"Riviera des Nahen Ostens"

Kann sich Trump den Gazastreifen einverleiben?

Geht es nach dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump, sollen die USA "die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen" oder das Gebiet gleich "besitzen". Doch ist das rechtlich und realpolitisch überhaupt möglich? Eine Einordnung.

Nach seinen Annexionsplänen für Grönland hat Donald Trump nun den Gazastreifen ins Visier genommen. "Wir werden ihn besitzen", betonte er - aus dem Gazastreifen könne so eine "Riviera des Nahen Ostens" werden.

Dabei schloss der US-Präsident nicht aus, zur Absicherung dieser Pläne auch US-Truppen dorthin zu schicken. Die rund zwei Millionen Palästinenser:innen in der Region sollen, geht es nach Trump, in andere arabische Staaten zwangsumgesiedelt werden.

Der 78-Jährige sprach bei seinen Plänen ausdrücklich von "Ownership". Dass sich Trump den Gazastreifen einverleiben will, sei in dieser Form "schon überraschend", erklärt Nahost-Expertin Gudrun Harrer gegenüber PULS 24.

Der US-Präsident sollte wissen, "dass er nicht dieses Land besitzen kann, ohne es zum Beispiel jemandem abzukaufen". Sofern man den Vorstoß überhaupt ernst nehmen kann, müsse man sich erst einmal die Besitzverhältnisse anschauen. Teils sei umstritten, ob sich Gebiete in Privatbesitz befinden oder dem Staat gehören.

Fraglich sei auch, wie Trump das Land kaufen wolle beziehungsweise wer dafür bezahlen soll - und wie er die Landbesitzer dazu bringen will, ihren Besitz zu verkaufen. Antworten darauf hat der US-Präsident derweil nicht geliefert.

Zwangsumsiedelung wäre Rechtsbruch

Doch nicht nur die Frage, wie der Gazastreifen in den Besitz der USA übergehen soll, ist zum aktuellen Zeitpunkt völlig unklar. Die Zwangsumsiedelung der Palästinenser:innen ist mit internationalem Recht nicht vereinbar, auch Ausnahmen dürften im Gazastreifen kaum zutreffen. 

Relevant ist Regel 129 des internationalen Völkergewohnheitsrechts. Demnach dürfe man die Zivilbevölkerung eines besetzten Gebiets nicht "verschleppen oder zwangsweise überführen, sofern dies nicht im Hinblick auf die Sicherheit der betroffenen Zivilpersonen oder aus zwingenden militärischen Gründen geboten ist".

Schock im arabischen Raum

"Diese Idee, dass der Gazastreifen als gesamtes den USA praktisch übergeben wird – wie auch immer gekauft oder ich weiß ja nicht, wie das gehen soll, das weiß niemand – die ist neu", erklärt Nahost-Expertin Harrer.

"Ich glaube, dass auch Netanyahu eigentlich nicht recht wusste, was er sagen soll", so die Nahost-Expertin zu der Reaktion des israelischen Premierministers. Dessen Besuch hatte Trump zum Anlass genommen, seine Pläne für den Gazastreifen öffentlich zu machen. Die angrenzenden arabischen Länder stünden derweil unter Schock.

Video: USA im Gazastreifen - Militär-Experte Karner ordnet ein

Während der Präsentation seiner Idee erklärte Trump, er habe den Gazastreifen "viele Monate lang sehr genau studiert". PULS 24 Militär-Experte Gerald Karner ist skeptisch, inwieweit sich der US-Präsident seinen Plan tatsächlich überlegt hat: "Selbst wenn sich Trump den Gazastreifen sehr genau angesehen haben sollen, hat er sich offensichtlich die Lage im Nahen Osten im gesamten nicht genau angesehen."

Wenn die Palästinenser:innen zwangsweise und völkerrechtswidrig abgesiedelt werden sollten, stelle sich die Frage, wohin. Die Aufnahmeländer müssten überhaupt erst dazu bereit sein, die etwa 2 Millionen Menschen aufzunehmen. Hinzu kommt die Gefahr, wie die Hamas auf einen solchen Vorstoß reagieren würde.  

Fraglich sei auch, wer für die Pläne aufkommt: "Ich glaube nicht, dass die USA unter Trump das bezahlen wollen", so Karner. Der Gazastreifen müsse außerdem zunächst militärisch gesichert und das Militär müsste auch zur Beseitigung der Schäden eingesetzt werden. Wenig realistisch, meint der Militär-Experte: "Die amerikanischen Streitkräfte haben ungeheure Möglichkeiten, aber sie haben nicht unbegrenzte Möglichkeiten".

Parallelen zu Grönland-Idee

Insgesamt ist Trumps Vorstoß aktuell von einer ganzen Reihe rechtlicher und realpolitischer Hürden geprägt - zumal in weiten Teilen nicht einmal geklärt ist, wie die Vorstellungen für die Inbesitznahme ganz konkret aussehen sollen.

Die Kommunikation Trumps rund um eine Annexion erinnert an seine Pläne für Grönland. In diesem Fall präzisierte der US-Außenminister Marco Rubio nach einem ersten Vorstoß des Präsidenten, Trump wolle das Land kaufen - und nicht mit militärischer Gewalt zu einem Teil der Vereinigten Staaten machen.

Ob das auch für den Gazastreifen gilt, ist bisher nicht konkretisiert. Dass zumindest zur Absicherung der Pläne Truppen des US-Militärs entsendet werden könnten, machte Trump allerdings bereits klar. Rubio schrieb auf X (ehemals Twitter), die USA seien bereit, "Gaza wieder schön zu machen". Das Ziel sei ein dauerhafter Frieden für alle Menschen in der Region.

Palästinenser:innen als "Verschubmasse" Trumps

Trump spreche zwar im "freundlichen Ton" über die Palästinenser:innen, meint Nahost-Expertin Harrer, aber "für ihn sind sie eine Verschubmasse in Wirklichkeit – wie der Schutt, der weggeräumt gehört".

Die Zwangsumsiedelung der Menschen begründe er zwar "humanitär und freundlich", aber es werde "eben nicht so funktionieren". Die Annahme des US-Präsidenten, andere Länder würden die zwangsumgesiedelten Palästinenser:innen bereitwillig aufnehmen würden, teilt Harrer ebenso wenig wie Militär-Experte Karner. 

Letztlich droht sich die ohnehin äußerst angespannte Lage im Nahen Osten durch Trumps Idee weiter zu verschärfen.

Zusammenfassung
  • Geht es nach dem amerikanischen Präsident Donald Trump, sollen die USA "die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen" oder das Gebiet gleich "besitzen".
  • Doch ist das rechtlich und realpolitisch überhaupt möglich?
  • Eine Einordnung.