Kongo-Rebellen nehmen Goma ein
"Die Kämpfe dauern noch an. Es ist sehr, sehr unbeständig. Es ist noch nicht vorbei", sagte der humanitäre Koordinator der Vereinten Nationen für die Demokratische Republik Kongo, Bruno Lemarquis. Aktive Kampfzonen hätten sich auf alle Viertel der Stadt ausgeweitet. Die Rebellen werden UNO-Angaben zufolge dabei allem Anschein nach von ruandischen Soldaten unterstützt.
Zivilisten seien dabei besonders bedroht unter anderem durch Artilleriefeuer wie am Montagmorgen, so Lemarquis weiter. "Zum Beispiel trafen mehrere Granaten das karitative Entbindungskrankenhaus im Zentrum von Goma und töteten und verletzten Zivilisten, darunter Neugeborene und schwangere Frauen."
Anrainer berichteten unterdessen, in Goma seien Kämpfer der M23 zu sehen, ebenso wie Soldaten der Armee mit weißen Flaggen, die ihre Waffen und Fahrzeuge verließen. Lediglich im Stadtzentrum würden die Kämpfe andauern, hieß es. "Es stimmt, dass die M23 in Goma eingedrungen ist, aber ich bin nicht sicher, dass sie die gesamte Stadt kontrollieren", sagte der Polizeibeamte Stanley Mugisho.
In der rohstoffreichen Provinz Nord-Kivu kämpft die M23 seit Jahren gegen kongolesische Regierungstruppen und mit ihr verbündete Milizen. In den vergangenen Wochen konnte die M23 massive Gebietsgewinne verzeichnen, sie eroberte auch in der Nachbarprovinz Süd-Kivu Ortschaften. Die Millionenstadt Goma war bereits praktisch von ihr umzingelt.
Große Sorge in der Region
Die sich zuletzt zuspitzende Situation löste eine Massenflucht der Zivilbevölkerung aus. Binnen drei Wochen sind nach UNO-Angaben von Ende vergangener Woche 400.000 Menschen vertrieben worden.
Der jüngste Konfliktverlauf sorgte auch in der Region und international für Aufmerksamkeit. Kenias Präsident William Ruto, derzeit Vorsitzender der ostafrikanischen Staatengemeinschaft EAC, kündigte am Sonntagabend einen Sondergipfel innerhalb von 48 Stunden an, um über die Situation zu beraten. Zugleich forderte er die sofortige Einstellung der Kämpfe. Sowohl Ruanda als auch die Demokratische Republik Kongo sind EAC-Mitglieder.
Gegenseitige Vorwürfe DR Kongos und Ruandas
Sowohl die Regierung in Kinshasa als auch UNO-Experten werfen dem Nachbarland Ruanda vor, die M23 zu unterstützen und auch eigene Truppen im Ostkongo zu haben. In Berichten des UN-Expertenteams zur DR Kongo ist seit vergangenem Sommer von einer Präsenz von mehr als 1.600 ruandischen Soldaten auf kongolesischem Boden die Rede.
Der für Friedenseinsätze zuständige UNO-Vertreter Jean-Pierre Lacroix sagte: "Ich denke, es besteht kein Zweifel daran, dass ruandische Truppen in Goma sind, die die M23 unterstützen." Schätzungen gingen von 3.000 bis 4.000 Soldaten aus.
Auf einer Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrats am Sonntag (Ortszeit) hatte die kongolesische Außenministerin Thérèse Kayikwamba Wagner das Eindringen ruandischer Soldaten in den Ostkongo eine "Kriegserklärung" genannt und erneut Sanktionen gegen Ruanda gefordert, darunter ein Embargo auf Mineralienexporte aus dem Land.
In einer Stellungnahme des Außenministeriums Ruandas wird dagegen eine defensive Haltung des Landes zum Schutz seiner Sicherheit und territorialen Integrität betont, die durch die Kämpfe nahe seiner Grenze bedroht seien.
"Horrornacht" in Goma
Die meisten Hilfsorganisationen, die in Goma arbeiten, haben ihr internationales Personal aus der Stadt abgezogen. "Unsere lokalen Mitarbeiter vor Ort sprechen von einer Horrornacht in Goma", sagte Ursula Langkamp, Leiterin des Büros der Welthungerhilfe in Goma.
Die ganze Nacht hindurch seien Schüsse und Detonationen zu hören gewesen. Die Menschen hätten sich in ihren Häusern verschanzt und wagten sich nicht auf die Straße. Auch die meisten Geschäfte seien geschlossen. Der Sitz des Provinzgouverneurs, der neben dem Büro liege, sei geplündert worden, so Langkamp.
Zusammenfassung
- Die Rebellenmiliz M23 hat die Provinzhauptstadt Goma eingenommen, jedoch gibt es keine Bestätigung von der Regierung oder Armee. Kämpfe und Plünderungen werden weiterhin berichtet.
- Innerhalb von drei Wochen sind 400.000 Menschen aus der Region geflohen, während die UNO von einer Unterstützung der Rebellen durch ruandische Soldaten spricht.
- Kenias Präsident William Ruto plant einen Sondergipfel, um den Konflikt zu besprechen, während die kongolesische Außenministerin das Eindringen ruandischer Soldaten als 'Kriegserklärung' bezeichnet.