Anträge zu Preiserhöhungen für Fernwärme über der Inflationsrate ablehnen zu wollen.
ÖVP-Landesparteiobmann Karl Mahrer befand, man könne den Rechnungsabschluss in einem Satz zusammenfassen: "Trotz Rekordeinnahmen haben es SPÖ und NEOS nicht geschafft, vernünftig zu wirtschaften." Es werde weiter sorglos mit Steuergeld umgegangen, kritisierte er. Die Wien Energie sei dafür ein gutes Beispiel. Mahrer verwies auf deren Liquiditätskrise im vergangenen Sommer. Wenn die Wien Energie das Geschäftsmodell nicht ändere, sei die Versorgungssicherheit durchaus in Gefahr, so seine Prognose.
Zerpflückt wurde auch der Schuldenstand. Dieser ist laut Mahrer in den vergangenen Jahren massiv angestiegen - vor allem wenn man die Unternehmungen der Stadt dazuzählt. 2010 seien etwa noch 5,9 Mio. Euro hier verzeichnet worden. Inzwischen würden die Schulden 11,5 Mrd. Euro betragen. Dies sei der Beweis, dass die Stadt nicht wirtschaften könne, zeigte sich der VP-Chef überzeugt.
Zusammenfassung
- Im Wiener Rathaus ist am Dienstag der Auftakt zur zweitägigen Debatte des Wiener Rechnungsabschlusses für das Jahr 2022 erfolgt.
- Laut Hanke wurde statt dem budgetierten Defizit von 1,4 Mrd. Euro ein positiver Nettofinanzierungssaldo von 305 Mio. Euro erzielt.
- Die Rücklagen der Stadt belaufen sich laut Rechnungsabschluss auf 1,9 Mrd. Euro.
- Man werde etwa die Wien Energie "nicht aus ihrer Pflicht herauslassen".
- Zerpflückt wurde auch der Schuldenstand.