Baerbock angesichts russischer Einflussversuche in Sarajevo
Bosnien stehe derzeit an einer "entscheidenden Weggabelung", sagte Baerbock bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem bosnischen Außenminister Elmedin Konaković. "Wir wollen gemeinsam alles daran setzen, dass wir diesen Weg in die Europäische Union gemeinsam gehen." Die EU-Kommission werde "sehr, sehr zeitnah" ihren nächsten Fortschrittsbericht zu Bosnien hin zur Eröffnung von Beitrittsverhandlungen vorlegen. Ein Voranschreiten des Beitrittspfads sei aber nur möglich, "wenn Reformmeter für Reformmeter konsequent und zügig zurückgelegt wird".
Konaković betonte, Ziel seines Landes sei die EU-Mitgliedschaft. Hierbei erwarte seine Regierung "keine Abkürzung". Es dürfe aber nicht zu weiteren Frustrationen in Bosnien kommen. Wichtig sei vor allem, dass die jungen Menschen im Land blieben. Er räumte ein, dass die Korruption "das größte Problem" im Land sei. Allerdings seien hohe Würdenträger bereits wegen Korruption verurteilt worden. Zudem sei man dabei, mit der Schaffung eines Gesetzes zum Umgang mit Interessenskonflikten eine weitere wichtige Forderung der EU umzusetzen.
Im Februar hatte Bosnien-Herzegowina zudem mit einem neuen Gesetz zum Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung eine weitere Bedingung erfüllt, die Brüssel gestellt hatte. Dies "zeigt unsere Bereitschaft und unser Engagement, den europäischen Weg schneller als je zuvor fortzusetzen", sagte Konaković.
Die Verabschiedung des Gesetzes zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sei solch ein europäischer Reformschritt gewesen, erklärte Baerbock. Mit Blick auf die im Oktober anstehenden Kommunalwahlen in dem Land sei es zentral, dass die Wahlrechtsreform mit einem Integritätspaket angepackt werde. "Freie und faire Wahlen sind das Fundament einer demokratischen Gesellschaft", betonte sie.
In Bosnien ist die politische Lage nach wie vor prekär, weil die dort lebende serbische Minderheit weiterhin eine Abspaltung anstrebt. Neben engen Beziehungen zu Serbien pflegt der Präsident der Republika Srpska, Milorad Dodik, auch gute Kontakte zu Russlands Präsident Wladimir Putin. Konaković hatte am Montag nach einem Treffen mit seinem österreichischen Amtskollegen Schallenberg (ÖVP) und Italiens Chefdiplomaten Tajani gesagt, dass sein Land vom bevorstehenden EU-Gipfel Grünes Licht für Beitrittsverhandlungen erwarte, und zwar auch als Botschaft "an Russland".
Baerbock warnte in dem Zusammenhang vor "Spaltungsfantasien". Sie sei sich auch im Format des Weimarer Dreiecks mit Deutschland, Frankreich und Polen einig, dass die sechs Staaten des Westbalkans Mitglieder der EU werden müssten. Dies sei "eine geopolitische Notwendigkeit", betonte Baerbock im Hinblick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Ziel der EU ist, die sechs Westbalkan-Staaten Albanien, Montenegro, Serbien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina und Nordmazedonien zusammen aufzunehmen.
Die sechs Länder befinden sich im Beitrittsprozess aber auf unterschiedlichen Stufen. Bosnien-Herzegowina ist seit dem 15. Dezember 2022 offizieller EU-Beitrittskandidat. Der nächste Schritt wäre die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Diese muss der Europäische Rat einstimmig beschließen, falls die EU-Kommission das empfiehlt. Ob es dazu kommt, hängt von den Reformschritten ab. Die Kommission hat angekündigt, im März einen Bericht über die Reformschritte vorzulegen.
Von Sarajevo aus wollte Baerbock zu einem Arbeitstreffen mit ihrem französischen Kollegen Stéphane Séjourné nach Paris reisen. Bei dem Gespräch dürften auch die jüngsten Verstimmungen im deutsch-französischen Verhältnis zwischen Kanzler Olaf Scholz (SPD) und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron eine Rolle spielen. Scholz hatte am Wochenende seine Linie verteidigt, keine Soldaten in die Ukraine zu entsenden. Er reagierte damit auf einen Vorstoß Macrons, der kürzlich aufhorchen ließ, als er einen solchen Einsatz westlicher Bodentruppen nicht ausschloss.
Zusammenfassung
- Außenministerin Annalena Baerbock setzt in Sarajevo ihre Westbalkanreise fort, um den EU-Beitrittsprozess Bosnien-Herzegowinas zu unterstützen und russischen Einflussversuchen entgegenzuwirken.
- Sie traf sich mit Mitgliedern des Staatspräsidiums und betonte die Notwendigkeit von Reformen für freie und faire Wahlen als Grundlage einer demokratischen Gesellschaft.
- Nach dem Besuch in Sarajevo ist ein Arbeitstreffen mit dem französischen Außenminister geplant, bei dem auch der deutsch-französische Abhörskandal eine Rolle spielen könnte.