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Angeblicher FSB-Whistleblower: "Im Juni gibt es keine russische Wirtschaft mehr"

In mehreren Medien kursiert derzeit ein umstrittener Bericht eines angeblichen Whistleblowers aus dem russischen Geheimdienst FSB. Darin soll stehen, dass der Geheimdienst in die Kriegs-Pläne nicht eingeweiht worden sein soll und man nun nicht von einem Sieg Russlands ausgehe.

Russlands Krieg in der Ukraine sei ein "totaler Fehlschlag", soll ein angeblicher FSB-Analyst in einem Brief geschrieben haben. Ob der Bericht wirklich echt ist, kann derzeit nicht verifiziert werden.

Der "Bellingcat"-Journalist Christo Grozev will den Brief jedenfalls zwei Kontaktpersonen - ehemaligen oder aktiven - im FSB gezeigt haben. Sie hätten ihn für echt gehalten, dem Inhalt aber nicht hundertprozentig zugestimmt. Andere Stimmen hegen massive Zweifel an der Echtheit des Schreibens. Auch, weil die Ukraine selbst in letzter Zeit Fälschungen von FSB-Dokumenten veröffentlich hatte, wie auch Grozev berichtet. 

Der Inhalt des Schreibens - so es denn echt ist - ist aber brisant. Veröffentlicht wurde das gut 13.000 Zeichen umfassende Dokument vom russischen Menschenrechtsaktivisten Vladimir Osechkin auf Facebook und der Anti-Korruptions-Website "gulagu.net" - es berichteten unter anderem auch die "Times" und der "Spiegel". 

Angeblich schon 10.000 tote Russen

Jedenfalls kritisiert der unbekannte Autor des umstrittenen Schreibens, dass der FSB über Russlands Invasion in der Ukraine im Unklaren gelassen worden sein soll. Auch jetzt, zwölf Tage nach Beginn der Invasion, fehle dem Geheimdienst der Überblick. So könne niemand im Kreml genau sagen, wie viele Tote es aufseiten der russischen Armee gebe, weil "wir den Kontakt mit wichtigen Divisionen verloren haben". Demnach könne es gut sein, dass bereits mehr als 10.000 Soldaten umgekommen sind. Offiziell spricht das russische Verteidigungsministerium bislang von weniger als 500 Toten.

Für den weiteren Verlauf des Krieges sieht der angebliche FSB-Analyst wenig Aussichten für Russland: So habe Russland "keinen Ausweg mehr". "Es gibt keine Optionen für einen möglichen Sieg, nur Niederlagen". So habe die russische Armee mit sehr hartnäckigen Ukrainerinnen und Ukrainern zu kämpfen.

Auch wenn eines von Putins Hauptzielen – die Tötung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj – erreicht werde, habe Russland kaum eine Chance, die Ukraine zu besetzen. "Selbst mit minimalem Widerstand der Ukrainer bräuchten wir mehr als 500.000 Mann, Nachschub und Logistik noch nicht eingerechnet". Das Fazit des Geheimdienstlers: "Unsere Lage ist wie die Deutschlands zwischen 1943 und 1944 – nur, dass es unser Startpunkt ist."

Russische Wirtschaft im Juni am Ende

Dem Analysten zufolge liegt die Hauptursache der russischen Probleme darin, dass sowohl Armee als auch die Administration nicht ausreichend auf den Angriff und die Folgen vorbereitet waren: "Niemand hat gewusst, dass es zu einem Krieg kommt - das wurde vor jedem geheim gehalten." Nun werde dem FSB vorgeworfen, schlechte Analysen abgeliefert zu haben. Doch die zuständigen Mitarbeiter seien von völlig falschen Voraussetzungen ausgegangen. Der Krieg, so der Autor, habe im Juni eine Deadline, weil es dann keine russische Wirtschaft mehr gebe. "Es wird nichts mehr geben". 

Auch US-Geheimdienste hatten schon davor berichtet, dass Russland die Ukraine unterschätzt hat und es auch interne Probleme geben dürfte. Der ins Stocken geratene Konvoi am Weg nach Kiew wird als Beleg dafür genannt. Experten rechnen damit, dass Russland deswegen noch brutaler vorgehen könnte.

ribbon Zusammenfassung
  • In mehreren Medien kursiert derzeit ein umstrittener Bericht eines angeblichen Whistleblowers aus dem russischen Geheimdienst FSB.
  • Darin soll stehen, dass der Geheimdienst in die Kriegs-Pläne nicht eingeweiht worden sein soll und man nun nicht von einem Sieg Russlands ausgehe.
  • Der Krieg, so der Autor, habe im Juni eine Deadline, weil es dann keine russische Wirtschaft mehr gebe. "Es wird nichts mehr geben". 
  • Der "Bellingcat"-Journalist Christo Grozev will den Brief jedenfalls zwei Kontaktpersonen - ehemaligen oder aktiven - im FSB gezeigt haben. Sie hätten ihn für echt gehalten, dem Inhalt aber nicht hundertprozentig zugestimmt.
  • Andere Stimmen hegen massive Zweifel an der Echtheit des Schreibens. Auch, weil die Ukraine selbst in letzter Zeit Fälschungen von FSB-Dokumenten veröffentlich hatte, wie auch Grozev berichtet.