APA/GEORG HOCHMUTH

Ex-Minister Heinz Faßmann in neuer ÖAW-Chefrolle angekommen

"Gut und erfreulich" war für Heinz Faßmann, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), sein erstes Jahr im Amt. Dazu beigetragen hat auch die Vergabe des Nobelpreises an Anton Zeilinger, die die Akademie "zur Nobelpreisträgerinstitution machte", so der Ex-Bildungsminister zur APA. Sie verleihe auch den mit Nachdruck geforderten Budgeterhöhungen Extra-Gewicht. Als zentral sieht Faßmann weiterhin "Aufklärung": "Wir müssen uns erklären, auch der Politik."

Es sei auch Aufgabe der Wissenschaft, evidenzbasierte Informationen an die Politik weiterzugeben. Das gelte für viele Bereiche wie z.B. Klimakrise und Künstliche Intelligenz, aber auch die Aufbereitung der Coronapandemie oder neue Gentechnologien. Erst Anfang Juli hatte die EU-Kommission Pläne für einen deutlich lockeren Umgang mit der Neuen Gentechnik (NGT) in der Landwirtschaft vorgestellt. Neue Mutationsverfahren wie die Genschere Crispr/Cas sollen künftig einfacher zum Einsatz kommen können und u.a. neue Möglichkeiten für die Nahrungsmittelproduktion schaffen. "Hier nimmt die Wissenschaft eine positive Position ein und sieht dies als Chance; die Politik ist zurückhaltend", so Faßmann. Hier müsse man die Herausforderung annehmen aufzuklären.

Vom "Entscheider" zum "Aufzeiger", der auf Notwendigkeiten bei Forschung und Wissenschaft aufmerksam macht - dem Rollenwechsel gewinnt der ehemals für Bildung, Wissenschaft und Forschung zuständige Minister und seit 1. Juli 2022 amtierende ÖAW-Chef viel Gutes ab: Er genieße es, sich heute mehr der Forschung insgesamt widmen zu können, "nachdem Bildung in der realen politischen Tätigkeit den Schwerpunkt darstellt". Nun könne er darauf hinweisen, "wenn etwas in Forschung und Wissenschaft in die falsche Richtung läuft".

Eine falsche Richtung, in Form einer Budgetlücke, droht bei den Leistungsvereinbarungen für 2024-2026, die die ÖAW derzeit mit der Bundesregierung verhandelt. Die ÖAW, der bei den vorhergehenden Leistungsvereinbarungen - damals noch unter Bildungsminister Faßmann - für 2021-2023 rund 430 Mio. Euro zugesprochen wurden, "braucht mehr Geld, aber ich bin optimistisch, dass die Verhandlungen gut ausgehen - wir sind immerhin die Nobelpreisinstitution Österreichs". Auf konkrete Zahlen möchte sich Faßmann angesichts der laufenden Gespräche nicht festlegen. Neben Inflation müssten Reinvestitionen bei gealterten Infrastrukturen, Neuberufungen, aber auch ein gewisser Sanierungsbedarf von Gebäuden mit einbezogen werden. Man brauche jedenfalls "eine deutliche Steigerung".

Dem außeruniversitären Forschungsbereich drohten insgesamt schwierige Zeiten, so Faßmann. Die derzeit diskutierte Pensionssteigerung von 9,7 Prozent liege über der angenommenen Erhöhung der Löhne und Gehälter im Forschungsbereich. Es werde sich eine Lücke öffnen, meinte Faßmann: "Hinzu kommen die Preissteigerungen im Bereich der Sachmittel und des Bauens."

Faßmann verwies wiederholt auf seinen jüngst geforderten Zuschlag von 500 Mio. Euro zu den bereits fixierten 5 Mrd. Euro für die Jahre 2024-2025, die im Rahmen des FTI-Paktes ("Pakt für Forschung, Technologie und Innovation") für die elf außeruniversitären, im Forschungsfinanzierungsgesetz (Fofinag) genannten Institutionen als Extra-Geld vorgesehen sind. Die Nachforderung sei "eine Zahl, die sich aus den erwartbaren Inflationsentwicklungen heraus ergibt." Ansonsten drohe ein Rückbau bei den Institutionen, was keiner wollen könne. Die Aufteilung der Summe auf die Institutionen erfolgt als Teil der Leistungsvereinbarungen.

Das Fofinag, aber auch die FTI-Strategie der Bundesregierung und die daraus resultierenden FTI-Pakete hatte Faßmann als Minister mit auf den Weg gebracht. Als ÖAW-Präsident sieht er in ihnen eine "unveränderte Bedeutung", indem sie Planungssicherheit ermöglichten und Autonomie gegenüber der Politik gewährleisteten. "Das macht mich als ÖAW-Präsident noch froh."

