Corona-App und Oster-Erlass beenden den Frieden im Parlament
Der gefeierte politische Schulterschluss im Kampf gegen die Corona-Pandemie in Österreich hat ein jähes Ende erfahren. Am Wochenende eskalierte der Streit zwischen Regierung und Opposition wegen zweier Maßnahmen: Der möglicherweise verpflichtenden Verwendung der Corona-App des Roten Kreuzes und einem Oster-Erlass des Gesundheitsministeriums, der Feiern in privaten Haushalten limitiert.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hatte zuerst laut darüber nachgedacht, die Nutzung der derzeit freiwilligen "Stopp Corona App" des Roten Kreuzes verpflichtend einzuführen. "Wenn evident ist, dass wir die Menschen schützen können und jeder Kontakt festhalten wird, dann sage ich dazu Ja", sagte er. Am Sonntag ruderte er - nach massiver Kritik - zurück und sprach sich doch für eine freiwillige Lösung aus.
So weit wie zuerst Sobotka wollte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nicht gehen. Dennoch betonte er aber, künftig auf "Tracking" und Containment, also dem nachvollziehen von Kontakten mit Infizierten, setzen zu wollen. Diese Möglichkeit werde eine "wichtige Basis" sein. Weil zwei Millionen Österreicherinnen und Österreicher kein Smartphone besitzen, wird laut Kurz an Schlüsselanhängern mit der selben Funktionalität gearbeitet.
Mit den Vorschlägen stach die Regierung ins oppositionelle Wespennest. Der Kanzler plane die Auflösung der Grund- und Freiheitsrechte, kritisierte FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl und forderte einen "Schulterschluss der Demokraten gegen diese totalitären Anwandlungen". SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch warnte vor einer "elektronischen Fußfessel". "Verrückt und von autoritärem Gedankengut getrieben" nannte die Vorhaben Nikolaus Scherak von den NEOS.
Selbst das Rote Kreuz, das für die Corona-App verantwortlich ist, sprach sich gegen eine Verpflichtung dazu aus. Eine dahingehende Verordnung sei weder sinnvoll, noch kontrollierbar. Freiwilligkeit sei ein Grundpfeiler der Rotkreuz-Bewegung. Gleichzeitig kündigte die Hilfsorganisation an, dass die Anwendung für Smartphones ab Donnerstag Kontakte - auf Wunsch - automatisch speichern wird. Ein sogenannter digitaler Handshake und damit die Zustimmung beider Handy-Nutzer sei dann nicht mehr notwendig.
Am Abend betonte die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer, dass es keine Verordnung zur App geben werde. "Es wird keine Verpflichtung geben", sagte sie in der ORF-Diskussionssendung "Im Zentrum". Den Nutzen der App selbst verteidigte sie, auch datenschutzrechtlich würden keine Probleme bestehen.
Beim Oster-Erlass, der bereits in allen Ländern gültig ist, versuchte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) zu beruhigen. Die Regelung solle gerade rund um das Osterfest große Zusammenkünfte auch in Haushalten verhindern. Zudem sollen dadurch "Corona-Partys" unterbunden werden. Für Montag versprach die Regierung Aufklärung. "Kritik verstanden", schrieb der Minister auf Twitter.
Auch Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) kündigte am Sonntag einen "neuen Sammelerlass" anlässlich der bevorstehenden Osterfeiertage an. Auf die Frage, ob er ausschließen könne, dass zu Ostern die Polizei an Wohnungstüren klopft, hinter denen mehr als die erlaubten Personen vermutet werden, meinte Nehammer, die Polizei habe bei Lärmerregung oder Hinweisen auf häusliche Gewalt die Pflicht, Nachschau zu halten.
Zum eigentlichen Kern der Kritik äußerte sich die Regierung allerdings nicht: Laut Verfassungsexperten ist der Erlass nämlich rechtswidrig. Das Epidemiegesetz regele nämlich nur die Teilnahme an Veranstaltungen, alles andere sei ein Eingriff in das Hausrecht. "Das geht zu weit", meinte der Jurist Bernd-Christian Funk. Der Erlass sei eine "Beeinträchtigung der Privatsphäre", wie diese nur etwa bei Hausdurchsuchungen geschehen darf.
Zusammenfassung
- Der gefeierte politische Schulterschluss im Kampf gegen die Corona-Pandemie in Österreich hat ein jähes Ende erfahren.
- Freiwilligkeit sei ein Grundpfeiler der Rotkreuz-Bewegung.