Boris Johnson immer stärker unter Beschuss
Der britische Premierminister Boris Johnson gerät wegen Mängeln bei der Bekämpfung des Corona-Ausbruchs zunehmend unter Druck. Kritiker werfen der britischen Regierung vor, dass viel zu wenig Corona-Tests vorgenommen werden und nach wie vor Tausende Beatmungsgeräte für die Covid-19-Lungenkranken fehlen. Ärzte müssen daher entscheiden, bei wem sich der Einsatz von Beatmungsgeräten noch lohnt.
Klinikärzte haben inzwischen auch Anweisungen erhalten, angesichts der knappen Ressourcen künftig zu entscheiden, welche Patienten beatmet werden sollen und welche nicht mehr beatmet werden können. Der Chef der Ethik-Kommission der Ärzteorganisation British Medical Association (BMA), John Chisholm, sagte: "Niemand will solche Entscheidungen machen, aber wenn die Ressourcen erdrückend sind, müssen diese Entscheidungen getroffen werden."
Britische Medien - auch konservative - bemängelten auf ihren Titelseiten am Donnerstag einheitlich Strategie-Mängel der Regierung. Die Zeitung "The Independent" titelte etwa "Fragen, aber keine Antworten", die "Times" schrieb über das "Chaos bei Plänen für Virus-Tests" und die "Daily Mail" von einem "Test-Skandal".
Demnach sind beispielsweise von 550.000 Angestellten des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS (National Health Service) gerade einmal 2.000 auf den Corona-Erreger getestet worden. Die Statistiken zu den Tests seien eine Demütigung für die Regierungsmitglieder, kommentierten Medien. Professor Paul Cosford, emeritierter ärztlicher Direktor für öffentliche Gesundheit in England, kritisierte am Donnerstag im Sender BBC: "Jeder, der darin involviert ist, ist frustriert."
Johnson sagte am Mittwochabend in einer Videobotschaft per Twitter, dass die Zahl der Tests massiv erhöht werden müsse. Nur so könnten NHS-Mitarbeiter in Selbstisolation überprüfen, ob sie sich wirklich mit dem Coronavirus angesteckt haben - falls nicht, könnten sie dann umgehend wieder den Patienten helfen. Auch der Premierminister hat sich mit dem Erreger angesteckt und arbeitet in Isolation.
Dass die Frustration über die Diskrepanz zwischen den Ankündigungen der Regierung und den tatsächlichen Fortschritten weiter wächst, beweist auch die Reaktion einer BBC-Nachrichtensprecherin. Ihr stand in dieser Woche die Verwunderung ins Gesicht geschrieben, als sie eine Mitteilung der Regierung zur Beschaffung von Beatmungsgeräten verlas.
Ein erster Posten an Geräten, der von einem Konsortium von Firmen hergestellt worden sei, umfasse 30 Geräte, zitierte die Nachrichtensprecherin mit ungläubigem Gesichtsausdruck aus der Mitteilung. "Wir haben nachgehakt, aber es scheint wirklich 30 zu heißen", sagte sie mit Falten auf der Stirn. Ein Videomitschnitt der Szene vom Mittwoch kursierte im Internet und wurde in verschiedenen Versionen bis Donnerstag allein auf Twitter Hunderttausende Male angeschaut.
Bisher stehen in Großbritannien gerade einmal rund 8.000 der für die Behandlung von Covid-19-Patienten dringend benötigten Beatmungsgeräte zur Verfügung. Weitere 5.000 sollen in den kommenden Wochen hinzukommen. Doch das dürfte bei Weitem nicht ausreichen. Auf dem Höhepunkt der Pandemie rechnet die Regierung mit einem Bedarf von 30.000 Geräten.
Für Nachschub soll unter anderem das für Staubsauger bekannte Unternehmen Dyson sorgen. Die Regierung bestellte 10.000 Geräte. Doch wann sie tatsächlich einsatzbereit sein werden, war zunächst unklar. Trotzdem nimmt Großbritannien an einem Beschaffungsverfahren der EU nicht teil - angeblich wegen Kommunikationsproblemen.
Zusammenfassung
- Der britische Premierminister Boris Johnson gerät wegen Mängeln bei der Bekämpfung des Corona-Ausbruchs zunehmend unter Druck.
- Kritiker werfen der britischen Regierung vor, dass viel zu wenig Corona-Tests vorgenommen werden und nach wie vor Tausende Beatmungsgeräte für die Covid-19-Lungenkranken fehlen.
- Ärzte müssen daher entscheiden, bei wem sich der Einsatz von Beatmungsgeräten noch lohnt.
- Die Regierung bestellte 10.000 Geräte.