USA bestätigt Angriffserlaubnis für Ukraine weiterhin nicht
Das Weiße Haus wies Kritik aus Moskau an der Angriffserlaubnis zurück - reagierte ansonsten aber ausweichend auf Fragen zu dem Thema. "Das Feuer wurde durch die russische Invasion in die Ukraine entfacht", sagte der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater der USA, Jon Finer, am Rande des G20-Gipfels in Rio de Janeiro. Auch auf mehrfache Nachfrage wollte Finer die Berichte nicht offiziell bestätigen, dementierte sie aber auch nicht. "Ich bestätige keine Entscheidungen, die in Bezug auf die US-Unterstützung in diesen operativen Fragen getroffen wurden oder nicht", sagte Finer.
Das übergeordnete Ziel sei, "die Ukraine so stark wie möglich zu machen", so Finer weiter. Fakt sei, dass die US-Regierung ihre politischen Entscheidungen "auf der Grundlage der Umstände" auf dem Schlachtfeld treffe. In den vergangenen Tagen und Wochen habe es eine "bedeutende russischen Eskalation" gegeben, so Finer mit Blick auf Berichte über den Einsatz nordkoreanischer Truppen.
Die US-Regierung sieht die Ukraine durch das Telefonat des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht übergangen. "Deutschland ist ein souveränes Land, das in Bezug auf seine internationalen Beziehungen tun kann, was es will", sagte Finer.
Die bekannte US-Auffassung sei, dass nichts über den Kopf der Ukraine hinweg entschieden werden solle, so Finer. Das bedeute aber nicht, dass niemand mit Russland sprechen dürfe. Er erinnerte daran, dass auch US-Vertreter wiederholt in Kontakt mit der russischen Führung getreten seien.
Russland warf unterdessen US-Präsident Joe Biden vor, mit der Erlaubnis des Einsatzes weiter reichender Waffen für die Ukraine den Konflikt weiter anzuheizen. Sollte die Entscheidung in Washington offiziell bestätigt werden, würde sie zu einer "grundlegend neuen Situation in Bezug auf die Beteiligung der USA an diesem Konflikt" führen, warnte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag. Es sei "offensichtlich", dass die scheidende US-Regierung "Öl ins Feuer" gießen wolle.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, hatte auf frühere Stellungnahmen von Machthaber Wladimir Putin zur möglichen Freigabe der Waffen verwiesen. Auch er hatte wiederholt vor einer neuen Eskalation in dem Krieg gewarnt, sollte das passieren. Die Ukraine sieht die Waffen dagegen als Teil ihres "Siegesplans" in dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der am morgigen Dienstag 1.000 Tage andauert.
Vor dem EU-Außenministerrat am Montag in Brüssel befürworteten neben dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell zahlreiche Teilnehmende die laut den Berichten am Wochenende von US-Präsident Biden gegebene Erlaubnis. Borrell appellierte vor seinem voraussichtlich letzten Rat an die EU-Mitgliedstaaten, der Ukraine den Einsatz von europäischen Waffen für Angriffe innerhalb Russlands zu erlauben. Borrell fordert auch eine schnellere Unterstützung für die Ukraine. Der Spanier erwartet sich heute eine weitere Diskussion über den Waffeneinsatz in der Ukraine und er hofft, "dass die Mitgliedstaaten zustimmen".
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock reagierte mit Zustimmung. Es gehe jetzt darum, "dass die Ukrainer nicht warten müssen, dass die Rakete über die Grenze fliegt, sondern dass man die militärischen Abschussbasen, dass man von dort, wo die Rakete geflogen wird, dass man das zerstören kann", sagte Baerbock am Montag im rbb Inforadio. Dies sei im Rahmen des Selbstverteidigungsrechts jedes Landes.
Ihr französischer Amtskollege Jean-Noël Barrot sagte, dass Präsident Emmanuel Macron bereits erklärt habe, diese Option in Betracht zu ziehen, um "Ziele anzugreifen, von denen aus Russland ukrainisches Gebiet angreift". Der niederländische Außenminister Caspar Veldkamp sieht in der Freigabe der Waffen die richtige Antwort auf den Einsatz nordkoreanischer Soldaten auf der Seite Russlands. Litauens Chefdiplomat Gabrielius Landsbergis forderte eine "neue Strategie für die Ukraine".
