Komponistin Elisabeth Naske: "Kinder werden kaputtgemacht"
"Zack bumm!" heißt das mehrfach ausgezeichnete Kinderbuch von Heinz Janisch, das die Vorlage ihrer Oper ist und von dem kleinen Vogel Sigmund erzählt. Als er aus dem Nest auf den Kopf gefallen ist, hat es ihm die Sprache verschlagen. Seither kann er nur noch eines sagen: "Zack bumm!" Er wird zum Außenseiter. Für Naske ist diese Geschichte aus mehreren Gründen ideal für das junge Publikum von heute: Sie illustriert auf einfache Weise die psychischen Probleme vieler Kinder, die sich in Sprachlosigkeit und Isolation flüchten. Sie propagiert Inklusion, weil sie das Anderssein als Bereicherung darstellt. Und sie kommt quasi ohne Text aus. "Damit ist es auch höchst geeignet für Kinder, die nicht Deutsch sprechen", erklärt sie im Gespräch mit der APA.
Naske kennt die elementaren Probleme im Bildungsbereich, die von eklatantem Lehrkräftemangel bis zur Reduzierung des musisch-künstlerischen Unterrichts reichen. "Es ist eine Katastrophe, was da weggespart wird. Es wird nicht mehr gesungen. Kinder kommen mit Instrumenten nicht mehr in Berührung. Bildung ist auch Persönlichkeitsbildung. Da gehört das Künstlerische unbedingt dazu. Die braucht es für das Menschsein!" Die 61-Jährige macht kein Hehl daraus, dass sie die frühe Trennung der Schullaufbahnen für einen Fehler hält. "Dieses Auseinanderdividieren entspricht den Kindern nicht. Da werden die Kinder kaputtgemacht."
Apropos kaputt: Die Corona-Pandemie habe überall Spuren hinterlassen, stellt Naske fest, bei den Kindern, aber auch in der Kulturszene. Dort ortet sie eine absurd anmutende Entwicklung. Einerseits nimmt der Sparzwang zu, andererseits wurde von der Kulturpolitik das Thema Fair Pay energisch vorangetrieben. In den Subventionsanträgen werde streng darauf geachtet, dass entsprechende Richtlinien eingehalten würden - in der Realität sei dies aber so gut wie undurchführbar. "Man muss hineinschreiben, dass man die Proben zahlt. Das kann aber keiner zahlen! Das geht sich nicht aus!"
Qualität ohne Selbstausbeutung kaum zu erreichen
Was Naske besonders stört: Gerade im Musiktheater für Kinder und Jugendliche herrschten Bedingungen, unter denen bestimmte Qualitätsstandards ohne Selbstausbeutung kaum zu erreichen seien. Für "Zack Bumm!" etwa gebe es ein Budget, mit dem man lediglich eine Woche Proben zahlen könnte. "Das ist im Szenischen undurchführbar. Wenn man ernsthaft arbeiten will, braucht es vier bis sechs Probenwochen. Also muss man sich auf die Suche nach weiteren Geldgebern begeben. Das ist wahnsinnig viel Arbeit."
Über Koproduzenten (für "Zack Bumm!" hat man bereits den Carinthischen Sommer und Luxemburg mit an Bord), Stipendien und Projektzuschüsse versucht man Bedingungen zu ermöglichen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, sagt die Komponistin, die auch Ernüchterndes über die neue Kinder- und Jugendspielstätte der Wiener Staatsoper, das NEST, zu berichten weiß: minimale Produktionsbudgets, niedrige Gagen und aufgrund der mit dem Haupt-Opernbetrieb nur wenig kompatiblen Vorstellungszeiten Mehrfachbesetzungen, die kaum proben können. "Und das bei einem Prestigeprojekt, auf das man zu Recht stolz ist", ärgert sich Naske.
"Ich will mich nicht lähmen lassen!"
Musik ohne szenische Komponente ist leichter finanzierbar, und auch die Vertonerin von Kinderbüchern wie "Das kleine ich bin ich", "Die Omama im Apfelbaum" oder "Die feuerrote Friederike" hat schon viel Kammermusik, aber auch manches Orchesterwerk geschrieben. "Aber eigentlich erzähle ich in meiner Musik immer Geschichten." So auch im Orchesterstück "Sommerfreunde", einem Auftrag des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich, in dem sie mittels Erzählstimme das Thema der Abschiebungen durch die Fremdenpolizei behandelte.
"Sommerfreunde" wurde 2019 uraufgeführt. Seither haben sich die politischen Verhältnisse weiter verschärft. "Ich bemerke bei vielen eine Art Biedermeier-Haltung, sich zurückzuziehen, weil man eh' nichts ändern kann. Aber ich will mich nicht lähmen lassen. Man kann zumindest versuchen, im eigenen Umfeld etwas zu bewirken", sagt Elisabeth Naske und ortet einen Grund für die gesellschaftliche Retro-Welle in der ungebrochenen Macht der alten, weißen Männer. "Das muss endlich aufhören. Wenn ich nur das Wort Herdprämie höre, steigen mir die Grausbirnen auf."
(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - https://www.elisabethnaske.at )
Zusammenfassung
- Elisabeth Naske, 61, ist eine führende Komponistin in Österreich, die sich auf Kinderopern spezialisiert hat.
- Ihr neues Projekt 'Zack bumm!' wird im Mai 2026 im Wiener Konzerthaus uraufgeführt, basierend auf einem mehrfach ausgezeichneten Kinderbuch.
- Naske kritisiert den Lehrkräftemangel und die Reduzierung des musisch-künstlerischen Unterrichts als schädlich für die Persönlichkeitsbildung von Kindern.
- Die Corona-Pandemie hat in der Kulturszene zu Sparzwängen geführt, während Fair-Pay-Initiativen schwer umsetzbar sind.
- Für 'Zack bumm!' sind zusätzliche finanzielle Mittel notwendig, um die erforderlichen Probenwochen zu finanzieren, da nur eine Woche Probenzeit budgetiert ist.