APA/Milena-Verlag

Ein Jahr mit einer Familie: Kossdorffs "Der glückliche See"

13. Apr. 2025 · Lesedauer 4 min

Der Roman "Der glückliche See" von Jan Kossdorff bietet die Gelegenheit, eine in der Traunsee-Region lebende Familie durch das Jahr 2022 zu begleiten. Das mag trivial oder gar langweilig klingen, ist es aber ganz und gar nicht. Denn bei der Lektüre des jüngst im Milena-Verlag erschienenen Buches wird deutlich, was sich in einer drei Generationen umfassenden Familie in diesem Zeitraum alles tun kann - vor allem wenn es in diesem Zeitraum auch Corona und den Ukraine-Krieg gibt.

Kurz umrissen: Die Eltern sind in ihren Siebzigern und schon länger getrennt, sie haben bzw. finden im Laufe der Erzählung neue Partner. Die vier Kinder - zwei Männer und zwei Frauen, dazu gibt es zwei Enkelkinder - im Alter von Mitte dreißig bis Anfang fünfzig haben auch allesamt bewegte Beziehungsgeschichten hinter sich oder erleben sie gerade. Der Gatte der älteren Tochter etwa ist in der Corona-Zeit in die Schwurblerszene eingetaucht - massive Spannungen in der Beziehung als logische Folge.

Diskussionen über Zustände durch und Maßnahmen gegen Corona begleiten immer wieder die Erzählung, so wie es in den Pandemie-Jahren wohl in jeder Familie und in vielen Freundeskreisen der Fall war. Zugleich wird auch dem Kulturhauptstadt-Jahr 2024 im Salzkammergut Rechnung getragen - im Roman spielen die Vorbereitungen auf dieses ganzjährige Ereignis eine Rolle. Auch Putins Überfall auf die Ukraine, sprich Russlands Angriffskrieg gegen seinen Nachbarn, ist ein Thema, das immer wieder erwähnt wird. Naturgemäß fällt auch der Name Donald Trump mehrmals, selbst wenn dieser zum Zeitpunkt des Roman-Geschehens nicht US-Präsident war.

Die USA spielen in der Familiengeschichte insofern eine Rolle, als sich die jüngere Tochter in New York niedergelassen und sich dort in einen Mann - aus Salzburg - verliebt hat. Ihr Hin- und Hergerissensein zwischen Übersee und Traunsee, zwischen dem wieder in Österreich lebenden Freund und einer neuen Liebe in Nordamerika ist eine der Facetten, die sich durch den in vier Teile - vulgo Quartale - gegliederten Jahresablauf ziehen. Dazu kommen die Krebserkrankung des älteren Sohnes, die berufliche Veränderung des jüngeren Sohnes - der Aufbau und Betrieb eines Puppentheaters statt eines einträglichen, aber nicht mehr erfüllenden Jobs - und eine gleichgeschlechtliche Affäre der älteren Tochter, die sich von ihrem "Schwurbler-Gatten" massiv entfremdet hat.

Die Eltern haben nach ihrer Trennung ein respektvolles Verhältnis zueinander gewahrt, der Mann wohnt gegen Miete an seine Ex-Frau, welcher das Haus direkt vor dem großen Felsen gehört, im einstigen Familienheim am See, wo es Anfang 2022 zum ersten großen Familientreffen seit Ausbruch der Pandemie kommt. Trotz Pensionsalters sind beide noch aktiv, die Frau als Fotografin, der einst in der Gastronomie tätige Mann eröffnet gemeinsam mit dem Dann-doch-nicht-Schwiegersohn (dem Salzburger Freund der jüngsten Tochter) ein Lokal mit dem Namen "Lacus felix". Diese lateinische Bezeichnung für "der glückliche See" wurde dem Traunsee tatsächlich einst von den Römern verliehen. A propos Vergangenheit der Region: Auch Thomas Bernhard, der viele Jahre in der Nähe von Gmunden gelebt hat, wird einige Male erwähnt.

Was diesen Roman so besonders macht, ist seine nachvollziehbare und sehr realistisch wirkende Story. Die Einbettung der durchaus abwechslungsreichen Familiengeschichte in reale gesellschaftliche und politische Gegebenheiten, aber auch in die sehr detailreich beschriebene Salzkammergut-Region. So können Leserinnen und Leser die Handlung immer wieder mit eigenen Erinnerungen und Erlebnissen aus dieser noch nicht lange zurückliegenden Zeit abgleichen, auch so manche Beziehungsgeschichte mag dem einen oder der anderen bekannt vorkommen - ebenso das Ringen mit sich selbst, wenn es eine richtungsweisende Entscheidung zu treffen gilt.

Somit entsteht der Eindruck, dass man bei der Lektüre eine große Familie ein Jahr lang begleitet - einige Rückblicke auf vergangene Zeiten und Spekulationen über die Zukunft inklusive -, die durchaus auch die eigene oder die Familie von Bekannten, Nachbarn oder Kollegen sein könnte. Der Roman macht deutlich, dass Leben immer auch Veränderungen beinhaltet, die manchmal steuerbar sind, manchmal nach einer Entscheidung verlangen, manchmal aber auch ungefragt über jemanden hereinbrechen. Und nicht alles, was einem widerfährt, muss man sich in seiner Vollständigkeit merken - wie ein Zitat mit einer Anspielung auf das heimische Politgeschehen untermalt: "Vergessen war keine Straftat, das lernte man doch aus den ganzen Untersuchungsausschüssen."

(S E R V I C E - Jan Kossdorff: "Der glückliche See", Milena, 332 Seiten, 25,00 Euro)

Zusammenfassung
  • Der Roman 'Der glückliche See' von Jan Kossdorff, erschienen im Milena-Verlag, schildert das Jahr 2022 einer Familie in der Traunsee-Region und verwebt persönliche Geschichten mit gesellschaftlichen Ereignissen wie Corona und dem Ukraine-Krieg.
  • Die Eltern, beide in den Siebzigern und getrennt, erleben neue Partnerschaften, während die vier Kinder, im Alter von Mitte dreißig bis Anfang fünfzig, mit bewegten Beziehungsgeschichten und beruflichen Veränderungen konfrontiert sind.
  • Der Roman beschreibt die Region Salzkammergut detailliert und zeigt, wie das Leben von unvorhersehbaren Veränderungen geprägt ist, wobei Leserinnen und Leser Parallelen zu eigenen Erfahrungen ziehen können.