Ungarn und die Slowakei kritisierten indes die US-Freigabe für weitreichende Waffen gegen Ziele auf russischem Gebiet. Ungarns Außenminister Péter Szijjártó nannte die Entscheidung "gefährlich". Der slowakische Regierungschef Robert Fico sagte, er sei mit der US-Entscheidung keineswegs einverstanden. "Das ist eine beispiellose Eskalation", hieß es in einer Stellungnahme Ficos.
China drängte unterdessen erneut auf ein Ende des Krieges. "Eine frühe Waffenruhe und eine politische Lösung dienen den Interessen aller Beteiligten", sagte Außenamtssprecher Lin Jian am Montag in Peking. "Das Dringlichste ist, so schnell wie möglich eine Abkühlung der Lage herbeizuführen", fügte er hinzu.
Biden erlaubt der Ukraine laut den Berichten konkret den Einsatz ATACMS-Raketen zur Verteidigung der ukrainischen Streitkräfte in der von ihnen besetzten westrussischen Region Kursk. Das Pentagon und der Nationale Sicherheitsrat der USA wollten die Berichte auf Nachfrage zunächst nicht kommentieren, dementierten diese aber auch nicht.
Aus dem russischen Parlament kamen indes Warnungen vor einer Eskalation bei einem ukrainischen Einsatz von US-Waffen mit längerer Reichweite. Die Regierung von US-Präsident Biden riskiere einen Dritten Weltkrieg, sollte sie der Ukraine erlauben, mit solchen US-Waffen Ziele tief in Russland anzugreifen, sagte die russische Parlamentsabgeordnete Maria Butina am Montag. Die Biden-Administration versuche, die Lage zu eskalieren, solange sie noch an der Macht sei.
Butina betonte, sie habe die große Hoffnung, dass der designierte künftige US-Präsident Donald Trump diese Entscheidung, sollte sie getroffen worden sein, rückgängig machen werde. Denn sie riskiere "ernsthaft den Beginn eines Dritten Weltkriegs, der in niemandes Interesse ist", sagte Butina, die 15 Monate wegen Agententätigkeit in den USA im Gefängnis verbrachte und nun für die Regierungspartei Einiges Russland Duma-Abgeordnete ist, zu Reuters. US-Regierungskreisen zufolge haben die USA der Ukraine den Einsatz von US-Raketen mit längerer Reichweite erlaubt.
Putin hatte Mitte September gewarnt, dass eine Zustimmung des Westens zu einem solchen Schritt "die direkte Beteiligung der NATO-Staaten, der USA und europäischer Länder am Krieg in der Ukraine" bedeuten würde, da die militärische Infrastruktur und das Personal der NATO in die Zielsetzung und das Abfeuern der Raketen involviert sein müssten. Ende Oktober sagte Putin, dass sich das russische Verteidigungsministerium auf mehrere Reaktionsmöglichkeiten vorbereite.
Die Ukraine fordert eine solche Freigabe schon seit Monaten. Die "New York Times" berichtete unter Berufung auf US-Regierungskreise, die Raketen würden wohl zunächst gegen russische und nordkoreanische Soldaten in der russischen Oblast Kursk eingesetzt werden. Demnach traf die US-Regierung die Entscheidung als Reaktion auf den Einsatz nordkoreanischer Soldaten auf russischer Seite.
Zusammenfassung
- Die USA bestätigen Berichte über die Erlaubnis für die Ukraine, ATACMS-Raketen gegen russische Ziele einzusetzen, weder noch dementieren sie diese.
- Russland warnt, dass eine solche Erlaubnis der USA den Konflikt eskalieren und zu einer neuen Situation führen könnte.
- Der Krieg in der Ukraine dauert am morgigen Dienstag 1.000 Tage an; die Ukraine sieht die Raketen als Teil ihres Verteidigungsplans.
- Mehrere EU-Außenminister, darunter Annalena Baerbock, unterstützen den Einsatz der Raketen zur Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit der Ukraine.
- China fordert erneut eine Waffenruhe und eine politische Lösung, um die Lage zu beruhigen.