Als Höhepunkte im ersten Jahr seiner Präsidentschaft nennt Faßmann die Neugründung des Grazer "Cori Institute of Molecular and Computational Metabolism" der ÖAW, einem im Aufbau befindlichen Spitzenforschungsinstituts in Kooperation mit der Universität Graz, Technischen Universität Graz und Medizinischen Universität Graz. "Nur durch Kooperation kann Österreich seine Kleinheit überwinden." Auch wenn Kooperationen mit Universitäten nicht immer leicht seien, würden sie gelingen.

Die ausgeschriebene Cori-Leitungsposition könne mit einem Gründungsdirektor oder einer Gründungsdirektorin "sicherlich 2024 besetzt werden", die Hearings sind für Jänner geplant. Bei der nun schon mehrjährig nicht nachbesetzten und interimistisch von Jürgen Knoblich übernommenen Leitung des Institutes für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der ÖAW zeigt sich Faßmann optimistisch, die Besetzung noch heuer abzuschließen; derzeit werde mit der erstgereihten Person eines Dreiervorschlages verhandelt.

Die Umsetzung der Antisemitismusforschung, mit Fokussierung auf Antisemitismus in der Zweiten Republik, ein "gesellschaftspolitisch heikles Thema", sowie die Initiierung eines jährlichen Wissenschaftsbarometers zur Messung der "Wissenschaftsfreundlichkeit" in der Gesellschaft (mit nächster Veröffentlichung Ende 2023) zählt Faßmann gegenüber der APA zu den weiteren wichtigen Erfolgsprojekten.

Auch die Besiedelung der "Campus Akademie", das Viertel um die Alte Universität in Wien Innere-Stadt, sei gut gelungen. Der derzeit laufende Umzug in die ehemalige Postsparkasse sei "eine Herausforderung für das Jahr 2024. Über 600 Mitarbeiter werden in das Gebäude ziehen." Der von Otto Wagner als Bürogebäude konzipierte Bau soll künftig auch diverse Labore naturwissenschaftlicher Gruppen, etwa der Hochenergiephysik, beherbergen. Im Jahr 2025 soll auch dieses Kapitel abgeschlossen werden.

Die "mitten in der Stadt" zentrierte Forschung könne dazu beitragen, gesellschaftlich die Bedeutung der Wissenschaft zu vermitteln, hofft Faßmann: "Wie die Kirchen im Stadtzentrum sind, sollte Forschung auch im Stadtzentrum sein." Sein Amt, das er von Experimentalphysiker und ÖAW-Mitglied Anton Zeilinger übernahm, hatte der Geograph mit einem klaren Bekenntnis zur "Aufklärung" angetreten. Es sei eine "soziale moralische Verpflichtung", der Gesellschaft zu vermitteln, was mit den öffentlichen Mitteln passiere - "je besser uns dies gelingt, desto größer wird die Akzeptanz", ist sich der ÖAW-Chef nach wie vor sicher.

In Bezug auf die Förderung von Grundlagenforschung sieht Faßmann zwei grundlegende Prinzipien: "Sie basiert auf Kreativität der Forschenden", eine hier notwendige Bottom-up-Förderung solle nicht thematisch eingeschränkt werden. Quantencomputer, die Organoidforschung für ein besseres Verständnis von Krankheiten und Medikamentenwirksamkeit, aber auch die heuer mit einer Exzellenz-Cluster-Förderung durch den Wissenschaftsfonds FWF bedachte Mittelalterforschung, die Weltraumforschung oder die Archäologie seien ausgewiesene Stärkebereiche der ÖAW. Hier gelte: "Wo Stärken sind, muss man auch stärken."

Grundlagenforschung sei zentral. Wenn sie zu Ergebnissen führt, die nutzbar sind, solle man dies ausnutzen, appellierte Faßmann zugleich auch an den unternehmerischen Geist, der noch bei einigen Forscherinnen und Forschern erweckt werden müsse. So sieht Faßmann "in Hinblick auf die Ausgründung von akademischen Spin-offs" auch die ÖAW als eine zunehmend "unternehmerische Akademie", die hier Unterstützung bieten möchte. Immerhin gehe es darum zu zeigen, dass Forschung Zukunft gestalten könne.

ribbon Zusammenfassung
  • "Gut und erfreulich" war für Heinz Faßmann, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), sein erstes Jahr im Amt.
  • Nun könne er darauf hinweisen, "wenn etwas in Forschung und Wissenschaft in die falsche Richtung läuft".
  • Auf konkrete Zahlen möchte sich Faßmann angesichts der laufenden Gespräche nicht festlegen.
  • "Nur durch Kooperation kann Österreich seine Kleinheit überwinden."