Exodus bei Tories vor Parlamentswahl in Großbritannien
Am Freitag gab das langjährige Kabinettsmitglied Michael Gove bekannt, nicht noch einmal antreten zu wollen. Nach beinahe 20 Jahren sei es Zeit zu gehen, schrieb der 56-Jährige in einem ausführlichen Brief, den er auf X (vormals Twitter) veröffentlichte. Gove, der zuletzt Minister für Angleichung der Lebensverhältnisse, Wohnen und Gemeinschaften war, hatte mit kurzen Unterbrechungen seit 2010 verschiedene Posten im Kabinett inne. Unter anderem war er Bildungsminister, Justizminister und Umweltminister gewesen.
Im Jahr 2016 warb er an der Seite Boris Johnsons für den EU-Austritt Großbritanniens. Im anschließenden Rennen um die Nachfolge des zurückgetretenen Premierministers David Cameron, fiel er Johnson jedoch in den Rücken und kündigte seine eigene Kandidatur an, die aber bald scheiterte. Als Johnson schließlich 2019 doch noch Regierungschef wurde, berief er Gove in sein Kabinett. Der gebürtige Schotte galt im Kabinett Sunaks als einer der erfahrensten und einflussreichsten Politiker.
Neben Gove verlassen auch viele andere frühere Regierungsmitglieder das Unterhaus, darunter Ex-Premierministerin Theresa May und Ex-Verteidigungsminister Ben Wallace. Mehrere Abgeordnete erklärten, viele Kollegen verzichteten auf eine Bewerbung für einen Parlamentssitz, weil es unwahrscheinlich sei, dass die Konservativen die Wahlen gewinnen werden. In Umfragen liegen die Tories 20 Prozentpunkte hinter der linken Labour Party. Zudem ist die Konservative Partei zerstritten.
Insgesamt wollen knapp 80 Tory-Abgeordnete nicht mehr antreten. Das sind der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge so viele wie noch nie in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Vor der Parlamentswahl 2017 hatten nur zwölf konservative Abgeordnete den Verzicht auf ihren Sitz angekündigt, bei der Wahl 2019 waren es 32. Verteidigungsminister Grant Shapps erklärte jedoch, dass die hohe Zahl der ausscheidenden Abgeordneten nicht ungewöhnlich sei. "Man hat oft den Eindruck, dass mehr Abgeordnete der Regierungsseite zurücktreten, und der Grund dafür ist natürlich, dass es per Definition mehr Abgeordnete auf der Regierungsseite gibt."
Zusammenfassung
- Am 4. Juli finden in Großbritannien überraschend Parlamentswahlen statt, nachdem Premierminister Rishi Sunak den Termin kurzfristig festgelegt hat.
- 76 konservative Abgeordnete, darunter prominente Mitglieder wie Michael Gove und Theresa May, haben angekündigt, nicht erneut für das Parlament zu kandidieren.
- Die Konservative Partei, die aktuell 346 der 650 Unterhaussitze innehat, liegt in Umfragen 20 Prozentpunkte hinter der Labour Party und zeigt sich intern zerstritten.