Grüne "überrascht" über Überwachungswünsche des Innenministeriums
Nach den womöglich verhinderten islamistischen Anschlagsplänen für die 27. Regenbogenparade am Wochenende in Wien haben Verfassungsschutz und Innenministerium erneut eine Diskussion über die Überwachung extremistischer Gefährder:innen mittels "Bundstrojaner" angestoßen. Der Chef der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), Omar Haijawi-Pirchner, hatte schon Ende Februar bessere Zugriffsmöglichkeiten auf Inhalte von Messenger-Diensten verlangt.
Karner: "Keine Massenüberwachung"
Auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sagte dazu am Montag am Rande einer Veranstaltung in Wien, es sei "Teil des Regierungsprogrammes, dass es hier zu Änderungen kommen soll", weil man in diesem Bereich "nicht mehr modern und zeitgemäß" sei. Moderne Nachrichten- und Messengerdienste könne man derzeit "nicht mehr überwachen".
Gleichzeitig betonte Karner, dass es "nicht um Massenüberwachung" gehe: "Es geht darum, die einzelnen Gefährder, die es zweifelsohne gibt, aus dem Verkehr zu ziehen. Da braucht die Polizei die entsprechenden Befugnisse und Kompetenzen dazu."
Grüne von Forderungen "überrascht"
Währenddessen reagierte der grüne Regierungspartner auf die Forderungen des Innenministers.
"Von den Forderungen des ÖVP geführten Innenministeriums sind wir überrascht, da sich die Partei zuletzt stets gegen die Auswertung von Chats und Mobiltelefonen gewehrt hat", so die Grünen. Der zweite Nebensatz ist wohl als deutliche Anspielung auf die Blockadeversuche der ÖVP in den Korruptionsermittlungen gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz und dessen Getreuen zu verstehen.
Der Koalitionspartner, eine der zentralen Aufgaben in einer Demokratie sei "selbstverständlich, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten". Allerdings sei im Rahmen der BVT-Reform der Nachrichtendienst reformiert und strukturell verbessert worden, "so dass die DSN die bestehenden Befugnisse nun wieder effizient zum Schutz der Bevölkerung nutzen kann. Die DSN konnte auch bereits Ergebnisse liefern, wie das aktuelle Beispiel zeigt".
"Was die Ausweitung von Überwachungsmaßnahmen wie die Einführung eines Bundestrojaners betrifft, ist die Position der Grünen klar, auch mit Blick auf die Wahrung der Grundrechte: Die Gefahren einer solchen Maßnahme überwiegen ihren Nutzen", hieß es in einer Stellungnahme des grünen Parlamentsklubs.
Kommunikation über Spielkonsolen
DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner betonte auch am Montag im "Ö1"-Morgenjournal, warum weitere Befugnisse für eine Strafverfolgung wichtig wären.
"Es wäre gut, wenn wir im Vorfeld bei möglichen Gefährderinnen und Gefährdern im Einzelfall auch die Kommunikation besser überwachen könnten", erklärt er. Dies wäre laut dem DSN-Leiter auch in dem konkreten Fall "eine sehr gute Ermittlungsmaßnahme gewesen, um die Gefahr wirklich vor der Parade auch gut aufklären zu können."
Derzeit würden Gefährder:innen oft verschlüsselte Kommunikation verwenden oder sich an abgelegenen Orten treffen, öffentlich würde gar nicht kommuniziert werden. Außerdem passiere Kommunikation teilweise auch über Spielkonsolen und "Chatfunktionen von Spielen auf Spielkonsolen" - hier habe man derzeit keine Möglichkeit, die Kommunikation zu überwachen.
"Was wir gerne haben würden, wäre eine konkrete Überwachung von Kommunikation unter strengstem Rechtsschutz und unter strengster Kontrolle", so Haijawi-Pirchner. Nur dann, wenn auch genug Material vorliege, würde man diese Personen dann entsprechend auch ermittlungstechnisch aufarbeiten.
Was darf die Polizei?
Auf PULS 24-Anfrage meint das Innenministerium: Im Kampf gegen Extremismus und Schwerstkriminalität stehe die Polizei "vor einer enormen Hürde". Die Kommunikation von terrorverdächtigen Personen werde über Telefone überwacht, die Überwachung der Kommunikation auf Messenger-Diensten wie Telegram und WhatsApp sei jedoch derzeit rechtlich nicht möglich.
Da die Kommunikation heutzutage fast ausschließlich über eben solche Messenger-Dienste stattfinde, würden die bestehenden Befugnisse laut dem BMI "nicht mehr die technische Realität und Geschwindigkeit abbilden". "Schwerstkriminelle" würden wissen, dass "die österreichische Polizei keine derartigen Befugnisse hat" – sie würden diesen "blinden Fleck der Sicherheitsbehörden" täglich ausnutzen.
Polizei könnte bei Anschlagsplänen "nicht mitlesen dürfen"
Diese "enorme Sicherheitslücke" gefährde nicht nur die Ermittlungen, sondern sei auch eine "Gefahrenquelle für die Bevölkerung und die nationale Sicherheit", warnen die DSN und das Bundeskriminalamt. So könnte zum Beispiel ein Anschlag nur über diese Messenger geplant werden, bei denen die Polizei "nicht mitlesen darf".
Alle einschneidenden Befugnisse, wie derzeit schon Lauschangriff und Observation, müssten jedoch "strengen gesetzlichen Regelungen unterworfen sein", so das Innenministerium gegenüber PULS 24. Höchster Rechtsschutz, unter enger Einbindung der Gerichte, müsse gewährleistet werden. Die Befugnis würde außerdem ausschließlich Ermittlungen im schwerstkriminellen Bereich, wie Terrorismus, Kapitalstraftaten und die organisierte Kriminalität, betreffen.
Korrektur: Das Zitat im Titel wurde ursprünglich dem Verfassungsgerichtshof zugeordnet, dieser machte uns darauf aufmerksam, dass es sich um ein Statement der Grünen handelt. Der Verfassungsgerichtshof gab dazu keine Stellungnahme ab.
Zusammenfassung
- Nach den Anschlagsplänen auf die Wiener Pride fordern Innenminister Karner und DSN-Leiter Haijawi-Pirchner weitere Befugnisse zur Überwachung möglicher extremistischer Gefährder.
- Laut dem Innenministerium laufe diese Überwachung derzeit über Telefone, bei Messenger-Diensten wie Whatsapp und Telegram dürfe die Polizei jedoch "nicht mitlesen".
- Die Grünen zeigen sich von diesen Forderungen überrascht.