Fiskalrat sieht "nicht gerechtfertigte" Defizite bis 2027
Für 2023 erwartet der Fiskalrat laut seinem "Bericht über die öffentlichen Finanzen 2022 bis 2027" ein Defizit von 2,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP), das bis 2027 auf nur 1,9 Prozent sinken werde. Zwar sei die budgetäre Belastung durch krisenbedingte Maßnahmen rückläufig, bleibe aber dennoch weiterhin hoch, heißt es laut der Prognose. Eine stärkere Verbesserung des Budgetsaldos bis 2027 werde durch zusätzliche Ausgaben im Bereich Landesverteidigung, Klimaschutz, Pflege und Gesundheit verhindert. Außerdem gehe die Einnahmendynamik durch die Abschaffung der kalten Progression und durch die die ökosoziale Steuerreform (in Kombination mit einem verhaltenen realen BIP-Wachstum) zurück.
Das Budgetdefizit, das 2020 laut Fiskalrat noch bei einem Minus von 8,0 Prozent des BIP lag, verkleinerte sich demnach 2021 auf 5,8 Prozent des BIP und 2022 auf 3,5 Prozent. In den fünf Jahren von 2023 bis 2027 sieht der Rat hingegen nur eine langsame Verbesserung von -2,5 auf -1,9 Prozent. Zum Vergleich: Im Vorkrisenjahr 2019 gab es ein positives Budgetsaldo von 0,6 Prozent des BIP.
Die Staatsschuldenquote geht laut der Prognose bis zum Jahr 2027 trotz hohem nominellen BIP-Wachstum nur leicht auf 73,6 Prozent des BIP zurück - und bleibt deutlich über dem Vorkrisenniveau von 2019 (70,6 Prozent). Für 2023 rechnet der Fiskalrat mit einer öffentlichen Verschuldung von 76,4 Prozent des BIP.
In der von Fiskalratspräsident Christoph Badelt und dem Leiter des Büros des Fiskalrats, Bernhard Grossmann, vorgestellten Bericht heißt es, budgetäre Spielräume seien gerade in Zeiten "multipler Krisen und großer Unsicherheit", einer alternden Bevölkerung und drohender Kosten aufgrund der Verfehlung von Klimazielen bzw. der Folgen des Klimawandels unerlässlich, um für zukünftige Herausforderungen und Krisen gewappnet zu sein und nötige Zukunftsinvestitionen tätigen zu können. "Wir werden langfristig nicht nur Investitionen brauchen, um den Klimawandel kleinzuhalten, sondern auch Vorsorge treffen müssen für die Beseitigung von Folgen des Klimawandels", nannte Badelt ein Beispiel.
Es sei eine nachhaltige Rückführung der hohen Budgetdefizite und gesamtstaatlichen Verschuldungsquote notwendig, um in zukünftigen Krisen handlungsfähig zu bleiben. Derzeit komme Österreich - "ohne Wirtschaftskrise, sogar mit leichtem Wachstum" - von einem Defizit, das laut Finanzministerium bei 2,7 Prozent liege, nicht weg. "Und selbst wir, die wir einen optimistischeren Budgetpfad sehen, bleiben bei nahezu zwei Prozent Defizit im Jahr 2027", so Badelt.
Dies sei eine Fiskalpolitik, "die konjunkturpolitisch nicht gerechtfertigt werden kann", sondern durch zusätzliche Ausgaben und in Kombination mit bereits beschlossenen Neuerungen wie der Abschaffung der kalten Progression begründet sei. "Einnahmen und Ausgaben passen nicht zusammen", so Badelt, die Fiskalpolitik sei "nicht nachhaltig und nicht krisenresilient". Österreich würde in einer weiteren Krise laut der aktuellen Prognose des Finanzministeriums (etwa im Jahr 2025) mit einem Defizit von 2,8, laut der Fiskalrat-Berechnung mit 2,3 Prozent, beginnen, sagte der Präsident. "Die Covid-Krise haben wir mit einem ausgeglichenem Budget begonnen", verwies Badelt auf die Daten von 2019 (+0,6 Prozent).
Auch warnte der Fiskalrat vor Wahlzuckerln im Superwahljahr 2024 (mit EU-Wahl im Frühsommer sowie Nationalratswahl und zwei Landtagswahlen im Herbst): Im Vorfeld der Nationalratswahl im Herbst 2024 sei darauf zu achten, dass zusätzliche Ausgabenpakete vermieden und allenfalls gegenfinanziert werden. Grossmann verwies auch darauf, dass von der Regierung erst in dieser Woche neu angekündigten Maßnahmen (etwa die Verlängerung der Strompreisbremse) ja noch gar nicht in den Prognosen enthalten sind. "Man soll auch nicht vergessen, dass wir in einem Vorwahljahr sind", sagte auch Badelt.
Auch sieht der Rat den zu erwartenden hohen zusätzlichen Finanzierungsbedarf in den Budgetplänen der Bundesregierung (trotz hoher geplanter Defizite) noch nicht ausreichend berücksichtigt. Dieser werde insbesondere durch die demografische Entwicklung sowie den notwendigen grünen und digitalen Wandel verursacht. Genau deshalb gelte es, die dafür notwendigen budgetären Spielräume im Rahmen eines Gesamtkonzepts zu schaffen.
Als Weg dorthin schlägt der Rat Strukturreformen vor - insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Pflege, Pensionen, Bildung und Arbeitsmarkt. Damit verbunden wäre auch eine Bremsung der Ausgabendynamik.
Gefordert sieht der Rat die Regierung auch darin, sich auf europäischer Ebene für Fiskaldisziplin durch geeignete Fiskalregeln einzusetzen. Diese müsse Österreich aber auch im Rahmen der heimischen Budgetplanung entsprechend vorleben. So verwies der Fiskalrat darauf, dass das Maastricht-Defizit über den gesamten Prognosezeitraum nur knapp unter der Obergrenze von drei Prozent des BIP bleibt. Darüber hinaus entspreche die langsame Rückführung der Schuldenquote ab 2026 nicht den aktuell gültigen Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes.
Kritik übt der Fiskalrat auch daran, dass die Zielvereinbarungen im Rahmen des Finanzausgleichs nicht bindend ausgestaltet wurden. "Verfehlungen haben damit keine Konsequenzen". Eine Stärkung der Zielorientierung im Finanzausgleich würde ein "transparentes, öffentlich zugängliches Monitoring" erfordern.
Scharfe Kritik an der Regierung übten angesichts des Berichts die NEOS: "ÖVP und Grüne haben Österreich sehenden Auges mitten in einen Schuldensumpf manövriert. Es ist das Schicksal der nächsten Generationen, sich und das Land hier wieder mühevoll rauszuziehen", sagte NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker in einem schriftlichen Statement zur APA. "Die Regierung verfrühstückt den Wohlstand der Jungen. Dabei sollten wir jetzt wichtige, strukturelle Reformen angehen, etwa im Pensionssystem, um budgetären Spielraum für die Entlastung der Erwerbstätigen und Investitionen in Zukunftsbereiche wie Bildung und Forschung zu schaffen."
Zusammenfassung
- Der Fiskalrat fordert in seinem am Donnerstag vorgestellten Jahresbericht 2023 eine "rasche Rückkehr" auf einen "ambitionierten, nachhaltigen Budget- und Verschuldungspfad".
- Die derzeit hohen Budgetdefizite seien aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht gerechtfertigt und würden v.a. aus einem "weiteren deutlichen Anstieg der Staatsausgaben" entstehen.
- "Verfehlungen haben damit keine Konsequenzen".