EU-Ratspräsident Michel in Peking bei Xi Jinping
Xi warnte zudem erneut vor einer Eskalation und Ausweitung des Ukraine-Konflikts. Wie er nach Angaben des Staatsfernsehens sagte, müssten auch die Nebenwirkungen des Kriegs kontrolliert werden. Friedensgespräche seien notwendig. China unterstütze die Europäische Union, ihre Vermittlung zu verstärken und die Schaffung einer ausgewogenen Sicherheitsarchitektur in Europa anzuführen. Peking wolle weiter eine "konstruktive Rolle auf seine eigene Weise" spielen.
Nach europäischen Angaben bekräftigen Xi und Michel in dem Gespräch, dass "atomare Drohungen unverantwortlich und hochgefährlich" seien. Der Ratspräsident sagte, dass die Europäische Union auf China als ständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat setze, auf Russland einzuwirken, die UNO-Charta zu respektieren und dazu beizutragen, "Russlands brutale Zerstörung und Besetzung zu beenden", wie ein EU-Sprecher sagte. Michel nannte den Krieg Russlands "nicht gerechtfertigt und nicht provoziert".
"Wir setzen darauf, dass China seinen Einfluss geltend macht", sagte Michel am Donnerstag nach dem Gespräch. Xi habe ihm versichert, dass die Volksrepublik keine Waffen an Russland liefere und atomare Drohungen ablehne. Das Land habe als UNO-Vetomacht eine besondere Verantwortung darauf zu achten, dass die UNO-Charta eingehalten werde, fügte der EU-Ratspräsident hinzu. Er habe mit Xi lange über den Ukraine-Krieg gesprochen.
Zugleich pochte Michel auf mehr Gleichberechtigung und Fairness in den Wirtschaftsbeziehungen mit China. Es müsse einen gleichberechtigten Zugang für europäische Firmen in China wie für chinesische Firmen im EU-Binnenmarkt geben. Hintergrund sind Beschwerden europäischer Unternehmen über Restriktionen in China. "Wir wollen keine übermäßige Abhängigkeit", betonte Michel. Mit Blick auf die strikte Corona-Politik Pekings betonte er, dass europäische Firmen bereit seien, Impfstoffe nach China zu liefern, wenn diese dort zugelassen würden.
China hat die russische Invasion in der Ukraine bis heute nicht kritisiert, sondern Präsident Wladimir Putin vielmehr Rückendeckung gegeben. Mit der Verurteilung von Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen, die Xi Jinping erstmals beim Besuch des deutschen Kanzlers Olaf Scholz Anfang November geäußert hatte, sowie in den Verhandlungen auf dem Gipfel der großen Wirtschaftsmächte (G20) Mitte November im indonesischen Bali schien sich China - zumindest hinter den Kulissen - von seiner Unterstützung zu distanzieren.
China sicherte der Europäischen Union eine Stärkung der strategischen Kommunikation und Koordination zu. Präsident Xi sagte beim Empfang von EU-Ratspräsident Michel dem staatlichen Sender CCTV zufolge, er hoffe, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten eine korrekte und objektive Wahrnehmung Chinas schaffen würden. Die Begegnung der beiden Politiker fand in der Großen Halle des Volkes statt.
China und die EU sollten gemeinsam für die Sicherheit, Stabilität und Zuverlässigkeit der industriellen Lieferketten sorgen, sagte Xi. Beide Seiten sollten neue Wachstumsmotoren schaffen und die gegenseitigen Vorteile stärken. Die Volksrepublik werde europäischen Unternehmen weiterhin offen stehen, so der chinesische Staats- und Parteichef weiter. Er hoffe, dass die EU ihrerseits chinesischen Unternehmen ein faires und transparentes Geschäftsumfeld bieten könne.
Die Beziehungen verschlechterten sich zuletzt spürbar: Peking und die EU streiten über die chinesische Rückendeckung für den russischen Präsidenten Wladimir Putin, Chinas Drohungen gegenüber Taiwan, Menschenrechtsverletzungen, die Verfolgung von Minderheiten wie in Xinjiang oder Tibet sowie chinesische Sanktionen gegen EU-Politiker.
Die EU sieht China als "Partner, Wettbewerber und Rivale" gleichzeitig an. Aus europäischer Sicht hat sich das Gleichgewicht von Herausforderungen und Chancen durch China mit der Zeit aber verschoben. Angesichts Chinas wichtiger Rolle im Umgang mit globalen und regionalen Herausforderungen suche die EU weiter das Gespräch und die Kooperation, wie von europäischer Seite verlautete.
Wegen des strikten Null-Covid-Protokolls in China hält sich Michel nur zu einem eintägigen Besuch in Peking auf und bewegt sich abgeschottet in einem "geschlossenen Kreislauf". Es ist die erste persönliche Visite eines EU-Spitzenpolitikers in Peking seit Beginn der Pandemie.
Michel ist auch der erste ausländische Politiker, der Xi nach der jüngsten Protestwelle gegen die harten Null-Covid-Maßnahmen in China trifft. Aus Unmut über Lockdowns, Zwangsquarantäne, Massentests und ständige Kontrolle über die Corona-App hatten am Wochenende Tausende in mehrere Millionenstädten demonstriert. Seither hat ein Großaufgebot an Sicherheitskräften Proteste weitgehend verhindert.
Zusammenfassung
- Bei dem Treffen am Donnerstag ging es um die angespannte geopolitische Lage, den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und die künftigen Beziehungen der Europäischen Union zu China.
- Xi warnte die Europäer vor "allen Formen eines neuen Kalten Krieges".
- Es müsse einen gleichberechtigten Zugang für europäische Firmen in China wie für chinesische Firmen im EU-Binnenmarkt geben.
- Die EU sieht China als "Partner, Wettbewerber und Rivale" gleichzeitig an.