Auch bosnischer Minister gegen "Internierungstrakt" im Flüchtlingslager Lipa
Am Mittwoch war der bosnische Minister für Menschenrechte und Flüchtlinge, Sevlid Hurtić, in Wien. Auch er sprach sich gegen die Inbetriebnahme des Internierungstrakts des Flüchtlingslagers Lipa bei Bihać aus. Er wolle nicht, dass die Einrichtung in Betrieb gehe.
"Wir sind klar für die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention, aber dieser Gefängnistrakt, der da entsteht, hat überhaupt keine Rechtsgrundlage", sagte Hurtić am Mittwoch bei einem von den Grünen im Parlament veranstalteten Pressegespräch.
Es brauche eine Rechtsgrundlage und eine genaue Definition, welche Personen unter welchen Umständen hier angehalten und dann abgeschoben werden dürften. Da der Wiederaufbau des Flüchtlingscamps auch mit österreichischen Steuergeldern mitfinanziert worden sei, würde er anregen, dass Regierung, Parlament und die zuständigen Finanzbehörden untersuchen, was genau mit den Finanzmitteln passiert sei, sagte der Minister.
Das Flüchtlingslager Lipa liegt in der Nähe der bosnischen Stadt Bihać. Dort baut das International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) das Lager mitsamt einem "Internierungstrakt" auf. Chef des ICMPD mit Sitz in Wien ist der ehemalige ÖVP-Vizekanzler Michael Spindelegger. Finanziert wird das IMCPD von der Europäischen Kommission, den Mitgliedsstaaten, anderen Staaten und der UN.
Abgeordnete will Rücknahme der Klage
Die NGO "SOS Balkanroute" und die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, kritisierten das Vorhaben in der Vergangenheit: Hier solle ein illegales Gefängnis errichtet werden. Das ICMPD hat am Donnerstag wiederholt eine Klage gegenüber "SOS Balkanroute" und dessen Gründer Petar Rosandić alias Kid Pex bestätigt. Dziedzic will, dass Spindelegger und das ICMPD die Klage zurücknehmen.
Die Abgeordnete zeigt sich im Gespräch mit PULS 24 überrascht. Sie sei gespannt, wie die anderen Mitgliedsstaaten des ICMPD auf die Klage reagieren würden. Soweit sie wisse, seien die anderen Staaten darüber nicht informiert gewesen. Sie selbst habe sich "sehr geärgert", dass das Institut so tun würde, "als ob sie den Internierungstrakt erfunden" hätten. Die bosnischen Minister würden genau dasselbe sagen wie sie und "SOS Balkanroute" – letztere würden aber dafür geklagt werden.
Der vom früheren Vizekanzler Michael Spindelegger geleiteten Organisation warf Ernst-Dziedzic außerdem vor, mit ihrer Klage gegen die NGO "SOS Balkanroute", zu "versuchen, die Zivilgesellschaft, die Menschenrechtsverletzungen aufzeigt, mundtot zu machen". "SOS Balkanroute" setzt sich für geflüchtete Menschen ein. In einem Brief an die Teilnehmerstaaten des ICMPD habe sie diese um eine Stellungnahme dazu gebeten, geantwortet wurde mit Verweis auf die Klage.
ICMPD: Nutzung des Zellentrakts obliegt den Behörden
Gegenüber PULS 24 stellt der Sprecher des ICMPD, Bernhard Schragl, klar, dass das Zentrum den Zubau nicht als Gefängnis sieht. So sieht sich das ICMPD ausschließlich für die Errichtung verantwortlich, nicht für Planung und Entwurf. Dafür sei das Sicherheitsministerium von Bosnien und Herzegowina verantwortlich. Auch den Schlüssel habe man Mitte Mai an die bosnischen Behörden übergeben.
Das ICMPD nimmt auch auf seiner Website zu den Vorwürfen Stellung: "Das Bestimmen des finalen Zwecks für die temporären Verwahrungszellen und die Fertigstellung der erforderten Verfahren im Einklang mit den nationalen rechtlichen Rahmenbedingungen liegt bei den Behörden in Bosnien und Herzegowina."
Klage gegen NGO wegen Kreditschädigung
Die weiteren 20 Mitgliedstaaten wüssten über die Klage Bescheid. Um die eigene Glaubwürdigkeit zu schützen, sehe sich ICMPD "gezwungen", "SOS Balkanroute" und Petar Rosandić zu klagen.
Im Mai wurde bekannt, dass das ICMPD die NGO "SOS Balkanroute" wegen Kreditschädigung vor dem Handelsgericht Wien klagt. Man wolle weder die Meinungsfreiheit einschränken noch finanziellen Druck ausüben, betonte ein ICMPD-Sprecher gegenüber der APA. "Uns geht es ausschließlich um die Unterbindung von fortwährenden falschen Behauptungen."
Aus den Augen aus dem Sinn?
Asylkoordinator Lukas Gahleitner-Gertz bemängelt eine fehlende gemeinsame EU-Asylpolitik. Wenn man über Asylverfahren an den EU-Außengrenzen reden wolle, müsse zuerst über einheitliche Standards gesprochen werden. Bosnien-Herzegowina sei nicht Teil der EU, und daher würden hier nicht die EU-rechtsstaatlichen Standards gelten. Der Verdacht liege nahe, dass es bei der Auslagerung von Asylverfahren darum gehe, "dass es aus unserem Sichtfeld ist", so Gahleitner-Gertz.
Die Internierungseinrichtung im Flüchtlingslager Lipa wurde im Auftrag der EU-Kommission vom ICMPD errichtet. Laut ICMPD-Generaldirektor Spindelegger sollen bis zu 12 Personen, die andere Bewohner des Lagers gefährden, darin für höchstens 72 Stunden untergebracht werden. SOS Balkanroute wirft ICMPD vor, ein illegales Gefängnis gebaut zu haben, und geht davon aus, dass der Bau als Abschiebe-Haftanstalt genutzt werden wird. Die Anlage ist laut ICMPD seit Jänner fertig, und man warte nun auf die Übergabe an die bosnischen Behörden.
Das ICMPD wurde 1993 von der Schweiz und Österreich gegründet. Mittlerweile hat es 20 Mitgliedsstaaten.
Zusammenfassung
- Laut einem bosnischen Minister hat ein gefängnis-artiger Zubau zum Flüchtlingslager Lipa in Bosnien keine Rechtsgrundlage.
- Das von Ex-Vizekanzler Spindelegger geleitete ICMPD bleibt weiter in Kritik.
- Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, wollte vom Ex-Vizekanzler Spindelegger wissen, was es mit den Zellen auf sich hat,
- Das ICMPD beantwortete ih keine Fragen, sondern bestätigte abermals seine Klage gegen eine NGO.